Neue Berufe:Futter für die Kamera

Die Food-Stylistin entwickelt neue Rezepte und arrangiert sie für den Fotografen.

Christine Demmer

Links ein Mandelkartöffelchen, rechts ein fein ziseliertes Seezungenfilet, am Assiettenrand drei, vier rote Linsen, daneben etwas dunkelgrün Gebüscheltes, am zart gebräunten Rand des Fisches ein kleiner See mattglänzender Sauce mit einer wie zufällig obenauf treibenden Garnele. Was sich so kunstvoll arrangiert dem Auge darbietet, ist kein Tellergericht, sondern eine Food-Komposition. Kristin Büsing mustert das Arrangement zufrieden. Es ist ihr eigenes Werk, das sie einen Abend lang geplant und zwei Stunden lang geputzt und tourniert und gebraten und gestylt hat.

Food-Stylistin Kristin Büsing

Weiß, wie Essen ausschauen muss, um anzusprechen: Food-Stylistin Kristin Büsing.

(Foto: Foto: oh)

Eine Viertelstunde später ist es aufgegessen. Denn diesmal war es ein Essen-Essen und kein Foto-Essen - das wäre zwischenzeitlich kalt geworden. Der Saucenspiegel hätte öfter mal mit Wasser übersprüht, das Gemüse mit einer Rouladennadel toupiert werden müssen, um wie frisch serviert zu wirken.

Wer gerne isst, will seine Mahlzeit mit allen Sinnen genießen. Immer mehr Menschen machen Kochen, Essen und Essengehen zu ihrem Hobby, da muss ständig Originelles her: neue Rezepte, neue Zutaten, neue Darreichungsformen, neues Dazu und Daneben, Vorher und Danach. Dafür sind Kristin Büsing und ihre Berufskollegen zuständig. Die 34-jährige Food-Stylistin ist Freiberuflerin und entwickelt Rezepte und Food-Arrangements, neudeutsch für lecker zubereitete und appetitlich anzusehende Nahrungsmittel.

Ihre Kunden sind Zeitschriften, Kochbuchverlage und PR-Agenturen, hin und wieder veranstaltet sie Kochkurse oder arbeitet als freie Food-Redakteurin. Seit fünf Jahren ist sie in diesem Beruf unterwegs. Das ist durchaus wörtlich zu nehmen, denn Büsing reist viele Wochen im Jahr in der Welt herum und studiert exotische Ingredienzien und Zubereitungsarten. "Reisen bringt mich auf Ideen. Ich entwickle meine Themen selbst, denn ich weiß, was die Redakteure haben wollen."

Die Food-Stylistin betrachtet ihre Gerichte zwar schon in der Konzeptionsphase immer auch durch die Kameralinse, aber sie ist keine Food-Fotografin. Die setzen nämlich meist fremd Gekochtes in Szene und achten nur aufs schöne Bild. Büsing aber muss schon bei der Entwicklung ihrer Rezepte auf viel mehr achten: dass jeder darin vorkommende Bestandteil auch auf dem Foto zu sehen ist (deshalb lieber bunter als weißer Pfeffer), dass es lecker aussieht (kein Geglibber, kein Gemansche) und dass es auf keinen Fall so wirkt, als müsse man dafür einen halben Tag lang in der Küche werkeln.

Ihr erstes selbst erdachtes Rezept sei eine Katastrophe gewesen, sagt sie, abschreckende drei Seiten lang. Es gibt aber noch mehr Vorgaben. So müsse das Rohmaterial zum Beispiel geschmacklich, farblich und von der Textur zusammenpassen. Außerdem solle das, was später fertig auf dem Teller liegt, natürlich gut schmecken, gesund sein, optisch etwas hermachen und kein Vermögen kosten. Food-Stylisten müssen also mit einer ganzen Menge Bällen jonglieren, und wehe, ihnen fällt einer runter: Man nehme einen unachtsam redigierenden Redakteur, fünf verdorbene Mägen unter den Lesern, einen schlitzohrigen Rechtsanwalt und fertig ist der Feuertopf.

Bevor Kristin Büsing Food-Stylistin wurde, war sie Projektmanagerin in einer Eventagentur und freiberufliche Marketingberaterin. Lange davor hat Ernährungswissenschaften studiert und Kurse bei bekannten Köchen, vor allem im Ausland, besucht. "Es gibt nicht viele Food-Stylisten in Deutschland, vielleicht hundert, die meisten davon kenne ich", sagt sie. "Und die Konkurrenz wächst." Der Grund: Viele Magazine, besonders Frauenzeitschriften, wollen neben Mode und Kosmetik mehr Koch-Themen im Blatt haben. Das kommt bei den Leserinnen gut an, also müssen ständig kreative Themen und neue Rezepte erdacht werden. Dazu braucht man Food-Redakteure, die wiederum brauchen Food-Stylisten und Food-Fotografen.

"Im Verhältnis zum Rest der kulinarisch interessierten Welt liegt Deutschland bei den Food-Themen zurück", sagt Kristin Büsing. "Hier dominiert noch immer das Niedrigpreis-Segment, während sich in den USA oder in Australien längst eine klare Mittel- und Oberklasse herausgebildet hat. Wenn das nach Deutschland übergreift, dann gibt es hier ein Berufsfeld mit vielen Chancen für begabte Schreiber und gute Köche." Bis dahin passt Kristin Büsing aber gut auf, dass ihr niemand die Butter vom Brot nimmt.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: