Süddeutsche Zeitung

Millennials:Die Vermittler-Generation

Die Jahrgänge aus den Achtziger- und Neunzigerjahren sind im Berufsleben angekommen. Eine Studie zeigt, dass die Millennials ganz andere Vorstellungen von Karriere haben als die Unternehmen.

Von Sarah Schmidt

Wie wurde die Generation Y doch mit Skepsis beäugt. Verwöhnt und anspruchsvoll sollten sie sein, die sogenannten Millennials - die jungen, gut ausgebildeten Menschen, die nach 1981 geboren und in den Nullerjahren erwachsen wurden. Ich-zentriert, faul und unpolitisch. So unkten die Personal- und Feuilletonchefs vor einigen Jahren, als das Label "Generation Y" erfunden wurde. So skeptisch das Establishment auf den Nachwuchs schaute, so groß waren die Erwartungen, welche die jungen Menschen an sich selbst und ihre berufliche Zukunft stellten: sich nicht verbiegen, Arbeit und Leben in die richtige Balance bringen und das alles für die gute Sache. Schließlich war man als Generation der Eine-Million-Möglichkeiten aufgewachsen. Umso wichtiger: Eine Antwort auf die Frage zu finden, was Leben und Arbeiten einen Sinn gibt. Nicht zufällig wird das Y im Englischen "why" ausgesprochen, auf Deutsch "warum".

Mittlerweile sind einige Jahre vergangen. Die Generation Y hat studiert und noch einmal etwas anderes studiert, sie ist durch die Welt gereist, hat bezahlte und unbezahlte Praktika gemacht, gejobbt und gefeiert. Und nun ist die Generation Y nicht mehr die Generation von morgen, sondern von heute. Die Millennials sind jetzt Ende 20, Anfang 30, sie sind vielleicht nicht erwachsen geworden, aber doch angekommen in der Welt der Erwachsenen, im "Wenn ich mal groß bin"-Leben.

Das Wirtschaftsprüfungsunternehmen Deloitte hat in einer großen Studie mehr als 7500 "Ypsiloner" aus 29 Ländern gefragt, wie es ihnen in den ersten Jahren im Beruf ergangen ist. Und wie immer, wenn Wunschträume auf die Realität treffen, lautet die Antwort: "So lala".

Es gibt ein großes Bestreben, den Menschen stärker in den Fokus zu rücken

Die Millennials und ihr Job, das ist nicht die große Liebe, das ist eher eine Lebensabschnittspartnerschaft. Man arbeitet sich aneinander ab, man streitet, arrangiert sich, verbringt gute und schlechte Zeiten miteinander - und trennt sich wieder. 34 Prozent der jungen Deutschen wollen der Deloitte-Studie zufolge in den kommenden zwei Jahren den Arbeitgeber wechseln, international sind es sogar noch mehr - 44 Prozent. Die Befragung gibt auch sehr genau Auskunft darüber, wo es in der Beziehung zwischen Generation Y und Wirtschaft knirscht. "Diese Generation ist sich der Auswirkungen der Finanzkrise sehr bewusst", heißt es in der Studie. Gerade deshalb gebe es ein großes Bestreben, bestehende Wirtschaftsbedingungen zu verändern und den Faktor Mensch stärker in den Fokus zu rücken.

Auf die Frage, was langfristig den Erfolg eines Unternehmens sicherstellen kann, entscheiden sich 26 Prozent für Mitarbeiterzufriedenheit, ein weiteres Viertel der Befragten für ethisches Verhalten. Es folgen Kundenzufriedenheit und Verlässlichkeit, mit nur fünf Prozent Zustimmung landen profitorientierte Werte auf dem letzten Platz. Ein guter Job bedeutet für die Fach- und Führungskräfte der Generation Y neben einer fairen Bezahlung vor allem eine gute Work-Life-Balance, Weiterentwicklung, flexible Arbeitszeiten und die Möglichkeit, im Homeoffice, also Zuhause, zu arbeiten. Ob der Arbeitgeber hingegen die neueste Technik oder die Möglichkeit zu Dienstreisen anbietet, ist den Befragten ebenso egal wie Marktführerschaft oder renommiertes Führungspersonal.

Überraschender sind die persönlichen Ziele der Millennials, denn hier zeigt sich mittlerweile ein traditionelleres Bild als vor ein paar Jahren: Eigenheim, stabile Partnerschaft, finanzielle Sicherheit - das sind nun die Prioritäten.

Die Soziologin Hannah Bahl hat ihre Abschlussarbeit über die Generation Y geschrieben. Seitdem arbeitet sie als eine Art Millennial-Botschafterin und erklärt Unternehmen, wie die neuen Arbeitnehmer ticken. Einerseits kann sie die Enttäuschung der Ypsiloner verstehen, andererseits glaubt sie, dass die Erwartungen zu hoch gesteckt waren: "Wir können nicht innerhalb von drei, vier Jahren alles umstoßen, was vorher über Jahrzehnte gewachsen ist."

Immer wieder erlebt Bahl, dass Schlagworte zunächst auf großes Interesse stoßen, die Umsetzung dann aber in der Praxis scheitert. "Sich die Arbeit selbst einteilen, keine feste Arbeitsplätze, jeder bestimmt selbst, wie viel Urlaub er nimmt - das finden die meisten erst mal super." Sobald es dann aber jemanden gebe, der viel mehr arbeitet, als er eigentlich muss, heiße es dann schnell: "Das ist uns zu modern und zu frei." Unternehmen vergäßen gerne, dass Flexibilität immer auch Eigenverantwortung bedeute. Und damit haben nicht nur viele Arbeitgeber, sondern auch viele Arbeitnehmer ein Problem.

Catrin Adams kennt die Unternehmensperspektive. Sie arbeitet als Personalmanagerin für die Deutsche Bahn und berät Unternehmen zum Thema Change-Management und digitale Transformation. Sie erlebt, dass sich die Firmen in Deutschland durchaus Gedanken machen, wie man sich auf die Generation Y einstellt. Die größten Schwierigkeiten sieht Adams bei den Themen Organisation und Kultur. "Die Generation Y denkt sehr viel weniger in Hierarchien. Da stehen sich viele Unternehmen mit ihren linearen Strukturen selbst im Weg." Generell müsse das Thema Karriere neu gedacht werden, den Millennials seien klassische Boni und Status sehr viel weniger wichtig - dafür aber die Möglichkeit zur Weiterentwicklung.

"Die Generation Y denkt sehr viel weniger in Hierarchien."

Eine besondere Herausforderung im Unternehmen ist es, zwischen der Generation Y und der bestehenden Belegschaft zu vermitteln. Bei der Arbeitsweise unterscheiden sich Ypsiloner und ältere Semester am stärksten - Stichwort neue Technik. Die Generation Y, das sind auch die ersten Digital Natives, diejenigen, die sich die Möglichkeiten des Internets unbedarft und selbstverständlich erschlossen haben - und deshalb ganz selbstverständlich kollaborativ und in Netzwerken arbeiten. "Davon können Unternehmen profitieren", ist Bahn-Personalerin Adams überzeugt. Die Organisation von Wissen werde von den Ypsilonern effektiver gestaltet: "Wo große Unternehmen bislang eine Tagung veranstaltet hätten, läuft das bei Ypsilonern viel schneller und flexibler über Plattformen", sagt Adams.

Diskussionen gibt es Hannah Bahl zufolge bei dem Thema, wer welche Daten einsehen darf. "In der Generation Y geht man da unbedarfter ran, erkennt Vorteile, wenn alle, die an einem Thema arbeiten, auf gleichem Stand sind. Die Generationen davor zögern, zu viel Zugriff zu gewähren."

Sowohl Bahl als auch Catrin Adams glauben aber daran, dass es sich lohnt, Konflikte auszutragen, im Gespräch zu bleiben: "Es muss darum gehen, gemeinsam zu diskutieren, wie die Arbeitswelt von morgen für alle attraktiv werden kann", so Bahl.

So zäh das Aushandeln von Kompromissen auch sein mag, die Generation Y übernimmt eine wichtige Vermittlerrolle. Sie dolmetscht zwischen Digital Natives und Digital Immigrants, zwischen der Generation der Eltern und den jüngeren Geschwistern, den Kindern.

Die Generation Y ist Vorkämpferin für die Arbeitswelt der Zukunft. Es ist eine Generation, die immer wieder enttäuscht wird, weil sich die Gesellschaft, die Unternehmen nicht so schnell ändern, wie sie sich das wünscht. Und doch ist es die Generation, die einmal bekannt dafür sein wird, den Wandel in Bewegung gesetzt, Veränderung angestoßen zu haben.

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Quelle:
SZ vom 03.03.2016
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