Süddeutsche Zeitung

Motivation im Job:Prima, weiter so

Lob kann Mitarbeiter stärker motivieren als Geld, haben Wissenschaftler herausgefunden. Das gilt allerdings nicht für alle Angestellten.

Von Sebastian Herrmann

Im Grunde genommen sind sich die Abläufe in Büro und Kindergarten frappierend ähnlich. In der einen Verwahrungsstätte rufen die Erzieherinnen morgens die Kinder der Bären-, Igel- oder Fuchsgruppe zusammen, um einen Stuhlkreis zu bilden, Sprüche aufzusagen und ein Lied zu singen. Im Büro heißt der gleiche Vorgang Meeting. Hier ruft das Führungspersonal die Angestellten der Controlling-, Marketing- oder Sales-Abteilung zusammen, um gemeinsam Sprüche aufzusagen und einige Business-Plattitüden vorzutragen. Hier wie dort ist es Aufgabe der Animateure, die Mitglieder der Gruppe zum Mitmachen zu bewegen, egal, ob sie nun in der Bauecke spielen oder ein Bauprojekt steuern sollen.

Spätestens an diesem Punkt beginnen die Probleme. Wie lassen sich Stuhlkreis- oder Meeting-Teilnehmer motivieren, kreativ zu sein und Leistung zu erbringen? Für den Alltag im Büro wagen gerade Wirtschaftspsychologen um Carmen Fischer von der International School of Management in Dortmund eine Teilantwort. Aus Arbeitnehmersicht klingt das Fazit der Forscher im Journal Frontiers in Psychology provozierend: Demnach sei es unter gewissen Bedingungen effektiver, Mitarbeitern eine Dankpostkarte zu geben, statt sie mit einem finanziellen Bonus zu belohnen.

Zum Glück, so will man da erleichtert seufzen, gilt das wohl nur für einen engen Mitarbeiterkreis. Die Forscher untersuchten Büromenschen, die ohnehin aus eigenem Antrieb ihre Aufgaben erfüllen. Solche intrinsisch motivierten Mitarbeiter kamen also eher auf kreative Ideen und innovative Lösungen, wenn sie mit sozialer statt finanzieller Anerkennung belohnt wurden. Das klingt abseitiger, als es ist: Die Forschung arbeitet schon lange an der Frage, welche Belohnungen im Arbeitskontext welche Effekte erzielen. Die dabei gewonnenen Ergebnisse sind nicht ganz eindeutig. Doch die neue Studie passt immerhin zu einer großen Analyse, die ebenfalls gezeigt hat: Anerkennung für Arbeitnehmer fördert grundsätzlich deren Kreativität, nur mit Geld als Belohnung klappt das nicht so gut.

Manchen Mitarbeitern ist öffentliches Lob unangenehm

Doch ein Lob aus der Chefetage kann auch nach hinten losgehen und Unruhe in die Gruppe bringen. Das beginnt schon bei den Gepriesenen selbst. "Dem einen gefällt ein Lob vor der versammelten Abteilung, dem anderen ist das peinlich", sagt die ebenfalls an der Studie beteiligte Psychologin Charlotte Malycha in einer Pressemitteilung. Da schwingt der Chef hymnische Reden, und der Geehrte will nur im Boden versinken.

Und die anderen Mitglieder des Meetings oder Stuhlkreises, wie reagieren die? Die schnappen alle ein: Warum wird ein anderer ausgezeichnet und nicht ich? Dass so etwas die Stimmung in fragilen sozialen Gefügen wie Kindergruppen und Büroabteilungen vergiften kann, sagt einem die eigene Erfahrung. Die Psychologie steuert dennoch eine Erkenntnis bei, die fast zu den Klassikern der Disziplin gehört: Selbst eine ersehnte Gehaltserhöhung weckt nichts als Zorn und Enttäuschung, wenn die des Kollegen höher ausfällt. Auch das war bereits im Kindergarten so: Was ist schon ein Schokokeks, wenn ein anderes Kind zwei bekommt? Genau: ein Schlag ins Gesicht und ein Anlass, sich allen weiteren Aktivitäten zu verweigern.

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Quelle:
SZ vom 15.04.2019/lho
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