Süddeutsche Zeitung

Neue Urteile:Recht so

Muss ein Arbeitnehmer in Privatinsolvenz seine durch Schicht-, Nacht- oder Sonntagsarbeit erworbenen Zulagen als pfändbare Vergütung abtreten? Rechtfertigt ein Griff in den Genitalbereich eines Kollegen die Kündigung?

Strittige Erschwerniszulagen. Zulagen für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit sind nicht pfändbar, soweit sie der Höhe nach üblich sind. Das gilt aber nicht für Schicht-, Samstags- oder sogenannte Vorfestarbeit. Das stellte das Bundesarbeitsgericht in Erfurt klar. Die Klägerin arbeitet als Hauspflegerin in einer Sozialstation in Berlin. Sie war ursprünglich in Privatinsolvenz und danach in der sogenannten Wohlverhaltensphase. Während dieser musste sie ihre pfändbare Vergütung an einen Treuhänder abtreten. Es kam zum Streit, inwieweit dies auch die verschiedenen Zulagen der Hauspflegerin umfasst. Das Bundesarbeitsgericht stellte nun klar, dass Zulagen für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit in üblicher Höhe "unpfändbare Erschwerniszulagen" sind. Als "üblich" gelten bei Nachtarbeit Zulagen bis zu 25 Prozent des Grundlohns, bei Sonntagsarbeit 50 Prozent, an Feiertagen 125 Prozent, außer am 25./26. Dezember und 1. Mai sogar 150 Prozent. Bei Zulagen für Schicht-, Samstags- oder Vorfestarbeit (etwa Heiligabend nach 14 Uhr) gebe es dagegen keine entsprechende "gesetzgeberische Wertung". Diese seien daher auch nicht als Erschwerniszulagen anzusehen und somit pfändbar. (Az: 10 AZR 859/16)

Verletzender Fehlgriff. Der Griff in den Genitalbereich eines Kollegen rechtfertigt nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts eine Kündigung. Das gelte auch, wenn der Übergriff nicht vordergründig sexuell motiviert sei. Im konkreten Fall hatte ein Arbeiter in einem Stahlwerk in Bremen einen Leiharbeiter schmerzhaft von hinten am Geschlechtsteil gepackt und dazu rüde Bemerkungen gemacht. Sein Arbeitgeber hatte das als sexuelle Belästigung gewertet und dem Arbeiter der Stammbelegschaft gekündigt, nachdem ihm der Vorfall bekannt geworden war. Dagegen hatte der Mann geklagt. Das Bundesarbeitsgericht wertete die Aktion als Eingriff in die körperliche Intimsphäre. "Auf die sexuelle Motivation kommt es nicht an", heißt es in dem Urteil. Mit der Entscheidung habe das Gericht klargestellt, dass die absichtliche Berührung von Geschlechtsteilen - auch ohne sexuelle Absicht - eine Kündigung rechtfertigen könne. (Az.: 2AZR 302/16)

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SZ vom 14.10.2017 / DPA/AFP
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