Süddeutsche Zeitung

Mobiles Arbeiten bei Daimler:In Raum und Zeit flexibel

  • Daimler-Mitarbeiter sollen künftig die Möglichkeit bekommen, ihre Arbeit räumlich und zeitlich flexibel zu gestalten.
  • Auf ein entsprechendes Eckpunktepapier haben sich Betriebsrat und Konzernführung geeinigt.

Von Sarah Schmidt

Schaffe, schaffe - das ist für die Mitarbeiter des Stuttgarter Automobilkonzerns Daimler künftig auch daheim im Häusle möglich. Oder im Café, im Freibad oder in der Bahn. Unternehmensleitung und Betriebsrat haben sich auf Eckpunkte einer neuen Gesamtbetriebsvereinbarung geeinigt, in der künftig das "mobile Arbeiten" geregelt werden soll.

Alle Beschäftigten sollen demnach die Möglichkeit bekommen, auch außerhalb der offiziellen Firmenräumlichkeiten ihrer Arbeit nachzugehen. "Wenn dies mit der jeweiligen Aufgabe vereinbar ist", schiebt das Unternehmen allerdings nach. Auch künftig wird also die E-Klasse in der Fabrik und nicht in Privatgaragen montiert.

Alle Daimler-Mitarbeiter, die mehr mit dem Computer als mit dem Schraubenzieher arbeiten, können demnächst mit ihren Führungskräften besprechen, ob und wie häufig sie an einem selbstgewählten Ort tätig werden - das treffe immerhin auf etwa 100 000 der rund 150 000 Mitarbeiter in Deutschland zu. Stundenweise soll der Arbeitseinsatz auch am Samstag möglich sein. Die entsprechenden Zuschläge gibt es allerdings nur, wenn der Chef den Wochenendeeinsatz befürwortet. Erfasst werde die mobile Arbeitszeit blockweise pro Tag über ein Zeitsystem, so das Unternehmen.

Heimarbeiter arbeiten im Schnitt mehr als die Kollegen im Büro

"Durch die neue Vereinbarung entstehen Kreativ- und Produktivphasen der Beschäftigten sowie verbesserte Arbeitsprozesse, die in Summe einen Mehrwert für das Unternehmen schaffen", freut sich der Konzern. Und tatsächlich: Studien zeigen, dass Mitarbeiter, die im Home-Office arbeiten, nicht weniger fleißig sind als die Kollegen, die sich auf Firmenmobiliar die Hintern plattsitzen. Im Gegenteil, 2,5 Stunden arbeiten die Heimarbeiter im Schnitt pro Woche mehr, haben Wirtschaftswissenschaftler der Uni Basel vor Kurzem berechnet. Das kommt den Arbeitgebern natürlich sehr gelegen.

Ist es das Gefühl, sich stärker beweisen zu müssen als die Kollegen, die zumindest körperlich Präsenz zeigen? Oder sind die Home-Office-Nutzer tatsächlich motivierter und deshalb bereit, sich stärker reinzuhängen für ihr Unternehmen? Das lässt sich nur im Einzelfall beantworten. Fakt ist jedoch, dass eine flexible, selbstgewählte Organisation von Arbeitszeit und Arbeitsort etwas ist, was sich sehr viele Menschen wünschen. Einer Auswertung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung zufolge würden 66 Prozent der Arbeitnehmer gern von zu Hause aus arbeiten - wenn dies möglich wäre.

Auch bei Daimler folgt die Umstellung auf Anregung der Mitarbeiter. Im vergangenen Jahr hatte der Autokonzern mehr als 33 500 Mitarbeiter zu dem Thema befragt. Das Ergebnis: Gut 80 Prozent wünschen sich mehr Flexibilität.

Ein Eckpunktepapier allein reicht nicht

Vorreiter ist Daimler mit dem mobilen Arbeitskonzept jedoch auch unter Großkonzernen nicht. Boschs Betriebsrat hat bereits eine ähnliche Betriebsvereinbarung ausgehandelt, auch bei BMW gibt es seit 2014 Regeln für mobiles Arbeiten. Und in manchen Unternehmen gibt es bereits die Reform der Reform: 2013 kassierte Yahoo-Chefin Marissa Mayer die Erlaubnis zur Heimarbeit wieder. Echte Teamarbeit sei eben doch nur möglich, wenn man auch im echten Leben beieinander sitzt. Doch die Zeichen der Zeit und die miserablen Yahoo-Geschäftszahlen sprechen gegen Mayer und eine strikte Präsenzkultur.

Was das Beispiel Yahoo zeigt: Mit der bloßen Einführung von flexiblem, mobilem Arbeiten ist es noch nicht getan. Daran knüpfen sich zahlreiche weitere Herausforderungen: Wie lässt sich Teamarbeit digital organisieren? Wie kann ein Chef einem Mitarbeiter Feedback geben, den er kaum mehr persönlich zu Gesicht bekommt? Und wie lässt sich der Wegfall von gemeinsamen Mittagessen und Kaffeepäuschen kompensieren?

Daimler-Personalvorstand Wilfried Porth liegt wohl richtig mit der Einschätzung, dass mit der Einführung von mobilem Arbeiten auch "eine Veränderung der Arbeits- und Führungskultur" einhergehen müsse. Das wäre dann der sehr viel revolutionärere Schritt als der Beschluss eines Eckpunkte-Papiers.

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