Mitarbeiter werben Mitarbeiter:Kopfgeld für Kollegen

Der Fachkräftemangel zahlt sich für Angestellte aus: Auf der Suche nach qualifiziertem Personal bieten Unternehmen wieder Prämien für jeden neuen Mitarbeiter. Für erfolgreiche Werbung gibt es neben Geld sogar Reisen oder Autos.

Julia Bönisch

Wer einen kennt, der einen kennt, kommt schneller zum Traumjob. Nur noch 30 Prozent aller Stellen werden über die klassische Stellenanzeige besetzt. Für alle anderen gilt: Was zählt, sind Kontakte.

Prämie

Prämie für jeden neuen Kollegen: Private Headhunter befördern die Cliquenbildung.

(Foto: Foto: iStock)

Bisher profitierte von diesem System nur der Bewerber, doch "Mitarbeiter werben Mitarbeiter"-Programme boomen. Dank der Prämienmodelle haben jetzt auch diejenigen etwas davon, die Freunden und Bekannten den neuen Job verschaffen. Bis zu 3000 Euro zahlen Unternehmen mittlerweile für qualifiziertes Personal - ein nettes Extra zusätzlich zum Gehalt.

Diese Sonderboni zu verdanken haben Netzwerker dem Fachkräftemangel: Er kostet die deutsche Wirtschaft jährlich 18,5 Milliarden Euro. Gut ausgebildete Akademiker sind auf dem Markt mittlerweile rar. Die Resonanz auf Stellenanzeigen ist gering, selbst Headhunter können nicht mehr genügend Leute rekrutieren.

Bei zehn Vermittlungen ein Smart

So besinnen sich Firmen wieder auf das eigene Personal. Auf dem Höhepunkt der New Economy, als Start-ups im Silicon Valley sogar Ferraris für fähige Programmierer auslobten, erlebten die Kopfgeld-Modelle ihre erste Hochzeit. Nun beleben Recruiter die Idee neu.

Das Prinzip ist simpel: Die Personalabteilung fordert Mitarbeiter im Intranet, per Mail oder auf eigens organisierten Veranstaltungen auf, gute Kandidaten für offene Stellen zu suchen. Stellt das Unternehmen dank einer solchen Vermittlung tatsächlich jemanden ein, erhält der Werbende eine Prämie oder ein Geschenk. Bei der Wirtschaftsprüfung KPMG bekommen Angestellte bei fünf erfolgreichen Empfehlungen pro Jahr eine einwöchige Reise spendiert. Der Textildiscounter Kik lässt bei zehn Vermittlungen sogar einen Smart springen.

Bisher hat die Firma zwar nur einen Kleinwagen bezahlen müssen, das Programm laufe aber sehr erfolgreich, sagt Pressesprecherin Aniko Nadine Kalle. Für Kik sind die firmeneigenen Headhunter eine kostengünstige Alternative zu Stellenanzeigen, die das Unternehmen deutlich mehr kosten würden.

Auf der nächsten Seite: Die Nachteile der firmeneigenen Headhunter.

Kopfgeld für Kollegen

Vorteile sehen Kik und andere Firmen jedoch nicht nur in der Ersparnis. Schließlich weiß niemand so gut über seinen Arbeitgeber Bescheid wie die bereits Angestellten. Deshalb vermitteln sie ein authentischeres Bild vom Unternehmen als es jede Stellenanzeige könnte. So wissen die Bewerber gleich, was sie zu erwarten haben und ob der ausgeschriebene Job wirklich zu ihnen passt, die Quote der Fehlbesetzungen sinkt.

Matthias Busold, Seniorconsultant bei der Personalberatung Kienbaum, sieht die Kopfprämien jedoch deutlich kritischer. "Auf den ersten Blick können alle Beteiligten davon nur profitieren", erklärt er. "Der Werbende bekommt die Prämie, der Bekannte einen neuen Job, das Unternehmen einen Mitarbeiter." Doch was passiere, wenn die Vermittlung fehlschlage? "Das fällt auf den Werbenden zurück, seine Position im Unternehmen wird geschwächt und alle anderen sind unzufrieden."

Busold rät davon ab, sich zu sehr auf die firmeneigenen Headhunter zu verlassen und warnt vor einer regelrechten Jagd auf Prämien. "So ein Bonus ist schnell mitgenommen, aber über das Danach machen sich die Werbenden oftmals wenig viel Gedanken."

Wenn Mitarbeiter nur noch Freunde, Nachbarn und Mitglieder des eigenen Fußballklubs empfehlen, könne zudem könne die Vielfalt innerhalb der Belegschaft leiden. "Für ein Team ist es sicherlich hilfreich, wenn sich die Mitglieder gut verstehen. Aber Cliquenbildung im Unternehmen ist kontraproduktiv", meint Busold. Auch könne es nicht im Sinne des Unternehmens sein, wenn im Vorfeld einer Werbung sensible Daten, etwa über das Gehalt, ausgetauscht würden.

Für die werbenden Mitarbeiter aber ist die Wiedergeburt der Prämien-Programme auf jeden Fall ein Erfolg: Wer über Alumni-Programme, BWLer-Stammtische oder Xing ohnehin ein aktiver Netzwerker ist, kann von den Kontakten nun auch finanziell profitieren. Und Kollegen, die sich im Zweifel loyal verhalten, weil sie dem anderen den Job verdanken, sind für die Karriere nicht das schlechteste.

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