Mütter im Beruf:Ach Schatz, es lohnt sich doch gar nicht, dass du arbeiten gehst

Lesezeit: 3 Min.

Ausgebremst: Die Politik verhindert, dass Mütter im Beruf vorankommen. (Foto: dpa)

Mütter in Deutschland arbeiten häufig nur ein paar Stunden die Woche oder sind für ihren Job überqualifiziert. Viele würden gern mehr machen. Die Politik könnte helfen, tut es aber nicht.

Kommentar von Alexander Hagelüken

Nie mehr wurden in Deutschland so viele Kinder geboren wie 1964. Das ist ein halbes Jahrhundert her. Was erahnen lässt, welche Rentenlöcher in der alternden Bundesrepublik aufreißen. Das Land könnte mehr Kinder gebrauchen. Und die Wirtschaft artikuliert seit Langem, ihr fehlten geeignete Bewerber. Rentenlöcher und Fachkräftelöcher - schon diese Kombination zeigt, was Deutschland verschenkt, in dem es Frauen weniger als vergleichbare Staaten ermöglicht, beides zu haben: Kinder und eine Arbeit, in der sie ihre Qualifikation voll nutzen.

Kaum irgendwo sonst in Europa sind so viele Mütter in kurzer Teilzeit tätig, unter 20 Stunden die Woche. Häufig landen sie in einem B-Job, der unter ihren beruflichen Fähigkeiten rangiert. Wenn sie das völlig frei so wählen, lässt sich daran nichts aussetzen. Oft aber wollen sie länger und anspruchsvoller arbeiten. Es scheitert am Umfeld: am unflexiblen Abteilungsleiter, an kurzen Hortstunden, an politischen Fehlanreizen, am egoistischen Partner.

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Einen Tag im Jahr werden Mütter geehrt und gefeiert. Im Job werden sie allerdings das ganze Jahr über benachteiligt, zeigt eine Studie.

Von Alexander Hagelüken

So wird das Ausbremsen der Mütter, von den volkswirtschaftlichen Verlusten abgesehen, zur Ungerechtigkeit. Eine neue Untersuchung deckt auf, dass Arbeitnehmerinnen nach etwas längerer Elternzeit pro Stunde ein Gehaltsminus von zehn Prozent erleben. Gleitende Arbeitszeiten, die den Job mit dem Nachwuchs vereinbaren helfen, kosten noch mehr Lohn. Oft stockt die berufliche Fortentwicklung.

Der Mann arbeitet, die Frau muss oder soll nicht: Dieses Rollenbild ist weiterhin verbreitet

Die Mechanismen, wie es dazu kommt, sind vielfältig. Wer als Arbeitnehmerin schwanger wird, hat bei manchen Firmen immer noch einen Stempel weg: Die kann sich jetzt im Beruf nicht mehr reinhängen. Die will das doch auch gar nicht mehr. Typisch der Vorgesetzte, der die Mitarbeiterin am Nachmittag fragt, was sie angesichts ihrer Kinder um Gottes willen noch im Büro verloren habe - eine Frage, die er Vätern in seiner Abteilung nie stellt.

Der Mann arbeitet, die Frau muss oder soll nicht: Dieses Rollenbild ist weiterhin verbreitet, obwohl es den Wünschen vieler Arbeitnehmerinnen zuwiderläuft. Nötig wäre ein Mentalitätswandel in den Unternehmen. Die berauben sich durch mangelnde Wertschätzung von Müttern der Fachkräfte, die sie sonst lauthals fordern. Es wäre aber unfair, die Hindernisse allein den Unternehmen anzulasten. Mehr und mehr Betriebe kümmern sich engagiert darum, dass ihre Mitarbeiter Beruf und Familie vereinbaren können. Dazu zählen Großkonzerne genauso wie kleine Firmen. Es sind nicht nur Arbeitgeber, die es Müttern manchmal schwer machen.

Zu viele Väter überlassen Hausarbeit und Nachwuchs wie selbstverständlich der Partnerin, um sich auf die eigene Karriere zu konzentrieren. Und das Angebot an Kinderbetreuung ist nach wie vor schlechter als in Frankreich, Schweden oder Belgien. Dort galten Berufschancen unabhängig vom Geschlecht schon als selbstverständlich, als bei uns noch Begriffe wie "Emanze" und "Rabenmutter" die Debatte dominierten.

Um betonierte Muster aufzubrechen, müsste die deutsche Politik eine andere Rolle spielen als heute - und sich klar für Gleichberechtigung im Berufsleben einsetzen. Die gute Idee der Elternzeit steckt auf halbem Weg fest, weil Väter sich oft nur kurz engagieren, und die langen Auszeiten der Mütter das alte Rollenbild zementieren. Würde es länger - oder überhaupt nur dann - Elterngeld geben, wenn der Vater länger beim Kind bleibt, würden die Muster gelockert.

Das wäre auch dann der Fall, wenn Eltern einen Lohnzuschuss erhielten, falls sie gemeinsam ihre Arbeitszeit reduzieren, solange der Nachwuchs klein ist. Familienzeit heißt dieses Modell. Doch genau damit scheitern die Sozialdemokraten in der Regierung am Widerstand der Union. Nicht die erste Niederlage. Das von der SPD durchgesetzte Rückkehrrecht aus Teilzeit hat die Union so abgeschwächt, dass knapp die Hälfte der Arbeitnehmerinnen davon nichts haben dürfte. Und die steuerliche Bevorzugung der Alleinverdienerehe ist der Union heilig, obwohl unter dem Etikett der Familienförderung selbst Kinderlose profitieren.

So hält das 1958 erdachte Ehegattensplitting Frauen vom Beruf ab, weil es die Zweitverdienerin wie eine Strafsteuer trifft. Fast kein Industriestaat nimmt Müttern durch Abgaben so viel vom Lohn weg wie die Bundesrepublik. Ach Schatz, argumentiert der Karrieremann, es lohnt sich doch gar nicht, dass Du arbeiten gehst.

Solange bei der größeren Regierungspartei solche Geisteshaltungen dominieren, werden Mütter diskriminiert. Die CDU mag seit 19 Jahren weibliche Parteichefinnen haben. Familienpolitisch verharrt sie im Mehltau der Ära Helmut Kohl.

© SZ vom 10.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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