Nilofer Merchant:"Im Silicon Valley entwickeln sie Produkte für Privilegierte!"

Nilofer Merchant

Nilofer Merchant (48), kam mit vier Jahren als Kind indischer Einwanderer nach Kalifornien. Als Mädchen erntete sie dort Aprikosen, wo Apple später ein Werk baute. Bei Apple begann sie auch ihre Karriere, wechselte später zu Autodesk, gründete das Start-up GoLive und machte sich schließlich selbstständig.

(Foto: Stephanie Füssenich)

Die ehemalige Apple-Managerin Nilofer Merchant kritisiert die Einfallslosigkeit im vermeintlichen Mekka der Erfinder und erklärt, wie jeder zum Innovator werden kann.

Von Alexandra Borchardt

Es gehört schon eine Portion Selbstbewusstsein dazu, wenn man sich "Jane Bond of Innovation" nennt - und das ganz ohne Ironie. Wer Nilofer Merchant auf der Bühne erlebt hat, der weiß, sie hat es. Und lernt man sie näher kennen, kann man sagen, sie hat es sich verdient. In der Ära Steve Jobs stieg sie bei Apple auf, arbeitete für mehrere IT-Unternehmen, machte sich selbstständig und verdient heute ihr Geld als Beraterin, Rednerin und Autorin. Ihr Herzensthema: Wie schafft man Innovationen?

Auf jeden Fall muss man dazu nicht Steve Jobs sein, davon ist sie überzeugt. "Es geht weniger um diese eine großartige und brillante Idee", sagt sie, "es gibt unzählige Ideen in der Welt, aber die Frage ist: Was braucht es, um sie unter die Leute zu bringen?" Weil jeder seine eigenen Erfahrungen und eine besondere Geschichte mitbringe, habe auch jeder eine einzigartige Perspektive, das müsse man nutzen. Aber die Umsetzung funktioniere nur im Team. "Das ist eine der großen Täuschungen aus dem Silicon Valley, diese Heldengeschichten. Tatsächlich geht es fast immer so: Jemand findet eine Idee, und dann baut man ein Team, das die Idee verwirklicht." Merchants wichtigster Rat: auch mal den Stillen zuhören. "Wenn jemand, dem immer zugehört wird, wirklich eine Idee hätte, mit der man eine bestimmte Aufgabe lösen kann, wäre die Aufgabe längst gelöst. Sie brauchen neue Stimmen."

So manches, was derzeit aus den Labors und Büros der amerikanischen Westküste kommt, betrachtet sie kritisch. "Sie sagen dort immer, sie wollen die Welt verändern. Aber das meiste, an dem derzeit gearbeitet wird, hat damit überhaupt nichts mehr zu tun. Sie entwickeln Produkte für Privilegierte. Wenn ich mich nur noch darum sorge, wie ich meine Wäsche gemacht, mein Haus geputzt und Essen geliefert bekomme, habe ich etwas nicht verstanden." Hier zeige sich, dass die treibenden Köpfe alle eine ähnliche Biografie haben, junge Männer seien, die nun ersetzt haben wollten, was ihre Mütter daheim für sie aus dem Weg geräumt hatten. "Silicon Valley hat aus dem Blick verloren, was die wirklichen Probleme sind."

Merchant, 48, wohnt seit Kurzem selbst wieder in Kalifornien. Vor ihrem Umzug hatte sie zwei Jahre lang in Paris gelebt, um ein neues Buch zu schreiben - und, so sagt sie, damit ihr Sohn die europäische Kultur kennenlernt.

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