Nazis an Hochschulen:Stramm rechts im Hörsaal

Schlägereien auf dem Campus, Holocaust-Leugner und rechte Parolen auf den Fluren: Nazi-Studenten sorgen an Unis für Skandale - doch die Hochschulen werden sie nicht los.

Jacky Guttmann

Im Sommersemester 2006 tauchten an der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz volksverhetzende und den Holocaust leugnende Plakate auf. Die Verwunderung in der sonst politisch eher linksorientierten Studentenschaft war groß. Doch schnell verbreitete sich die Nachricht, dass der stellvertretende Vorsitzende der NPD in Hessen, Mario Matthes, kurz zuvor in Mainz sein Studium begonnen hatte. Die Hochschüler waren überzeugt, dass er für die Propaganda verantwortlich sein musste. Mangels Zeugen konnte ihm das allerdings nicht nachgewiesen werden.

Nazis an Hochschulen: Neonazis an der Uni: Die Hochschulen werden Rechte in ihren Reihen nicht los.

Neonazis an der Uni: Die Hochschulen werden Rechte in ihren Reihen nicht los.

(Foto: Foto: ap)

Im November 2006 der nächste Vorfall: Matthes soll gemeinsam mit rechten Freunden einen Vortrag des Literaturwissenschaftlers und Historikers Hannes Heer gestört haben. Zehn bis 15 Neonazis grölten auf den Fluren lauthals Nazi-Parolen und rüttelten an den verschlossenen Hörsaaltüren. Im Januar 2008 schließlich schlug Matthes einen linken Studenten zusammen und wurde zu elf Monaten Haft verurteilt, ausgesetzt zu drei Jahren auf Bewährung.

Rechtsradikale in Studentenräten

Mainz ist längst nicht die einzige Uni, die mit Neonazis zu kämpfen hat. In Trier, Gießen und Köln wurden sogar Rechtsradikale in Studentenräte gewählt. In Rottenburg am Neckar hat man ebenfalls Probleme. Als die Polizei in Mecklenburg-Vorpommern jüngst ein Jugendzeltlager der Heimattreuen Deutschen Jugend (HDJ) wegen der Verletzung des Jugendschutzgesetzes, der Verwendung volksverhetzender Symbole und nationalsozialistischer Ideologisierung auflöste, stellte sich heraus: Das Lager wurde von einem 24-jährigen Studenten der baden-württembergischen Forsthochschule geleitet.

Seitdem versucht die Uni, den Studenten zu exmatrikulieren, bislang jedoch ohne Erfolg. Auch in Mainz und andernorts bemüht man sich, die rechten Hochschüler loszuwerden, doch das Unterfangen ist offenbar komplizierter als gedacht.

Keine Gründe für einen Verweis

Im Mainz und Rottenburg wurde zwar intensiv über den Rauswurf der beiden Nazis diskutiert, aber die geltenden Hochschulgesetze binden den Universitätsleitungen nach eigener Aussage die Hände. Um eine Exmatrikulation zu rechtfertigen, müssten in Rheinland-Pfalz der Frieden des Hochschulbetriebes gestört oder die Rechte und Pflichten eines Hochschulmitgliedes verletzt sein. In Rottenburg müsste der HDJ-Leiter gemäß dem baden-württembergischen Hochschulgesetz "wegen einer vorsätzlich begangenen Straftat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr rechtskräftig verurteilt" werden. Diese Bedingungen sind in beiden Fällen nicht erfüllt.

Bisher wurde offiziell noch nicht einmal bestätigt, dass Mario Matthes an der Störung des Heer-Vortrages 2007 tatsächlich beteiligt war. "Wenn dem so wäre, dann wäre unser Handlungsspielraum ein ganz anderer", sagt der Vize-Präsident der Universität Mainz, Professor Jürgen Oldenstein, im Gespräch mit sueddeutsche.de. Er stehe aber in engem Kontakt mit dem Polizeipräsidenten, um diesbezüglich weiter informiert zu werden.

Auf der nächsten Seite: Wie die Unis den Rechten mit Hausverboten beikommen könnten - und warum sie es nicht tun.

Stramm rechts im Hörsaal

Kein Triumph für die Rechten

Der Mainzer Allgemeine Studierendenausschuss (AStA) wirft seiner Universitätsleitung vor, aus Angst vor einem Rechtsstreit mit dem NPD-Aktivisten Matthes nicht energisch genug durchzugreifen. Oldenstein widerspricht vehement: "Jeder Schritt in solchen Fällen will wohl überlegt sein, denn wir wollen keine vorschnellen Entscheidungen mit fadenscheinigen rechtlichen Begründungen, die von den Nazis leicht angefochten werden können."

Diesen Triumph wolle man den Rechten nicht geben. "Bisher haben wir eine offizielle Verwarnung ausgesprochen und prüfen weitere Möglichkeiten. Aber das Hochschulgesetz ist in solchen Fällen lückenhaft, wir haben keine Handhabe."

Hausverbot statt Exmatrikulation

Eine Lücke sieht Professor Moris Lehner vom Lehrstuhl für Öffentliches Recht der Ludwig-Maximilians-Universität in München im Hochschulgesetz jedoch nicht. Schließlich seien die Möglichkeiten einer Exmatrikulation auch deshalb so beschränkt, um Studenten vor willkürlichen Ausschlüssen zu schützen, erklärt Lehner. "Die Meinungsfreiheit ist eines der höchsten Güter unserer Demokratie. Dem müssen sich auch die Hochschulgesetze beugen." Deshalb gebe es für Zwangsexmatrikulationen nur wenige Ausnahmefälle.

Dennoch müssen die Universitäten dem rechtsradikalen Treiben nicht tatenlos zusehen: Wie jeder Privateigentümer besitzen sie Hausrecht. Sie können jederzeit Hausverbote aussprechen. Ein solches kann wie eine kurz- oder auch langfristige Exmatrikulation wirken, ohne dass diese tatsächlich ausgesprochen wurde.

Eine Hochschule hat den Kampf bereits aufgegeben: Die Forsthochschule Rottenburg hat ihre Exmatrikulationsbemühungen gegen den HDJ- Leiter eingestellt. Zu einer bis dahin zumindest vorübergehenden Suspendierung wegen Verstoßes gegen das Hausrecht sieht sich die Hochschule außerstande. Zu weiteren Stellungnahmen ist die Uni nicht bereit.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: