Mobbing am Arbeitsplatz:Warten auf den Lottogewinn

Jeder achte Arbeitnehmer wurde in seinem derzeitigen Job schon einmal Opfer von Schikanen und Intrigen. Das schadet auch den Unternehmen: Gemobbte sind häufiger krank und weniger motiviert.

Sybille Haas

Klatsch und Tratsch, Streit unter Kollegen oder die ungeschickte Bemerkung eines Vorgesetzten - für sich genommen und als Ausnahme sind solche Handlungen noch kein Mobbing. Dazu werden sie aber, wenn sie sich systematisch und für längere Zeit gegen einen bestimmten Mitarbeiter richten und das Ziel haben, ihn herabzuwürdigen, zu verletzen oder aus der Gruppe auszugrenzen. Dies ist eine inzwischen gängige Darstellung von Mobbing, die man auf vielen Internetseiten zum Thema findet.

Mobbingopfer

Mobbingopfer: Hinterhältige Machenschaften sind im Nachhinein nur schwer aufzudecken.

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Dennoch: Mobbing (zu Deutsch: anpöbeln) ist nach wie vor nicht klar umrissen. Was der eine als Schikane empfindet, stempelt ein anderer als "der X hat heute einen schlechten Tag" ab. Wenn Gespräche verstummen, sobald man sich den Kollegen nähert, geht es vielleicht um das eigene Geburtstagsgeschenk und nicht um lästerliches Geschwätz. Nicht alles also, was nach Mobbing aussieht, ist es auch. Doch es gibt Vorfälle, die muss sich keiner gefallen lassen. Das Bundesarbeitsgericht hat im vergangenen Jahr den Anspruch auf Schmerzensgeld eines Arbeitnehmers bejaht. Ein Oberarzt hatte geklagt, weil er durch seinen Chef fachlich herabgewürdigt und deshalb psychisch krank wurde.

Jeder Achte wird gemobbt

Eine für die Erlangung von Schmerzensgeld wichtige Voraussetzung ist aber der konkrete Mobbing-Nachweis. Und das ist nicht immer leicht. Intrigen beispielsweise haben ja geradezu den Zweck, dass sie von den Opfern gar nicht bemerkt werden, und fliegen sie schließlich auf, dann ist der Verursacher oft gar nicht mehr auszumachen. Das eben liegt in der Natur von solchen hinterhältigen Machenschaften.

Jeder achte Arbeitnehmer wurde einer Befragung zufolge in seinem derzeitigen Job schon einmal gemobbt, geht aus einer Studie des Markt- und Sozialforschungsinstituts Ifak in Taunusstein bei Wiesbaden hervor. In der repräsentativen Befragung wurden die Erwerbstätigen über 18 Jahre berücksichtigt, Selbständige und mitarbeitende Familienangehörige wurden aus der Statistik herausgerechnet. So kommt das Institut auf etwa 3,8 Millionen Mobbing-Opfer am Arbeitsplatz. Die Zahl übersteigt damit den vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) genannten Wert, wonach 1,5 Millionen Menschen in Deutschland Psychoterror am Arbeitsplatz erleben.

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Warten auf den Lottogewinn

Schikanen bei der Arbeit haben höhere Fehlzeiten und eine größere Fluktuation zur Folge - und das kostet Geld. Mobbing-Opfer wiesen im Jahr 10,3 Fehltage auf. Bei Beschäftigten, die in ihrem Job noch nicht gemobbt wurden, sind es laut Ifak-Studie 7,6 Fehltage. Allein dadurch entstünden der deutschen Wirtschaft Kosten von 2,3 Milliarden Euro im Jahr.

Fast ein Viertel der Mobbing-Betroffenen trage sich ernsthaft mit dem Gedanken, das Unternehmen innerhalb der nächsten zwölf Monate zu verlassen. Die Gruppe der Mobbing-Opfer weise fast zweieinhalbmal so viele Personen mit konkreten Wechselgedanken auf, wie die Gruppe der nicht gemobbten Arbeitnehmer, heißt es. Damit werde die Fluktuation zu einem beträchtlichen Kostenfaktor, warnt Ifak. Das Institut veranschlagt die Fluktuationskosten je Mitarbeiter auf das Doppelte der reinen Gehalts- und Nebenkosten eines Jahres. Die Kosten für Fluktuation durch Mobbing beliefen sich damit für die deutsche Wirtschaft, konservativ gerechnet, auf 17,6 Milliarden Euro im Jahr, berichtet Ifak weiter. Zusätzliche Kosten entstehen durch Frustration und die innere Kündigung gemobbter Mitarbeiter. Immerhin jedes zweite Mobbing-Opfer antwortet auf die Frage "Ich würde bei einem Lottogewinn nicht weiterarbeiten" mit "Ja". Bei den anderen Beschäftigten ist es dagegen nur jeder Dritte.

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