Musical-Studium:Elisabeth, Maria oder Kate

Jedes Jahr können sich sechs Studenten dem Fach Musical an der Folkwang-Hochschule in Essen widmen.

Dirke Köpp

(SZ vom 24.9.2002) Wie werde ich jemand anders? lautet eine zentrale Frage des Studiengangs "Musical" an der Folkwang-Hochschule in Essen. Wie wird aus Lieschen Müller die Kaiserin Elisabeth oder Westside-Story-Maria? Und wie sehe ich locker aus, obwohl meine Darstellung harte Arbeit ist? Fragen rund ums Musical widmen sich Dozenten und Studierende in dem Studiengang, der seit 1989 Tanz, Musik und Schauspiel als Hauptfächer vereint.

Musical-Studium: Die Absolventen des Musical-Studiums haben gute Berufschancen auf dem Arbeitsmarkt: "Alle unsere Leute arbeiten", sagt Patricia Martin von der Folkwang-Hochschule.

Die Absolventen des Musical-Studiums haben gute Berufschancen auf dem Arbeitsmarkt: "Alle unsere Leute arbeiten", sagt Patricia Martin von der Folkwang-Hochschule.

180 Bewerber wetteifern jedes Jahr um die sechs Studienplätze. Manche haben noch nie getanzt oder gesungen, andere trainieren seit ihrer Kindheit dafür, einmal als Buddy oder König Ludwig auf der Bühne zu stehen. Der 22-jährige Christian Stadlhofer war 13 Jahre alt, als er zum ersten Mal das Musical "Elisabeth" sah. Er war so fasziniert, dass er schon als Schüler bei verschiedenen Projekten mitwirkte. Inzwischen ist er im fünften Semester.

"Viele unserer Studenten spüren das Bedürfnis, auf die Bühne zu gehen und kommen deshalb zur Eignungsprüfung", sagt Patricia Martin, musikalische Leiterin des Studiengangs. "Sie müssen da noch nicht alles können, es muss nur sichtbar sein, dass sie das Potential haben, sich zu entwickeln.

Hartes Studium

Wer das Glück hat, ausgewählt zu werden, muss sich auf harte Arbeit gefasst machen. Im zweijährigen Grundstudium kommen zu Einzelgesangsstunden und Tanzunterricht eine schauspielerische Grundausbildung und die Erarbeitung eines Rollenrepertoires.

Nebenbei bekommen die Studenten Sprechunterricht, müssen sich durch Musiktheorie quälen und Theatergeschichte lernen. "Die Musiktheorie ist allerdings eine andere als die für Kompositionslehre", sagt Martin, "wir machen viel Praktisches. Es wird etwa ein halbes Lied vorgesungen, dann muss der Studierende den Rest improvisieren. Oder er muss lernen, seine Stimme selbst zu beschreiben." Dazu kommt viel Technik: Wie atme ich richtig? Wie passe ich meine Bewegungen dem Rhythmus an?

Die zukünftigen Diplom-Bühnendarsteller sollten am Ende ihres Studiums möglichst alles können, sagt Martin. "Sie sollen vor allem wissen, wie sie drangehen, wenn sie eine neue Rolle lernen müssen." Noch praktischer als die ersten vier Semester ist das Hauptstudium. Neben den internen Projekten gehen die Studenten nun auch an die Öffentlichkeit. "Wir wollen sie vorbereiten auf das Leben da draußen", sagt Patricia Martin.

"Am wichtigsten ist es, Bühnenpersönlichkeiten auszubilden", meint Michael Mills, Professor für die musikalische Einstudierung. Er sieht es als besonderen Luxus, mit nur sechs Studenten pro Jahrgang zu arbeiten und daher auf jeden einzelnen eingehen zu können. In seinem Heimatland, den USA, müssten die Musical-Schulen privat finanziert werden.

Auch Dominique Siassia, Studentin im fünften Semester, sieht die Ausbildung als Luxus. "Es liegt hauptsächlich an einem selbst, was man aus sich macht." Ein bisschen schade findet sie allerdings, dass der Studienplan so voll ist: "Wir arbeiten so viel an uns selbst, an unserer eigenen Persönlichkeit. Da braucht man auch mal eine kreative Pause." Die 23-Jährige arbeitet eben dem Studium als Gast am Düsseldorfer Schauspielhaus. Der leitende Regisseur des Stückes "39,90" hatte sie zufällig entdeckt und ihr nach einem Vorsprechen die weibliche Hauptrolle angeboten.

Nicht nur für Junge

Die Absolventen haben im Allgemeinen gute Chancen. Patricia Martin bezeichnet sie sogar als "exzellent." "Alle unsere Leute arbeiten. Sie waren an Joseph, Ludwig, Falco, Les Misérables oder Hair beteiligt." Auch gilt nicht, dass das Musical aufgrund der hohen körperlichen Anforderungen ein Genre nur für junge Darsteller ist. "Es gibt Produktionen wie My Fair Lady oder Kiss me Kate," sagt Mills, "in denen Rollen für Ältere vorgesehen sind. Die müssen dann nicht 50 Pirouetten drehen."

Da der Studiengang noch jung ist, besteht ohnehin die Möglichkeit, dass sich die Stücke mit dem Alter der Absolventen ändern. So könnte in Zukunft aus Lieschen Müller nicht mehr die junge Kaiserin Elisabeth, sondern eine alternde Katharina die Große werden.

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