Netzwerke:Wie Frauen Karriere machen

Frauen in Führungspositionen? In vielen Unternehmen immer noch eine Seltenheit. Vor allem in Großkonzernen gilt die Regel: je höher die Hierarchieebene, desto geringer der Frauenanteil - Beispiele für den Wandel

Frauen in Führungspositionen? In vielen Unternehmen immer noch eine Seltenheit. Vor allem in Großkonzernen gilt die Regel: je höher die Hierarchieebene, desto geringer der Frauenanteil. Doch während sich früher höchstens die Frauen selber daran störten, finden sie heute Unterstützung in den Chefetagen. Mentoring-Programme und Frauen-Netzwerke stärken die Frauen-Power, Kindergärten und flexible Arbeitszeiten erleichtern den Wiedereinstieg nach einer Babypause.

Als Jamila Verhoye nach der Elternzeit zur Firma Henkel zurückkehrte, bekam sie nicht nur einen Teilzeitvertrag, sondern auch eine Führungsposition. Und das Wichtigste: einen Platz im Betriebskindergarten für ihre Tochter. Kein Zweifel, die Situation verändert sich. Viele Unternehmen wollen nicht mehr auf die Talente von Frauen verzichten, schon gar nicht, wenn sie selbst in deren Ausbildung investiert haben. "Wer als Managerin bei uns tätig ist, hat eine spezifische Ausbildung gemacht und ein ganz eigenes Know-how aufgebaut", erklärt Melanie Eisinger, Direktorin für Human Resources von McDonald's. "Wir haben deshalb ein großes Interesse daran, Leistungsträgerinnen im Unternehmen zu halten."

Eine Untersuchung des Bundesfamilienministeriums, die 2007 veröffentlicht wurde, zeigt, dass deutsche Unternehmen mit ihren Bemühungen erst am Anfang stehen. Zwar gibt es in der Altersgruppe unter 30 Jahren 43 Prozent weibliches Führungspersonal. Dieser Anteil reduziert sich bis zum 49. Lebensjahr um mehr als die Hälfte. Was geschieht in dieser Zeit? Frauen stoßen auf Hindernisse: Sie bekommen Kinder, finden statt kompatibler Betreuungsangebote traditionelle Rollenvorstellungen.

"Eines unserer erfolgreichsten Programme ist das Awareness-Training für Führungskräfte", berichtet Ursula Schwarzenbart von Daimler. Jeder denkt: Das weiß ich doch schon alles. "Aber hinterher sind 98 Prozent der Teilnehmerinnen völlig begeistert", und bereit, das Global Diversity Office bei den anderen Netzwerk- und Mentoring-Programmen des Hauses zu unterstützen. Solche Mentoring Programme sind in vielen Unternehmen ein erfolgreicher Weg in die Führungsetage.

Netzwerke wie WIPP bei Daimler "Women in Pole Position", "Women in Leadership" bei Henkel, "Women's network" bei McDonald's oder "Women's Meetings" bei PricewaterhouseCoopers sind ein zentraler Treffpunkt für Frauen, um Kontakte innerhalb des Unternehmens zu verbessern, Karrierestrategien zu entwickeln oder zu diskutieren, wie denn Familie und Beruf zusammenpassen können. Manche Netzwerke funktionieren auch nach außen. So arbeitet E.ON eng mit der TU Berlin zusammen, um Studentinnen für den Beruf der Ingenieurin zu begeistern. "Viele Studentinnen wissen ja gar nicht, was in der Praxis auf sie zukommt", sagt E.ON- Managerin Kirsten Fust.

"Stay in Contact" lautet die Devise bei PricewaterhouseCoopers (PwC), um qualifizierte Frauen auch während der Elternzeit an das Unternehmen zu binden. Dazu gehört, dass die Mütter regelmäßig über Neuerungen informiert werden, an Meetings teilnehmen und sich in speziellen Trainings fit für den Job halten können. Bei den Wirtschaftsexperten zählt ein weiteres Argument: "Seit wir auf Mandantenseite immer häufiger Frauen in den Führungsetagen antreffen, achten wir verstärkt darauf, dass unsere Teams gemischt zusammengesetzt sind", sagt Angela Dern, Leiterin der Initiative "Women at PwC". Ähnlich argumentiert Henkel-Chef Kasper Rorsted: "Wenn viele Frauen unsere Kunden sind, warum spiegeln wir das nicht in unserer Führungsmannschaft wieder?" Auch aus solchen Gründen wird versucht, Frauen über die Babypause hinwegzuhelfen. Manche Unternehmen bieten Kindergartenplätze an, organisieren Hilfen für familiäre Probleme und selbst Teilzeitverträge sind kein Tabu mehr. Das Wichtigste aber ist das Verständnis, sagt Kirsten Fust. "Wenn ich mal nachmittags zu einer Schulaufführung gehen will, ist es schön zu wissen, dass ich die volle Unterstützung meiner Kollegen habe."

So sehen erfolgreiche Frauen aus

Veronika Bauer wird Restaurant-Managerin bei McDonald's. Ihre Kollegen kennt sie schon seit sechs Jahren. Bald wird die 22jährige Veronika Bauer die Chefin der 70 Mitarbeiter des McDonald's Restaurants von Buchholz bei Hannover sein. Eine der jüngsten Restaurant-Managerinnen des Unternehmens. "Die Wahnsinnschance" sagt sie. Im Moment absolviert sie noch das Training: fünf mehrtägige Kurse in Service Centern von McDonald's, wo sie alles über Produktqualität und Geräte, Gesetze und Personalführung erfährt. Angefangen hat sie als Schülerin mit 400 Euro im Monat. Nach dem Realschulabschluss und der höheren Handelsschule absolvierte sie zunächst eine Ausbildung zur Fachfrau für Systemgastronomie, mit der sie theoretisch auch in anderen Restaurant-Ketten arbeiten könnte. Aber solche Pläne liegen ihr im Moment fern. "Ich arbeite super gern hier", erzählt sie. "Jeder Tag ist anders." Manchmal organisiert sie mit ihrem Team Gastveranstaltungen, manchmal platzt eine ganze Busladung Gäste ins Restaurant, so dass jeder plötzlich alle Hände voll zu tun hat. "Der Job wird nie langweilig."

Dr. Roya Ulrich, Teamleiterin bei Daimler. Autobauen ist Männersache? Wenn beim neuen Mercedes-Modell die Bauteile exakt richtig am Fließband landen, ist das vor allem ihre Sache: Roya Ulrich, 44 Jahre alt und promovierte Informatikerin. Sie sorgt für die optimale digitale Logistikplanung. "Solche Prozesse immer effektiver zu gestalten und andere zu motivieren daran mitzuarbeiten, das macht mir Spaß", sagt sie. Mit 18 Jahren kam sie aus dem Iran nach Deutschland und begann nach ihrem Studium im Jahre 2004 ihre Karriere in der IT-Abteilung von Daimler. Sie war verantwortlich für die Standardisierung der Funktechnologie und leitete ein Programm zur Trennung des IT-Systems von Chrysler. Bevor Roya Ulrich vor einem halben Jahr in den Bereich "Digitale Fabrik" wechselte, war sie ein Jahr lang Mentee bei einem Bereichsleiter in der Logistik. Das war spannend und hilfreich. Auch deshalb, weil Roya Ulrich die Chance nutzte. "Die Firma gibt einem den Schlüssel in die Hand, die Tür öffnen muss man dann selbst."

Kirsten Fust, Geschäftsbereichsleiterin bei E.ON. "Ach, SIE sind das", wundert sich schon mal ein neuer Kollege, der nicht wusste, dass der Boss eine Frau ist. Kirsten Fust, 44, betreut alle operativen Dienstleistungen von E.ON Hanse zwischen der dänischen und polnischen Grenze, insgesamt 800 Mitarbeiter. "Ich versuche jeden Tag einmal rauszufahren", sagt sie. Schon als Kind baute sie kleine Schaltungen. Später wurde sie Elektroinstallateurin und studierte Nachrichtentechnik. Zu E.ON kam Kirsten Fust 1993, übernahm nach einigen anderen Stationen den gesamten technischen Service. Ein Mentor im Vorstand bereitete sie auf die neuen Herausforderungen vor. "Personalführung lernt man ja sonst nirgends", sagt sie. Mit einer Kollegin gründete sie das Netzwerk Ingeneurinnen bei E.ON (IngE), dem inzwischen 80 Frauen angehören. Dass ihr als Managerin zugleich Verständnis entgegen gebracht wird, wenn sie ihre kleine Tochter betreuen muss, schätzt Kirsten Fust besonders. "In einer Führungsposition braucht man die Unterstützung der Familie und des Arbeitgebers."

Jamila Verhoye, Group Brand Managerin bei Henkel. Sie leitet ein Team von fünf Personen, kümmert sich im Bereich "Body and Oral Care" um den erfolgreichen Absatz von Fa-Produkten und Theramed-Zahncreme. Sie kam 2001 zu Henkel, erst ins nationale Marketing für Haarpflege-Produkte, dann in ein ganz besonderes Karriere-Programm: Triple 2. Was bedeutet: zwei Erfahrungen in zwei Ländern, in zwei Positionen. Die 40jährige Wirtschaftswissenschaftlerin ging damals nach Italien und fand dort einen völlig anderen Markt vor. "Die Zeit hat mir viele neue Blickwinkel eröffnet", sagt sie. Jetzt kann sie ihre Erfahrungen als International Marketing Manager Oral Care umsetzen. Auch mit Kind. Denn dank Kindergarten und der familienfreundlichen Politik des Hauses war nicht nur der Wiedereinstieg problemlos. Jamila Verhoye bekam trotz des Teilzeitvertrages ihre neue Position als Group Brand Managerin übertragen und kann ihre Arbeitszeiten flexibel mit ihrem Homeoffice verbinden.

Petra Justenhoven, Partnerin bei PwC. Wie macht man Karriere mit Familie? "Immer am Ball bleiben", rät die 42jährige Wirtschaftsexpertin. Vor 16 Jahren startete sie nach einer Steuerausbildung und einem BWL-Studium bei der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft Pricewaterhouse-Coopers. Heute ist Petra Justenhoven eine von noch nur acht Prozent weiblichen Partnern im Unternehmen und Mutter von zwei Kindern. Sie leitet Teams, die die Jahres- und Konzernabschlüsse national und global agierender Unternehmen prüfen, reist zu Kunden und engagiert sich in der Initiative "Women at PwC", die auch zum Ziel hat, den Frauenanteil auf der Führungsebene zu erhöhen. Bei PwC qualifizierte sie sich zunächst zur Steuerberaterin. Als ihr Sohn geboren wurde, nutzte sie die Auszeit und machte zudem das Examen zur Wirtschaftsprüferin. "Eigentlich war ich nie richtig weg", sagt sie heute. "PwC ermöglichte mir in den unterschiedlichen Phasen meines Lebens, projektbezogen und flexibel weiter zu arbeiten", so dass der Kontakt zum Unternehmen immer erhalten blieb. "Man muss sich selbst fragen: Wie kann ich meine persönliche Situation mit meiner beruflichen Aufgabe vereinbaren? Und dem Unternehmen seine Vorschläge und Ideen präsentieren."

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