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MTV-Werkstatt "West Coast Customs":Tuning-Träume werden wahr

In der MTV-Erfolgsserie "Pimp My Ride" verwandelten tätowierte Tuner Schrottlauben in Neid-Objekte, inklusive integrierter Fernseher und Minibars. Schrauber - der coolste Job in der Autobranche? Ein Besuch bei West Coast Customs, der Geburtsstätte des Aufmotz-Hypes.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Big Dane ist eine Ein-Mann-Naturgewalt, zwei Meter groß und nicht viel weniger breit. Wenn so einer eine Drohung ausspricht, dann erschreckt jeder, der einen gesunden Selbsterhaltungstrieb hat. "Keine Fotos hier", sagt er mit einer Stimme, mit der er in einem Fußballstadion die Aufstellung präsentieren könnte - ohne Mikrofon und Lautsprecher. Er sagt: "Wer ein Bild von dem veröffentlicht, was wir in dieser Ecke machen, den werfe ich höchstpersönlich ins Haifischbecken." Diese Aussage gewinnt dadurch an Dramatik, dass er einem ein paar Minuten zuvor im Besprechungszimmer tatsächlich ein überdimensioniertes Aquarium gezeigt hat, in dem drei Katzenhaie schwimmen.

Dann jedoch grinst er und sagt: "Sie können ja raten, woran wir da gerade arbeiten." Wir, das sind die Mitarbeiter von "West Coast Customs", jener verrückten Werkstatt, die durch die MTV-Serie Pimp My Ride weltbekannt wurde. Die meist tätowierten Tuner verwandelten Schrottkarren in wunderbare Fahrzeuge und verbauten darin nicht nur Fernseher und Minibars, sondern auch schon mal einen Whirlpool, einen Kamin oder ein Badminton-Netz. Schrauber bei West Coast Customs, das suggeriert zumindest die Fernsehserie, ist der beste Job, den man in der Automobilbranche haben kann.

Das Unternehmen ist im kalifornischen Corona angesiedelt, etwa 80 Kilometer südöstlich von Los Angeles. Auf dem Parkplatz stehen Fahrzeuge herum, die kürzlich für Prominente angefertigt oder repariert wurden: der Audi R8 im Leoparden-Look von Popstar Justin Bieber, der 1991er Subaru des Footballspielers Brendan Pettigrew und natürlich der "delor-i-am". Der Rapper Will.i.am ließ einen DeLorean DMC-12 - bekannt aus dem Film Zurück in die Zukunft - zu einem weißen Sportflitzer mit iPad umbauen.

Ein roter Lamborghini, übel zugerichtet

Hinten im Hof steht außerdem ein roter Lamborghini, der übel zugerichtet wurde. Die Rückseite sieht so aus, als hätte jemand das Fahrzeug als Zielschiebe für Schießübungen benutzt. Die Schweinwerfer sind zertrümmert, der Lack zerkratzt. Und in die Motorhaube hat jemand das Wort "asshole" eingeritzt. "Wer so ein Auto besitzt, der sollte besser nett zu seiner Freundin sein", sagt Big Dane. Den Namen des Besitzers will er aber ebenso wenig verraten wie seinen eigenen. "Ich bin Big Dane", sagt er mit einer Stimme, die keine Nachfrage zulässt.

Offiziell ist Big Dane bei "West Coast Customs" als FOO angestellt. Die Abkürzung steht für: "Friend of Owner". Big Dane ist ein offenkundig sehr guter Freund des Besitzers Ryan Friedlinghaus, der das Unternehmen im Jahr 1993 gegründet hat. Zunächst als Ein-Mann-Werkstatt in der noblen Gegend Orange County, Friedlinghaus hatte sich von seinem Großvater 5000 US-Dollar geborgt und begann mit einer Werkzeugkiste auf 110 Quadratmetern, an Fahrwerken zu basteln.

Es war Big Dane, der Friedlinghaus zu einem Umzug nach Compton überredete. Das war zwar eine der gefährlichsten Gegenden von Los Angeles, doch waren die Menschen dort eher bereit, Geld für extravagante Fahrzeuge auszugeben. Das Unternehmen expandierte, durch den Umbau eines Fahrzeugs des Basketballspielers Shaquille O'Neal wurden Promis auf "West Coast Customs" aufmerksam und wollten ebenfalls Sonderanfertigungen haben.

Dann kam MTV. "Die Produzenten haben uns das Projekt vorgestellt, wir haben uns nur gedacht: Was für eine bescheuerte Idee! Wir wollten damit nichts zu tun haben", erzählt Big Dane: "Es wäre beinahe die zweitdümmste geschäftliche Entscheidung gewesen, die wir jemals getroffen haben." Die dümmste? "Jemand hat uns vorgeschlagen, wie toll es wäre, wenn sich Felgen auch dann noch drehen, wenn das Auto steht. Wir haben den Typen weggeschickt - ein paar Monate später waren die Dinger an jedem coolen Auto zu sehen. Dadurch haben wir gelernt, jede Idee erst einmal auszuprobieren, auch wenn sie noch so absurd klingt."

Also machten sie mit bei Pimp My Ride, die Serie mit dem Rapper Xzibit als Moderator (Big Dane: "Der hing sowieso dauernd bei uns rum") wurde zwischen 2004 und 2007 auf MTV ausgestrahlt. Es war das weltweit erfolgreichste Format des Senders zu dieser Zeit. "Plötzlich haben alle gesagt, dass ich eine Berühmtheit bin", sagt Big Dane: "Ich habe dann mal im Lexikon nachgesehen, was der Begriff bedeutet: Es heißt nur, dass einen viele Menschen kennen. Auch Massenmörder sind bekannt. Ich bin also eine Berühmtheit wie Jeffrey Dahmer."

Es ist dieser trockene Humor, der aus der Naturgewalt Big Dane den lieben Kerl Big Dane werden lässt. Er ist eben nicht nur der Freund des Eigentümers, er ist bei "West Coast Customs" eine Mischung aus gutem Geist und Mädchen für alles. Er schleppt Klappstühle, er berät zwei Mechaniker, die nicht so genau wissen, was sie mit einem hellgrünen VW Bully anstellen sollen. Er spricht mit einem 3-D-Grafiker, der für die Kunden Modelle am Computer erstellt, ehe die sich entscheiden, was sie mit ihrem Auto anstellen wollen. Danach geht es in die Abteilung, in der die Sitzbezüge zugeschnitten werden. Per Hand.

Jedes Auto soll eine Sonderanfertigung sein, ein Unikat - Modelle und Pläne werden sofort nach der Fertigstellung zerstört. Einen Lamborghini kann sich schließlich jeder kaufen, der genug Geld hat - eine individuell aufgemotzte Kiste ist dann doch etwas Besonderes. "Es macht finanziell bisweilen überhaupt keinen Sinn", sagt Big Dane und deutet auf einen Jeep: "Der Besitzer fährt dieses Auto seit 24 Jahren, es war das erste Fahrzeug, das er sich jemals gekauft hat. Natürlich könnte er sich einen neuen Jeep leisten, aber er will genau dieses Modell restauriert haben, auch wenn es 52 000 Dollar kostet."

Boxengasse und Bässe

Laut ist es in dieser riesigen Halle, weil die mehr als 30 Mitarbeiter permanent schrauben, hämmern und bohren. Es geht zu und klingt so wie in der Boxengasse bei einem Formel-1-Rennen, nur dass die Geräusche vom dumpfen Bass der Rapsongs untermalt werden, die aus den Lautsprechern dröhnen. "Wir arbeiten hier sechs Tage die Woche, manchmal 16 Stunden am Tag - ich bin mir also nicht sicher, ob das der beste Job in der Autobranche ist", sagt Big Dane: "Ich bin eigentlich kein Auto-Typ! Ich habe derart viel mit Fahrzeugen zu tun, dass ich es mittlerweile nicht mehr leiden kann, darüber zu reden."

Über das Tesla-Modell von will.i.am, das gerade auf einer Hebebühne liegt, redet er dann aber doch ganz gerne. Der Musiker hatte sich größere Reifen für das Fahrzeug in den Kopf gesetzt - nur sei das zunächst nicht möglich gewesen. "Wir haben das komplette Auto umgebaut und es möglich gemacht", sagt Big Dane. Er will nicht verraten, wie viel will.i.am für die Verwirklichung seines Gummitraums ausgibt, er sagt nur: "Wahnsinnig viel Geld - allein die Herstellung des Modells hat 200 000 Dollar gekostet."

Trotz aller Sprüche: Big Dane ist stolz darauf, was aus dieser verrückten Werkstatt geworden ist - und dass es eine neue Show gibt. Es geht nicht mehr um Schrottkarren, Whirlpools und Tischtennis-Platten. Die Serie "West Coast Customs" auf dem amerikanischen Sender Fox Sports soll eine Rückkehr zu den Tuning-Wurzeln sein. Weg vom Schnickschnack, zurück zum guten alten Aufmotzen. In der ersten Episode veredeln die Mitarbeiter die ohnehin beeindruckende Limousine des Krawallrockers Kid Rock, sie installieren etwa einen Abzug für Zigarrenrauch.

Autos für Superhelden

Er hat also doch einen richtig coolen Job, dieser Big Dane. Am Ende des Tages steht er wieder vor diesem Modell, von dem keine Fotos erlaubt sind. Futuristisch sieht es aus, wie eine Mischung aus Auto und Flugzeug, aus dem innerhalb weniger Sekunden auch ein Motorrad werden könnte. Es bietet nur Platz für eine Person.

Na klar, durchfährt es den Besucher - das ist das neue Batmobil! Das Fahrzeug des dunklen Ritters im Film Batman vs. Superman, der 2016 in die Kinos kommen soll. "Ich habe nichts gesagt", stellt Big Dan klar. Und grinst.

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