Mitarbeiter Know-how:Wohin mit all den Ideen?

Unternehmen lassen die Kreativität ihrer Mitarbeiter oft ungenutzt und verlieren dadurch Millionen.

Chris Löwer

Der gute alte Zettelkasten mit der Aufschrift "Betriebliches Vorschlagswesen" hat ausgedient. Mancher Firma versiegen damit endgültig frische Ideen ihrer Mitarbeiter, weil sie nicht gezielt geborgen werden - obwohl Ideen in der globalen Wirtschaft immer wichtiger werden.

Mitarbeiter Know-how: Viele Firmen ignorieren das Wissen ihrer Mitarbeiter - und vergeuden dadurch viel Geld.

Viele Firmen ignorieren das Wissen ihrer Mitarbeiter - und vergeuden dadurch viel Geld.

(Foto: Foto: dpa)

Wie bei dem Touristikkonzern, der sich, geplagt vom Trend zum schnellen Klick auf den Billigflug und vom Rückgang bei den Pauschalbuchungen, etwas Neues einfallen lassen musste. Er lobte für die Mitarbeiter einen stattlich dotierten Innovationspreis aus. Die besten Ideen wurden anschließend auf Mallorca ausgearbeitet - all inclusive, sprich: gemeinsam mit dem Vorstand des Unternehmens.

"Derartige Anstrengungen haben in Deutschland immer noch den schalen Beigeschmack der Turnvereins-Tombola", sagt Ralf Baron, Leiter des Geschäftsbereiches Travel & Transportation der Unternehmensberatung Arthur Little. "Dabei sind es gute Werkzeuge, um Innovationen zu erzeugen - wenn sie richtig aufgesetzt werden.

"Doch hierzulande gilt so etwas schnell als Luxus und weckt den Eindruck verschwendeter Zeit", klagt Baron, zu dessen Beratungsschwerpunkten Innovationsmanagement zählt.

Investition in Mitarbeiterwissen lohnt sich

Viele Unternehmen verzichten freiwillig auf die Geistesblitze ihrer Mitarbeiter, wie die Studie "Ideenmanagement 2007/08" des Bonner Marktforschungsinstituts EuPD Research zeigt:

Nur 26 Prozent der 500 größten deutschen Firmen haben ein modernes Ideenmanagement eingeführt. 20 Prozent schenken den Ideen ihrer Mitarbeiter keinerlei Beachtung. Dabei haben die Marktforscher errechnet, dass jeder für Verbesserungen eingesetzte Euro im Schnitt zehn Euro Gewinn bringt.

2006 konnten mehr als zehn Prozent der Firmen, die Vorschläge ihrer Belegschaft umsetzten, dadurch mehr als zehn Millionen Euro einsparen. Laut Studie waren es bei der Deutschen Post sogar 271 Millionen Euro, 168 Millionen bei Volkswagen und 158 Millionen bei Siemens. Hier scheint das Ideenmanagement zu funktionieren.

Dabei ist Masse nicht Klasse. "Viele Ideen zu produzieren, ist nicht schwer", sagt Friedrich Kerka, Professor am Bochumer Institut für angewandte Innovationsforschung. "Anspruchsvoller ist es, das kreative Engagement der Mitarbeiter gezielt zu aktivieren und für die Unternehmensentwicklung zu erschließen." Fortschrittliche Firmen erkenne man daran, dass Ideenmanagement dort "betriebliche Normalität und kein Ausnahmezustand" sei, sagt Kerka.

Gerade daran hapert es in der Praxis. Die größten Hemmnisse sind laut der Bonner Studie mangelnde Einbindung und fehlende Sensibilisierung der Führungskräfte.

Innovationsbremse Chefetage

Auch die Geschäftsführung tut den organisierten Ideenfluss gern als Firlefanz ab. Oder die bürokratische Bearbeitung eingereichter Ideen erstickt jegliche Initiative im Keim. So nehmen sich manche Konzerne zwar des Themas an, setzen jedoch einen derart feinziselierten Prozess in Gang, der allen Beteiligten Zeit und Kraft raubt.

"Je größer das Unternehmen, desto struktureller ist das Ideenmanagement angelegt", sagt Alexander Böhne von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände.

Hilfreich könne daher ein Ideenmanager sein, der als zentrale Anlaufstelle dient. Diese koordinierende Kraft fürs Kreative sammelt nicht nur Vorschläge, sie hilft auch dabei, unscharfe Ideen auszuformulieren und an der richtigen Stelle zu platzieren. Der bürokratische Aufwand sollte dabei möglichst gering sein.

Das Deutsche Institut für Betriebswirtschaft in Frankfurt am Main bietet neuerdings gar eine Ausbildung zum Diplom-Ideenmanager und alternativ zum nebenamtlichen Ideen-Beauftragten an. Praktiker der Deutschen Post und von Audi vermitteln dort unter anderem Ideenmanagementkonzepte, Rechtsgrundlagen und Marketingstrategien.

Der Lehrgang richtet sich an Personalleiter, Führungskräfte, Qualitätsmanager, Betriebs- und Personalräte. Kostenpunkt, inklusive Abschlussprüfung: etwa 3000 Euro.

Was ein Ideenmanager allerdings kaum leisten kann, ist, Mitarbeiter wach zu rütteln und ihre Kreativität herauszukitzeln. Klassischerweise gelingt das durch Belohnung und Förderung, aber auch durch Freiräume, für die der Chef sorgen muss.

"Oft sollen Mitarbeiter nebenbei noch innovativ sein und scheitern damit. Man muss Strukturen schaffen, die freie Zeit erlauben", sagt Arthur Little-Berater Baron. Wobei das nicht als Plädoyer für mehr Freizeit zu verstehen sei.

Und: Zum modernen Vorschlagswesen gehöre auch, sich mit unangenehmen Wahrheiten auseinanderzusetzen. "Fehler sind die beste Quelle der Kreativität. Auch wenn es schmerzlich ist - nur aus Flops kann man lernen."

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