Müllmann vor Gericht:Kündigung unwirksam

Im Dezember 2008 wollte der Müllman Mehmet G. ein ausrangiertes Kinderbett aus einem Container seines Arbeitgebers mit nach Hause nehmen - und war seinen Job los. Ein Arbeitsgericht entschied nun für ihn.

Wem gehört eigentlich Müll? Und darf man ihn einfach so mitnehmen - oder ist das Diebstahl, eine Straftat? Um diese eigentlich banale Frage wurde vor dem Arbeitsgericht Mannheim erbittert gestritten. So erbittert, dass die Parteien im Vorfeld einen Vergleich ausschlossen und notfalls durch alle Instanzen gehen wollten.

Müllmann vor Gericht: Mehmet G. vor dem Arbeitsgericht: Nach neun Jahren Beschäftigung erhielt er von seiner Firma die fristlose Kündigung.

Mehmet G. vor dem Arbeitsgericht: Nach neun Jahren Beschäftigung erhielt er von seiner Firma die fristlose Kündigung.

(Foto: Foto: dpa)

Am Mittag kam nun die Entscheidung der Richter: Es erklärte die Kündigung des Müllmanns Mehmet G. für unwirksam.

Dieser hatte im Dezember 2008 ein ausrangiertes Kinderbett aus einem Container seines damaligen Arbeitgebers, der Mannheimer Gesellschaft für Abfallbeseitigung und Städtereinigung, geholt und in sein Auto gepackt - es war noch in gutem Zustand, er wollte es für sein eigenes Kind mit nach Hause nehmen.

Noch auf dem Werksgelände wurde er jedoch von einem Mitarbeiter aufgehalten und bei seinem Vorgesetzten gemeldet. Dass er das Bett sofort wieder auslud, half ihm nichts mehr: Die fristlose Kündigung folgte noch am selben Tag.

Das Arbeitsgericht Mannheim kam nun zu einer anderen Einschätzung dieses Vorgangs als der Arbeitgeber von Mehmet G. Das Verhalten sei zwar Diebstahl gewesen, die Entlassung aber dennoch übertrieben, befand das Arbeitsgericht. Das Kinderreisebett sei für den Arbeitgeber vollkommen wertlos gewesen.

Hätte der Arbeiter gefragt, hätte er es nach der betrieblichen Praxis des Unternehmens wohl ohnehin bekommen. Bei der Abwägung der Interessen seien auch die achteinhalbjährige Betriebszugehörigkeit sowie die Unterhaltspflicht des Familienvaters gegenüber zwei Kindern und seiner Ehefrau zu berücksichtigen. Nach dem Urteil muss der 29-Jährige weiter bei der Entsorgungsfirma beschäftigt werden.

In der Vergangenheit wurden immer wieder Arbeitnehmer wegen vermuteter oder tatsächlicher Bagatelldiebstähle entlassen. Leitfall ist das so genannte Bienenstich-Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) aus dem Jahr 1984. Damals hielt das oberste Arbeitsgericht die Kündigung einer Verkäuferin für zulässig, die ein Stück Bienenstich aus der Auslage genommen und unbezahlt gegessen haben soll.

Nach der Rechtsprechung des BAG kommt es in solchen Fällen weniger auf den materiellen Schaden an, sondern vor allem darauf, ob das Vertrauensverhältnis so stark belastet wurde, dass dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zumutbar ist.

Zwei Tage vor dem Mannheimer Urteil hatte das BAG in Erfurt die Revision der bundesweit als "Emmely" bekanntgewordenen Berliner Kassiererin Barbara E. zugelassen. Die Supermarktkette Kaiser's-Tengelmann hatte sie entlassen, da sie zwei Pfandbons im Wert von insgesamt 1,30 Euro gestohlen haben soll.

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