Motivation in der Arbeit:Warum tun Sie sich das eigentlich an?

Es gibt Jobs, bei denen ist man auf den ersten Blick ziemlich froh, dass man sie nicht machen muss: Betrunkene im Taxi herumfahren, zum Beispiel. Bei Minusgraden am Marktstand stehen. Aktenschränke in Verwaltungsbehörden mit Inhalt füllen. Eine Belegschaft vom Sinn der Sparmaßnahmen überzeugen, als Politiker eine unliebsame Reform durchbringen. Nicht selten fragt man sich dann: Warum, um Gottes willen, macht der oder die das eigentlich? Acht Antworten.

Als Minnie Mouse am Time Square

Jovana Melendez, 38, trägt einen kurzen roten Rock mit weißen Punkten und eine Maske mit riesigen Mäuseohren. Sie ist Minnie Mouse. Zehn bis zwölf Stunden steht sie hier auf dem Times Square in New York zwischen den blinkenden Reklametafeln, fast jeden Tag des Jahres. Der Winter, wenn ein eisiger Wind über den Platz fegt, ist nicht so schlimm, sagt sie, dann zieht sie dicke Schichten unter ihr Kostüm und hüpft ein wenig auf und ab. Schlimm ist der Sommer, wenn sich die Großstadtluft zwischen den Hochhäusern wie im Backofen staut. Melendez und ihr sechsjähriger Sohn können gerade so leben von ihrem Verdienst, den 50 bis 70 Dollar pro Tag. Die meisten Comichelden sind Einwanderer aus Lateinamerika, Melendez ist 2006 aus Peru gekommen. Seit einigen Monaten geht die Polizei hart gegen die Kostümhelden am Times Square vor. Viele sind illegal im Land, manche bedrängen Touristen, um bessere Trinkgelder zu bekommen. Melendez fühlt sich ungerecht behandelt. Aber eigentlich ist ihr Job nicht so schlecht, sagt sie, sie mag es, wenn die Leute lächeln. "Wir sind für die Touristen eine der Attraktionen, die dieses Land zu bieten hat." Kathrin Werner

Lieber selber machen, bevor es andere nicht hinkriegen

Er würde jedem Patienten abraten, beim Sport nur auf den Sieg zu achten. Der Prozess sollte im Mittelpunkt stehen, findet der Gesundheitsökonom, Arzt und SPD-Politiker Karl Lauterbach, 51. Sollte. "Ich bin leider genau das Gegenteil, für mich beginnt mit dem zweiten Platz das Verlieren." Wing Tsun heißt sein Sport, ein Kampfsport aus China, der auch bei der GSG 9 trainiert wird, weil man sich mit ihm in echten Prügeleien durchsetzen kann. Wer als Seiteneinsteiger in die Politik kommt und sich trotzdem zu einem der bekanntesten Gesichter der Berliner Republik mausert, der braucht Durchsetzungskraft. Lauterbach war bereits erfolgreich, als er sich für die politische Laufbahn entschied: Er war Professor, Leiter eines eigenen Instituts, ein angesehener Gesundheitsexperte. Wieso der Wechsel? "Ich wollte etwas verändern und ich war damals so sehr von mir überzeugt, dass ich dachte, ich werde als Politiker mehr Einfluss haben", sagt er. "Ob das gelungen ist, sollen andere beurteilen." Gesundheitsminister jedenfalls wurde er nicht - doch immerhin stellvertretender SPD-Fraktionschef. Guido Bohsem

Wenig Spaß, wenig Lohn

Spaß, nein, Spaß macht das keinen. Maghsoud Pournemat, 71, sitzt in seinem Taxi und beobachtet auf dem Display, ob neue Aufträge eintreffen. Eine Fahrt zum Flughafen wäre schön. Die bringt am meisten Geld. Doch erst einmal heißt es: warten. Mit all den anderen Fahrern in der Schlange am Münchner Marienplatz, noch ein paar Stunden bis Feierabend. Seit drei Monaten fährt der frühere Lkw-Händler jetzt Taxi, die Rente reicht nicht: "Ich brauche das Geld für mich und meine Frau", sagt er. Mit 71 Jahren wollte niemand mehr Pournemat einstellen, viermal die Woche fährt er deshalb nun durch München. Von sechs Uhr morgens bis halb fünf am Nachmittag. Etwa 6,50 Euro pro Stunde verdient er im Durchschnitt dabei, das Trinkgeld wohlgemerkt schon eingerechnet. "Es lohnt sich nicht wirklich, aber was bleibt mir schon für eine Wahl", sagt Pournemat. Er tritt aufs Gas. Pia Ratzesberger

Überstunden? Fest eingeplant

Ein kleiner Scherz, der den Frust vertreibt

Wenn Luisa Rafalski, 26, an ihrem Schreibtisch sitzt, lacht sie viel. Obwohl es auf den ersten Blick eigentlich so wenig zu lachen gibt bei den Erzählungen von Krieg, Flucht und Traumata. Gerade kommen vor allem Asylbewerber aus Syrien zu der Sozialpädagogin in die Beratungsstelle, sie fragen: "Luisa, was steht in dem Brief vom Amt?" oder "Luisa, kannst du mir einen Arzttermin ausmachen?" Dazwischen immer wieder: ein kleiner Scherz, ein leiser Lacher. Das vertreibt den Frust, auf beiden Seiten: "Viele kommen hier motiviert her, dann muss ich sie ernüchtern. Das tut weh", sagt Rafalski. Gemeinsam mit drei Kollegen ist sie im Landkreis Nürnberger Land momentan für 700 Asylbewerber zuständig. Überstunden? Fest eingeplant. Doch sie lerne schließlich viel von ihrem jeweiligen Gegenüber, sagt Rafalski, nicht nur über den Alltag in Äthiopien oder Irak. Auch über den Umgang mit Leid. Und dann ist da noch das große Ganze: die humanitäre Pflicht. Die dürfe man im Alltag nicht vergessen. Pia Ratzesberger

Wenn die Firma die Familie ist

Der Obststand am Münchner Isartor ist genauso alt wie sie selbst: Trotz Nieselregen und vier Grad Celsius steht Stefanie Götz, 32, hinter ihrer großen Verkaufsauslage, die Ohren unter einer Mütze geschützt, den Schal fest um den Hals geschlungen. Avocados und Äpfel verkauft sie, Knoblauchzehen und Fenchel. Schon als kleines Kind hat Götz am Stand mitgeholfen, den Kunden die vollgepackten Papiertüten überreicht. Manchmal gab es ein kleines Trinkgeld, 50 Pfennig oder eine Mark. Später, nach der Schule, machte sie eine Ausbildung zur Bürokauffrau - um danach wieder am Obststand anzufangen: "Wenn du für deine Eltern arbeitest, ist das etwas ganz anderes, als in einer Firma angestellt zu sein. Ich weiß, was sie leisten, damit hier alles läuft, die Ware frisch ist", sagt sie. Ihr Vater kümmert sich um den Einkauf am Großmarkt, ihre Mutter und ihr Freund helfen beim Verkauf. Klar, manchmal, gerade jetzt im Winter, wäre ein warmes Büro schon schön. Doch dann sind da auch noch die Stammkunden, die den Tag ein wenig einfacher machen: Die bringen manchmal sogar einen Kaffee vorbei - zum Aufwärmen. Pia Ratzesberger

Schutz von einer der gefürchtesten Gangs von LA

Philip Tingirides, 56, hat viele schlimme Dinge gesehen in seinem Leben. Er war im Einsatz, als 1992 im Süden von Los Angeles die Rassenunruhen ausbrachen. "Gebäude in Flammen, Läden verwüstet - absolutes Chaos", sagt er. Später wurde er Leiter eines Teams des Los Angeles Police Department, das sich um die Aktivitäten von Banden im Großraum LA kümmert. Compton und Watts, das sind für viele noch immer mehr Schimpfwörter als Ortsbezeichnungen. Es brauchte jedoch einen Zwischenfall, bei dem er persönlich betroffen war, damit Tingirides verstand, in welcher Gegend er da seinen Dienst verrichtet: Ein entlassener Polizist drohte im vergangenen Jahr damit, alle Menschen und deren Familien zu töten, die an seiner Entlassung beteiligt gewesen waren - also auch Tingirides und seine Familie. Der Polizist machte einen Teil seiner Drohung wahr und tötete vier Menschen. "Erst dadurch habe ich eine Vorstellung davon bekommen, wie sich viele in unserer Gemeinde jeden Tag fühlen müssen", sagt Tingirides. Der Zwischenfall machte ihm aber auch Mut: Die Mitglieder der Bounty Hunter Gang, einer der gefürchtetsten von LA, boten an, ihn zu beschützen. Das sei für ihn Motivation gewesen, auch nach 34 Dienstjahren weiterzumachen. Jürgen Schmieder

"Man muss das mögen"

Streikende Piloten, wütende Passagiere

Seit etwas mehr als ein halbes Jahr ist er im Amt, aber zu beneiden ist er wirklich nicht. Im vergangenen Mai wurde Carsten Spohr, 48, zum neuen Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Lufthansa berufen, und fast jede Woche hat er mit neuen Problemen zu kämpfen. Die Piloten streiken andauernd, sie wollen keinesfalls auf ihre komfortablen Vorruhestandsregelungen verzichten. Die Passagiere sind sauer, wenn Flüge ausfallen. Ohnehin sind Lufthansa-Kunden besonders anspruchsvoll, sie wollen die Privilegien ihrer Vielfliegerkarten nicht aufgeben, erwarten überall und immer besten Service, Getränke, Snacks, Zeitung inklusive. Auch die Aktionäre machen Ärger. Der Kurs der Lufthansa-Aktien klebt fest, jede kurze Aufwärtsbewegung ist schnell dahin. Aber wer den Lufthansa-Chef in diesen Tagen trifft, erlebt ihn erstaunlich gut gelaunt. "Die Faszination des Fliegens hat in keiner Weise nachgelassen", sagt er und lächelt. Spohr war selbst Pilot, ist Lufthanseat durch und durch. Unermüdlich wirbt er für seine Reformen. Die vielen Schwierigkeiten machen ihn nicht verzagt. Er ist der Faszination der Luftfahrt erlegen. Caspar Busse

Post, die die Seele streichelt

Eigentlich wollte, Manuela Gruber, 35, ihre Nächte im Hotel verbringen, nicht in einer Klinik. "Aber bei einem Praktikum hab ich festgestellt: nicht mein Ding." In der Berufsberatung wurde ihr das Krankenhaus empfohlen, mittlerweile arbeitet sie zehn Jahre auf einer Intensivstation des Klinikums rechts der Isar. Sie leistet Schichtarbeit, hat etliche Weihnachten, Silvester und viele Sonntage am Bett von Patienten verbracht. "Man muss das mögen, sonst wäre man hier falsch", sagt sie. Längst ist sie in den Krankenhausalltag reingewachsen, nur die Extremsituationen fallen ihr noch schwer - wenn der Opa während des Spaziergangs mit dem Enkel umkippt und beide Betreuung bräuchten, aber wenig Zeit ist zum Beispiel. Der Lohn für solche Momente ist der Dank von Patienten und Angehörigen. Manche kommen vorbei, andere schicken ein Fax. Solche Post hängt an der Wand im Schwesternzimmer. "Es streichelt die Seele", sagt Manuela Gruber. Und ist Motivation für die nächste Nachtschicht. Lea Hampel

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