Neue Titel für Hochschulabsolventen:Man sieht es gelassen

Lesezeit: 4 min

Allerdings möchten sich zum Teil sehr erfolgreiche "Hidden Champions" nicht gerne mit Firmennamen zitieren lassen. Ganz einfach deswegen, weil viele von ihnen um die Jahrtausendwende noch vollmundig verbreitet haben, die deutschen Magister und Diplomanden fänden viel zu spät - meist erst Ende 20 - ins Berufsleben und seien dann nicht mehr so recht formbar für die entsprechenden Anforderungen in der Unternehmenspraxis.

Nun ist es gerade umgekehrt: Je länger es im Leben aufgrund der demografischen Alterung zu arbeiten gilt, desto länger und intensiver dürfe und müsse sich auch der Ingenieur mit den wissenschaftlichen Grundlagen des Bau-, Umwelt-, Maschinenbau- bis Wirtschaftsingenieurwesens tiefer befassen dürfen. Das Gegenteil hat die Bologna-Version des Ingenieursstudiums vorgesehen: meist sechs Semester sehr verschulte Bachelor-Schnellbleiche (abgeleitet vom lateinischen "Baccalaureus", heißt so viel wie "junger Geselle"), bei Bedarf und wissenschaftlich höheren Ansprüchen ergänzt durch ein vier- oder mehrsemestriges Master-Studium. Dafür gibt es aber viel zu wenige Studienplätze.

Beim Göppinger Weltmarktführer für Pressen und Umformtechnik Schuler sieht man die Bachelorisierung des Ingenieurnachwuchses indes ähnlich gelassen wie bei Daimler und Bosch. "Der Ruf, den der Abschluss Diplom-Ingenieur vor allem im Ausland genoss, war bekanntermaßen hervorragend. "

"Doch die heutigen Hochschulabsolventen mit einem international vergleichbaren Bachelor oder Master of Engineering verfügen in der Regel über die nötige Grundlage, um eine Tätigkeit etwa in der Konstruktion auszuüben", sagt Matthias Jobmann, Leiter des Personalmanagements bei Schuler. "Weil unsere Produkte hochkomplex sind, müssen wir unsere neuen Beschäftigten sowieso intern weiterbilden - heute genauso wie früher." Einen Wermutstropfen findet auch Jobmann: Bachelor sei eben nicht gleich Bachelor. Je nach Hochschule schwanke die Regel-Ausbildungszeit für Bachelor-Ingenieure zwischen sechs und acht Semestern. "Die Absolventen bringen also zwangsläufig nicht dasselbe Rüstzeug mit, das macht die Personalauswahl schwieriger."

Ähnlich heißt es beim Esslinger Automatisierungsspezialisten und Weltmarktführer Festo: "Die Durchlässigkeit im Bildungsbereich ist sicherlich ein Positivum." Dennoch, erläutert eine Sprecherin, werde es noch eine Zeit dauern, bis bei Hochschulen wie Unternehmen uneingeschränkt akzeptiert ist, dass auch ein Hauptschulabsolvent mit Ausbildung ein Vollstudium angehen könne. Die Festo-Sprecherin sagt, mit Blick auf die internationale Anerkennung sei die Umstellung sinnvoll, allerdings habe "Deutschland dort eine weltbekannte 'Marke' insbesondere im Ingenieurbereich aufgegeben."

Ob Diplom-Ingenieur, ob Bachelor oder Master of Engineering - letztlich ist es wohl so, dass die einstellenden Unternehmen ohnehin nicht mehr sehr wählerisch sein können. In Zeiten des demografisch bedingten Nachwuchsmangels müssen sie durchaus Kompromisse in Kauf nehmen. Bei Festo sieht man das, wenn auch etwas verklausuliert formuliert, genauso: "Die Absolventen kommen früher ins Arbeitsleben - aber was fehlt, ist Lebenserfahrung." Denn ein junger Bachelor of Engineering, der mit 21 Jahren sein Studium beendet, könne nur bedingt als Vertriebsingenieur eingesetzt werden.

Zudem weiß man bei Festo, dass nicht nur Fachwissen für ein erfolgreiches Berufsleben relevant sei: "Die persönlichen Kompetenzen fließen wohl etwas zu wenig in die neue Bildungslandschaft ein." Aus demografischer Sicht sei es vorteilhaft, wenn qualifizierte Fachkräfte früher als bisher in das Erwerbsleben einsteigen würden, erklärt die Sprecherin des Konzerns: "Das wirkt dem Fachkräftemangel etwas entgegen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema