Süddeutsche Zeitung

Mobbing:Die Scheu vor Schwäche

Männer fühlen sich als Mobbing-Opfer besonders hilflos - vor allem, wenn sie in Frauendomänen arbeiten.

Isa Hoffinger

Tom Blattner hatte einfach Pech. In der Komödie "Allein unter Frauen" kündigt ihm erst die Chefin, dann wirft ihn die Freundin aus der Wohnung, und schließlich zieht der Macho auch noch aus Versehen in eine Wohngemeinschaft von Feministinnen. Elf Jahre sind vergangen, seit dieser Film des Regisseurs Sönke Wortmann in den Kinos lief. Heute gibt es zwar möglicherweise weniger bekennende Machos, aber der Geschlechterkampf erschwert immer noch ein kooperatives Miteinander im Job.

"Sie haben mich ausgegrenzt"

Ausgerechnet in den sozialen Berufen, in denen es mehr weibliche Beschäftigte gibt, besteht nach dem Mobbing-Report der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) die größte Mobbing-Gefahr. Betroffen sind oft Männer. Im Gegensatz zu Frauen, die sich bei Beratungsstellen schneller Hilfe suchen, fällt es männlichen Opfern schwer, über ihre Situation zu sprechen - vor allem, wenn sie von Kolleginnen und weiblichen Vorgesetzten gemobbt werden.

Einer von ihnen ist Steffen. Der 39-jährige Erzieher aus Ludwigshafen bekam trotz langjähriger Berufserfahrung nur eine befristete Anstellung im Kindergarten einer protestantischen Kirchengemeinde, in dem nur Frauen arbeiteten. Als sein Vertrag verlängert werden sollte, reagierte eine Kollegin empört. Männer, das soll ihr Kommentar gewesen sein, wolle man nicht als Kollegen. "Immer wieder habe ich gespürt, dass die Frauen lieber unter sich wären, sie haben mich ausgegrenzt und mir das Leben mit abschätzigen Kommentaren schwer gemacht. Zufällig erfuhr ich dann eines Tages, dass neue Kolleginnen unbefristet eingestellt worden waren, und da es freie Stellen gab, bewarb ich mich", sagt Steffen. Der Familienvater bekam eine Absage. "Als ich die Leiterin des Kindergartens direkt fragte, warum ich abgelehnt worden war, sagte sie wortwörtlich, sie wolle keine Schwanzträger haben." Der Erzieher klagte, verlor vor Gericht gegen seinen Arbeitgeber, wurde krank und will nun seinen Beruf aufgeben.

Misstrauen dem anderen Geschlecht gegenüber

In pädagogischen Berufen sind Männer schon seit Jahren unterrepräsentiert. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes aus dem Jahr 2007 arbeiten in der Sozialpädagogik, der Erziehung und der Kinderpflege nur 2,2 Prozent Männer. "Dieses Ungleichgewicht der Geschlechter in bestimmten Branchen kann zu Mobbing führen", sagt Melitta Walter, bis vor kurzem Fachbeauftragte für Geschlechtergerechte Pädagogik beim Schulreferat München. Sie leitet den Arbeitskreis "Männer in der Pädagogik" und kennt viele Fälle, in denen Männer gemobbt oder subtil benachteiligt werden. "Frauen befürchten, dass Männer in ihre letzte weibliche Bastion einfallen. Weil manche zu Hause Schwierigkeiten mit ihrem Partner haben, erwarten sie, dass Männer auch am Arbeitsplatz Probleme verursachen." Walter rät Männern heute dasselbe, was sie vor 20 Jahren Frauen empfohlen hat: "Sie müssen sich Verbündete unter männlichen Kollegen suchen. Es geht bei solchen Fällen nämlich nicht um den Streit über Bildungs- und Erziehungspläne, sondern um das Misstrauen dem anderen Geschlecht gegenüber."

Mobbing-Opfer gibt es unter Männern und Frauen, auf allen Ebenen und in allen Branchen. Nach einer Studie des Instituts für Markt- und Sozialforschung (Ifak) in Taunusstein hat jeder achte Berufstätige bei seinem derzeitigen Arbeitgeber bereits Erfahrung damit machen müssen. Da es inzwischen in früheren Männerdomänen mehr Frauen in Führungspositionen gibt, steigt auch die Zahl der Fälle, in denen männliche Mitarbeiter von ihrer Chefin gemobbt werden.

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Für Rechtsanwalt Hans-Otto Morgenthaler ist das nichts Neues. Er kennt viele männliche Mobbing-Opfer. "Einer meiner Klienten, ein Bademeister, arbeitete in einem Fitness-Studio, das von einer Frau geführt wurde", sagt Morgenthaler. "Seine Vorgesetzte wollte eine Affäre mit ihm. Sie sagte ihm, er müsse dafür natürlich den Job wechseln, denn mit einem Untergebenen wolle sie kein Verhältnis anfangen." Als der Bademeister ablehnte, habe sie ihm immer mehr Kompetenzen entzogen und schließlich gekündigt. Morgenthaler bringt solche Fälle vor Gericht und klagt dann wegen eines Verstoßes gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG). "Dieses Gesetz bietet auch eine Grundlage, um die Rechte von Mobbing-Opfern zu schützen", sagt er. "Mobbt die Geschäftsleitung, oder weist sie an zu mobben, so haftet sie nach Paragraf zwölf, Absatz eins AGG ohne weiteres direkt. Mobbt ein Vorgesetzter oder schaut er Kollegenmobbing tatenlos zu, haftet die Geschäftsleitung nach Paragraf 278 BGB in Verbindung mit Paragraf zwölf AGG, auch wenn sie davon nichts wusste."

Kündigung ist die schlechteste Lösung

Betroffenen rät er, sich möglichst frühzeitig zu wehren. "Mobbing verläuft in verschiedenen Phasen, die Angriffe steigern sich. Schon ab der dritten Phase können wir Opfern nur noch raten, sich nach einem neuen Job umzusehen. Eine eigene Kündigung ist jedoch immer die schlechteste Lösung. Denn wer einmal Opfer wurde, läuft oft auch nach einem Jobwechsel wieder in die Mobbingfalle."

Filme wie "Allein unter Frauen" haben meistens ein Happy End. So amüsant wie auf der Leinwand ist die Realität nicht. Auch wenn um die Gleichbehandlung der Geschlechter im Beruf seit Jahrzehnten gerungen wird, liegt das Ziel noch in weiter Ferne. Denn nach wie vor stecken in den Köpfen alte Rollenbilder, nach denen der Mann potentiell der Unterdrücker und die Frau das Opfer ist.

Frauen haben subtilere Mobbing-Strategien

"Männer, die von weiblichen Vorgesetzten attackiert werden, haben große Scheu, sich ihre schwache Position einzugestehen und sich rechtzeitig Unterstützung zu suchen", sagt die Diplompsychologin Iris Dohmen vom Institut für Arbeits- und Sozialhygiene (IAS) in Karlsruhe. Sie hilft Firmen, präventive Maßnahmen gegen Mobbing und Diskriminierung umzusetzen und betreut Opfer. "Frauen haben erstens subtilere Mobbing-Strategien, und zweitens ist das Phänomen, dass Männer aufgrund ihres Geschlechts diskriminiert werden, relativ neu und noch nicht im Bewusstsein vieler Betroffener verankert", sagt Dohmen. "Wenn Männer zur Zielscheibe werden, dauert es deshalb auch oft lange, bis sie sich dessen überhaupt bewusst sind."

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SZ vom 17.5.2008/sam
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