Süddeutsche Zeitung

Mindestgröße bei der Polizei:Polizei in NRW muss auch kleine Bewerberin zulassen

  • Die Mindestgrößen bei der Polizei in NRW von 163 Zentimetern für Frauen und 168 Zentimetern für Männer sind unwirksam, urteilt das Verwaltungsgericht Düsseldorf.
  • Das Land NRW ist demnach verpflichtet, die Klägerin zum Auswahlverfahren für den gehobenen Polizeidienst zuzulassen. Sie war wegen 1,5 fehlender Zentimeter abgelehnt worden.
  • In einem ähnlichen Verfahren, bei dem ein männlicher Bewerber geklagt hatte, hat das Land bereits Berufung eingelegt.

Von Larissa Holzki

Nordrhein-Westfalen darf Bewerber für den Polizeidienst nicht wegen ihrer Größe vom Auswahlverfahren ausschließen. Das hat das Verwaltungsgericht in Düsseldorf entschieden. Bei der Polizei in NRW müssen Bewerberinnen nach geltenden Vorschriften mindestens 163 Zentimeter groß sein. Für Männer gilt eine Mindestgröße von 168 Zentimetern.

Geklagt hatte eine Frau, die mit einer Körpergröße von 161,5 Zentimetern im gehobenen Polizeidienst arbeiten möchte. Nach Ansicht des Landes NRW ist sie dafür aber zu klein. Eine gewisse Körpergröße und körperliche Präsenz sei für die Arbeit bei der Polizei wichtig, argumentierte ein Sprecher des Landesamts für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten vor dem Verfahren. Er verwies dabei auf die zunehmende Respektlosigkeit gegenüber Polizisten. Nach dem Urteil ist das Land nun verpflichtet, die Frau in einem Auswahlverfahren zu testen.

Die Meinung, dass größere Menschen sich einfacher Respekt verschaffen können, ist weit verbreitet. Aber entscheiden 1,5 Zentimeter darüber, ob das auch kleinen Frauen gelingen kann? Die Klägerin sieht die Untergrenze als willkürlich und sachlich nicht begründet an.

Dafür spricht, dass die Mindestkörpergröße in den Ländern ganz unterschiedlich gehandhabt wird. In Baden-Württemberg beispielsweise wäre die Klägerin eine willkommene Bewerberin: Dort werden Frauen und Männer ab einer Körpergröße von 1,60 Meter eingestellt. In Bayern gilt zwar ein höheres Mindestmaß, nämlich von 1,65 Metern; kleinere Bewerber können jedoch zum Beispiel durch besondere sportliche Leistungsfähigkeit in einem Vortest unter Beweis stellen, dass sie die körperlichen Voraussetzungen für den Polizeidienst trotzdem erfüllen.

So sah auch das Verwaltungsgericht in Aachen im Fall einer anderen Frau unlängst keine plausible Begründung für die Mindestgröße bei der Polizei NRW. Aber es gibt auch Gegenbeispiele, zum Beispiel in Hessen: Der dortige Verwaltungsgerichtshof hat im August vergangenen Jahres geurteilt: "Die Festsetzung einer Mindestkörpergröße von 1,60 m für die Einstellung in den Polizeivollzugsdienst ist sachlich gerechtfertigt, um eine störungsfreie Wahrnehmung polizeilicher Aufgaben zu gewährleisten."

Dass die Mindestgrößen aber nur bedingt etwas mit der Eignung zu tun haben, ist bekannt. Denn in NRW geht man bei Männern wie Frauen gleichermaßen von einer körperlichen Eignung ab einer Größe von 163 Zentimetern aus. Das höhere Mindestmaß für Männer wurde eingeführt, um Frauen nicht zu benachteiligen: Da Männer im Bevölkerungsdurchschnitt größer sind, würden sich anderenfalls prozentual deutlich mehr Männer bei der Polizei bewerben können als Frauen.

Mindestgröße bei der Polizei ist in NRW ein Dauerthema

Bislang muss jeder Fall individuell entschieden werden. Eine allgemeine Entscheidung zu der Frage, ob eine Mindestgröße im Polizeidienst notwendig oder diskriminierend ist, wäre deshalb wohl für alle Beteiligten wünschenswert. Der Vorsitzende Richter am Verwaltungsgericht Düsseldorf, Andreas Müller, sagte in einer kurzen Begründung des heutigen Urteils: "Wir brauchen ein Gesetz, weil Grundrechte im Spiel sind."

Das Land NRW muss sich nicht nur mit den Klagen von Frauen gerichtlich auseinandersetzen, seit es die Mindestgröße im Jahr 2006 eingeführt hat. Im vergangenen Jahr klagte auch ein Mann vor dem Verwaltungsgericht in Gelsenkirchen. Bei einer Körpergröße von 1,66 Metern wurde ihm der Weg in den Traumberuf wegen zwei fehlender Zentimeter verwehrt. Das noch nicht rechtskräftige Urteil fiel zu seinen Gunsten aus, da das Land weder aktuelle Statistiken noch wissenschaftlich nachweisbare Gründe für die Mindestgröße habe vorlegen können. Nordrhein-Westfalen beharrt jedoch weiter auf seiner Position, die Mindestgröße sei erforderlich, und hat deshalb Berufung eingelegt. Nun wird am 21. September vor dem Oberverwaltungsgericht in Münster über Mindestgröße und Diskriminierung verhandelt.

Mit Material von dpa.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3620293
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ.de/dpa/lho/misc/dit
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.