Süddeutsche Zeitung

Neuer Job:Wie man einen forschen Vorgänger loswird

Ein Geschäftsführer hat seinem Vorgänger viel zu verdanken: Er führte ihn gut ins Unternehmen ein und half ihm auch danach noch. Nun möchte der neue Chef selbst gestalten - der frühere schaut aber weiterhin regelmäßig vorbei. Wie wird er den unerwünschten Berater elegant los? Coach Georg Kaiser antwortet.

SZ-Leser Peter Sch. 54, fragt: Ich bin seit einem guten Jahr Geschäftsführer einer Stiftung und meinem Vorgänger zu Dank verpflichtet. Er hat mich in einer schwierigen Lage sehr gut eingeführt und mir auch in den folgenden Monaten mehrmals mit Rat und Tat zur Seite gestanden. Nun möchte ich selbst gestalten und meine Ideen nicht mehr mit dem Pensionär besprechen. Er hat sich aber angewöhnt, einmal im Monat zur "Lagebesprechung" vorbeizuschauen. Das macht mich zunehmend nervös. Wie werde ich ihn auf elegante Weise los?

Berater Georg Kaiser antwortet:

Lieber Herr Sch., prinzipiell sehe ich keinen Widerspruch darin, einmal im Monat den eingeschlagenen Weg mit dem Vorgänger zu reflektieren und die Geschäfte der Stiftung eigenständig zu führen. Ganz im Gegenteil kann das eine Bereicherung sein, weil er eventuell Aspekte beisteuert, die Sie vorher nicht gekannt oder bedacht haben. Dies gilt insbesondere für "politische" Themen oder für Empfindlichkeiten oder Vorlieben einzelner Stifter oder anderer einflussreicher Personen im Hintergrund.

Allerdings scheinen Sie beide einen Rollenwechsel vollziehen zu müssen. Sie stehen vor der Aufgabe, eine Position der Stärke einzunehmen, ohne Ihren Vorgänger vor den Kopf zu stoßen. Bei ihm geht es darum, Einfluss und Verantwortung abgeben zu können.

Die Steuerung in diesem Prozess liegt bei Ihnen. Um zu verhindern, dass sich bei ihm der Eindruck festsetzt, sein Gesicht verloren zu haben, sollten Sie darauf hinarbeiten, dass er von sich aus zu der Überzeugung kommt, dass seine Expertise nicht mehr regelmäßig, sondern nur noch in speziellen Situationen gebraucht wird. Ihr Vorgänger ist Ihnen wohlgesonnen und will das Beste für die Stiftung. Das bietet gute Chancen für Win-win-Lösungen.

Bedanken Sie sich zunächst dafür, dass er Sie gut begleitet und unterstützt hat. Fragen Sie ihn, ob es seiner Meinung noch etwas gibt, das Sie lernen sollten. Falls ja, erarbeiten Sie mit ihm eine Roadmap, wie die Lagebesprechungen inhaltlich so gestaltet werden, dass Sie innerhalb von sechs Monaten alle wesentlichen Hintergrundinformationen gewonnen haben, um von da ab die Geschäfte ganz eigenständig zu führen. Legen Sie von sich aus die Agenda für gemeinsame Lagebesprechungen fest.

Bei kontroversen Einschätzungen machen Sie sich bewusst und Ihrem Vorgänger deutlich, dass Sie sich die endgültige Entscheidung vorbehalten, Ihr Vorgänger also nur eine beratende Funktion hat. Machen Sie sich bewusst, dass Sie das für sich und nicht gegen ihn tun. Sie tragen jetzt die Verantwortung und stehen für den Erfolg oder Misserfolg ein. Im Falle eines Dissenses muss er Sie überzeugen.

Tun Sie alles dafür, sich die Loyalität Ihres Vorgängers zu erhalten. Er hat sich im Laufe seiner Geschäftsführertätigkeit eine hohe Reputation erworben und kann zum Wohle der Stiftung auf ein Netzwerk einflussreicher Personen zurückgreifen. Betrachten Sie die Lagebesprechungen als Netzwerkarbeit, in der Sie Ihren Mentor unterstützen, sich aus der Verantwortung für die Stiftung zu lösen und sich gleichzeitig seine Hilfe in unvorhergesehenen Krisenzeiten erhalten. Stärke zeigen Sie, indem Sie die Geschäfte so führen, dass die Kontinuität gewahrt wird, der Wechsel in der Geschäftsführung geräuschlos verläuft und gleichzeitig mehr und mehr Ihre eigene Handschrift sichtbar wird.

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Quelle:
SZ vom 24.09.2011/tina
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