Niedrige Bezahlung von Frauen:Selbst schuld

Rechtzeitig zum Equal Pay Day erklärt Karriereberaterin Bettina Sturm, warum Frauen noch immer weniger verdienen als Männer: Sie haben es nicht anders verdient.

Maria Holzmüller

Frauen verdienen noch immer weniger als Männer. Der heutige Equal Pay Day macht auf diesen Missstand aufmerksam: Bis zum 26. März müssen Frauen in Deutschland arbeiten, um das Vorjahresgehalt ihrer männlichen Kollegen zu erreichen. Warum sich die Situation seit Jahren trotzdem nicht verbessert, das erklärt die Karriereberaterin Bettina Sturm.

sueddeutsche.de: Unlängst haben aktuelle Studien aufs Neue gezeigt, dass die Lohnkluft zwischen Frauen und Männern in Deutschland weiterhin wächst. Sie verdienen im Schnitt 23,3 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen. Warum ist das so?

Bettina Sturm: Frauen sind selbst schuld. Ich habe lange als Personalleiterin gearbeitet und es selbst erlebt: Frauen reden nicht gerne über Geld. Verhandlungen über das Gehalt sind ihnen oft peinlich und unangenehm. Deswegen ergreifen sie fast nie die Initiative und sprechen ihren Chef einfach mal an, um mehr Geld zu fordern. Auch das jährliche Mitarbeitergespräch nutzen sie nicht, um das Thema Gehaltserhöhung auf den Tisch zu bringen.

sueddeutsche.de: Ist Frauen Geld nicht wichtig?

Sturm: So scheint es. Wenn ich nachfrage "Wie wichtig ist für Sie Ihr Gehalt?", dann höre ich häufig Aussagen wie "Hauptsache die Kollegen sind nett" oder "Wenn die Aufgabe eine Herausforderung ist, ist mir das Gehalt nicht so wichtig." Als Personalleiterin habe ich mir dann immer gedacht: "Spitze, schon wieder 5000 Euro eingespart." Bei manchen Frauen stecken Lehrsätze aus der Kindheit dahinter. Wem eingebleut wurde, nur nicht gierig zu sein, der hat Schwierigkeiten, offen nach mehr Geld zu fragen.

sueddeutsche.de: Was machen Frauen in Gehaltsverhandlungen falsch?

Sturm: Sie gehen davon aus, dass der Chef selbst merken müsste, dass sie gute Arbeit leisten und eine Gehaltserhöhung verdienen. Anstatt ihn mit Forderungen zu konfrontieren, hoffen sie, dass er ihnen das Geld von sich aus anbietet. Das wird aber nicht passieren.

sueddeutsche.de: Was können Frauen tun, um das zu ändern?

Sturm: Sie sollten sich zuerst einen dicken Ordner anlegen. Und dann sammeln, sammeln, sammeln: jeden Erfolg, den sie erzielt haben, jede Leistung, jede Zusatzaufgabe, die sie angenommen haben. Und diesen Ordner sollten sie sich ansehen, bevor sie zum Chef gehen. Chefs wollen überzeugt werden, sie brauchen handfeste Erfolgsmeldungen. Wer belegen kann, wie gut er im vergangenen Jahr gearbeitet hat, der hat auch auch Chancen, für eine Gehaltserhöhung zu argumentieren. Der Chef braucht Zahlen, Daten und Fakten.

sueddeutsche.de: In Gehaltsverhandlungen werden heute sämtliche Forderungen gerne mit dem Argument "Wirtschaftskrise" abgeschmettert.

Sturm: Davon dürfen sich Frauen nicht abwimmeln lassen. Sie sollten mit einer konkreten Forderung in das Gespräch einsteigen. Wenn 20 Prozent mehr Lohn nicht drin sind, gibt es noch andere, variable Gehaltsbestandteile, über die geredet werden kann. Einen Bonus bei Erfüllung bestimmter Ziele zum Beispiel. Oder Zusatzleistungen wie eine Jahreskarte für den Nahverkehr, Tankgutscheine, ein Handy - das sind alles Möglichkeiten, das Netto auf dem Konto zu erhöhen. Und genau darum geht es.

sueddeutsche.de: Wie sollten sich Frauen auf die Stresssituation in der Gehaltsverhandlung vorbereiten?

Sturm: Wichtig ist es, Souveränität auszustrahlen. Um die zu gewinnen, sollten sie sich gut vorbereiten. Zahlen im Kopf, mit denen sie argumentieren können, sind wichtig. Auch das richtige Outfit sollten sie aussuchen und das Gespräch mit Freunden oder vor dem Spiegel ein paar mal durchspielen, um auf verschiedene Situationen gefasst zu sein. Und am wichtigsten ist eine positive Grundeinstellung - die bekommt man, wenn man anfängt, das Ganze spielerisch zu sehen.

sueddeutsche.de: Und wenn am Ende trotzdem nichts geht?

Sturm: Wenn der Chef keiner Form der Gehaltserhöhung zustimmt, dann bloß nicht entmutigen lassen. Machen Sie deutlich, dass das Thema für Sie damit nicht abgehakt ist. "Okay, dann komme ich in drei Monaten nochmals auf Sie zu", wäre eine Möglichkeit, das Gespräch zu beenden. Sie sollten dranbleiben - es gibt immer eine nächste Runde.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: