Neue Unternehmensmodelle:Arbeit, Leben und alles dazwischen

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Einzelne Lebensbereiche zu vereinbaren, ist vor allem für Frauen eine Herausforderung. Von den Lösungen profitieren jedoch alle, wie diese vier Firmen beweisen.

Von Ann-Kathrin Eckardt, Felicitas Wilke, Kathrin Werner und Lea Hampel

Dark Horse: Machen statt diskutieren

  • Unternehmen: Dark Horse
  • Firmensitz: Berlin
  • Beschäftigte: 30
  • Sagen von sich: Wir sind alle Chefs

Als Manuel Ott seinen Eltern erzählte, dass er mit 29 Kommilitonen eine Firma gründen will, hatte er ein paar Wochen später eine Stellenausschreibung der Stadt Freiburg im Briefkasten. Der Absender: sein Vater. Auch Freunde und Bekannte warnten den Geografen: Bist du verrückt? Mit 30 Leuten eine Firma gründen?

Sechs Jahre später sitzt der 34-Jährige an einem langen Holztisch in einer Wohnküche in Berlin Kreuzberg. Es ist, wenn man so will, sein Arbeitsplatz, aus dem Start-up ist längst ein richtiges Unternehmen geworden, dessen Kundenliste sich wie ein Auszug aus dem Dax liest: SAP, Telekom, DHL, Audi, E.on, Lufthansa, Deutsche Bahn.

Sie alle wollen von der Innovationsagentur lernen, neu zu denken. "Machen statt diskutieren" ist dabei ein zentraler Grundsatz. Ideen werden nicht mehr in endlosen Meetings zu Tode analysiert, sondern mit Pfeifenputzern, Tonpapier, Styroporkugeln und anderem Krimskrams zu Modellen geformt. Raus aus den Büros, rein in die Bastelecke. Und vor allem: rein in eine neue Arbeitswelt.

"Wir haben uns selbst unseren Traumarbeitsplatz geschaffen"

Denn die 30 Gründer - alle Absolventen eines Design-Thinking-Aufbaustudiums in Potsdam - lehren nicht nur eine neue Art zu denken. Sie leben auch eine neue Art zu arbeiten vor, haben einen Gegenentwurf zu einer Arbeitswelt geschaffen, in der Geldverdienen ein notwendiges Übel und das Wochenende der einzige Lichtblick im Arbeitsalltag ist. Bei Dark Horse dagegen lautet das Motto: Thank God it's Monday!

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"Wir haben uns selbst unseren Traumarbeitsplatz geschaffen": die Innovationsagentur Dark Horse in Berlin

(Foto: KAY HERSCHELMANN)

"Wir haben uns selbst unseren Traumarbeitsplatz geschaffen", sagt Manuel Ott. Zurzeit ist der 34-Jährige einer von 17 so getauften Mönchen. Kutte und Kreuz tragen sie allerdings alle nicht. Ein Mönch ist bei Dark Horse ein Gründer, der arbeitet. Sie halten den Laden am Laufen. Die Pilger hingegen kriegen ein Kind, gehen auf Reisen, schreiben ihre Doktorarbeit, arbeiten woanders, bekommen in der Zeit aber auch kein Geld. Einmal im Jahr kann jede und jeder sagen, was er im nächsten Jahr sein will, Mönch oder Pilger, und wenn er arbeitet, wie viele Stunden.

Bezahlt wird nach einem Mischmodell

"Wir wollen gar nicht, dass jeder unbedingt Vollzeit für Dark Horse arbeitet", sagt Lisa Zoth, Otts Kollegin. "Das Interdisziplinäre ist unser großer Schatz. Jeder bringt ja von einer anderen Arbeit oder einer Reise Ideen und Kontakte mit."

Jeden Freitagmorgen beim Jour fixe werden die anfallenden Aufgaben und Aufträge am langen Holztisch verteilt. Bezahlt wird nach einem Mischmodell: Es gibt eine Grundausschüttung für alle und je nachdem, wie viele Projekte man hat, verdient man anteilig mehr. Ämter und Dienste rotieren. Entschieden wird nicht demokratisch, sondern nach dem Prinzip der Soziokratie. Heißt: Wer da ist, hat das Sagen.

Ein Moderator - einen Chef gibt es ja nicht - fragt die Anwesenden einzeln: "Kannst du mit der Entscheidung leben?", und nicht etwa: "Bist du dafür?" Wer sein Veto einlegt, muss einen Alternativvorschlag machen. "Natürlich", sagt Ott, "gibt es auch bei uns mal Streit", aber nach sechs Jahren sind immer noch alle 30 Gründer miteinander befreundet.

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