Mein Kollege sagt ...:"Sonne scheint, Essen lecker"

Laut einer aktuellen Studie ist es den meisten Berufstätigen unmöglich, die Arbeit im Urlaub auszublenden. Sie checken E-Mails, hören ihre Mailbox ab - und verfassen unmögliche Urlaubsgrüße per SMS.

Julia Bönisch

Je näher ein Urlaub rückt, desto urlaubsreifer sind wir. Das ist ein psychologisches Problem, ähnlich der Sache mit der Butterbreze: Eigentlich hatte man sie für später gekauft, weil man noch gar nicht hungrig war. Doch kaum ist sie bezahlt, überfällt einen plötzlich ein riesiges Verlangen, das nur mit ebendieser Breze gestillt werden kann.

Handy Strand, dpa

Mit dem Handy am Strand: Urlaubsgrüße an die lieben Kollegen daheim.

(Foto: Foto: dpa)

Wenn man also weiß, dass etwas zum Greifen nahe ist, kann man es kaum erwarten, es zu bekommen. Das Bedürfnis nach Urlaub wächst exponentiell mit seinem Näherrücken. An unserem letzten Arbeitstag fühlen wir uns so kaputt wie nach einer kompletten Saison inklusive Champions League und Europameisterschaft.

Schwierige Balance zwischen Bemühen und Unfähigkeit

Dabei warten gerade in den letzten Tagen noch schier unlösbare Aufgaben auf uns: Wer zum Beispiel kann die Vertretung übernehmen? Einerseits will man den Laden nach der Rückkehr nicht im Chaos wiederfinden. Andererseits sollten Chef und Team schon merken, dass da jemand fehlt. Bei der Aushilfe die Balance zwischen Bemühen und Unfähigkeit zu halten, erfordert also ziemlich viel Fingerspitzengefühl.

Und wie zur Hölle stellt man den Abwesenheits-Assistenten in Outlook ein? Menschen, die auf diese Frage spontan eine Antwort wissen, haben das verdammte Ding entweder selbst programmiert, oder verdienen ihr Geld damit, es zu reparieren. Es soll Kollegen geben, die vor der Aufgabe einfach kapitulieren und Geschäftskontakten nach ihrer Rückkehr erzählen, sie hätten gerade ein E-Mail-Heilfasten hinter sich. Dass habe ihnen ihr persönlicher Karriere-Coach dringend empfohlen.

E-Mails lesen im Liegestuhl

"Ich bin dann mal weg." Wenn man endlich diesen erlösenden Satz sprechen kann, fühlt man sich selig. Endlich ausspannen, abschalten, alles vergessen.

Aber da gibt es Kollegen, die statt der Melodien der Berge den Büro-Sound im Ohr haben: "Ist der Kunde auch zufrieden? Wird das Projekt auch endlich fertig? Und was passiert, wenn die Kollegen nicht ohne mich zurechtkommen?" Chefs, die aus dem Urlaub selbst täglich in der Firma anrufen und die Treuepflicht der Mitarbeiter dergestalt auslegen, dass der Urlauber seine E-Mails auch vom Liegestuhl aus abrufen sollte, befeuern dieses Verhalten. Wenn der Tourist Blackberry und Laptop statt Fotoapparat und Reiseführer mitschleppt, sind auch Vorgesetzte und die lieben Kollegen im Geiste immer mit dabei. Und bekommen per SMS Urlaubsgrüße wie "Hat die Präsentation geklappt? Bitte nicht vergessen, Herrn Schmidt über die Work-Flow-Optimierung zu informieren! Ansonsten: Sonne scheint, Essen lecker, viele hübsche Italiener".

Auf der nächsten Seite: Der perfekte Ausweg für Kontrollfreaks, Perfektionisten und Pedanten.

"Sonne scheint, Essen lecker"

Kontaktsprerre dank Himalaja

Eine aktuelle Umfrage der Jobbörse monster.de hat ergeben, dass es den meisten Berufstätigen unmöglich ist, die Arbeit im Urlaub auszublenden. Von 12.000 Befragten gaben zwei Drittel an, sie seien in den Ferien für Kollegen und Kunden erreichbar. 24 Prozent lesen ihre E-Mails und hören ihre Mailbox ab, ein weiteres Fünftel hinterlässt für Notfälle die Kontaktdaten, und 17 sagen sogar, sie hörten im Prinzip nie mit der Arbeit auf - auch nicht im Urlaub.

Für zwanghafte Kontrollfreaks, Perfektionisten und Pedanten bleibt als einziger Ausweg eine Trekkingtour durch den Himalaja, die Alpenüberquerung per Mountainbike oder ein Segeltörn über den Atlantik. Bei solchen Urlauben ist eine exakte Positionsbestimmung einfach unmöglich. In die Spalte "Reiseanschrift" auf dem Urlaubsantrag könnten sie höchstens "irgendwo zwischen Bahamas und Bermuda" eintragen.

Außerdem sind auch Internetanschlüsse auf solchen Trips ziemlich rar. Die regelmäßige Rückversicherung, ob daheim noch alles in Ordnung ist, wird so enorm erschwert. Und ein guter Mitarbeiter sollte seinen Bereich doch so im Griff haben, dass der Laden auch mal ohne ihn läuft. Das Schlimmste, was im Urlaub meistens passiert, ist ohnehin recht banal: Entweder vertrocknen die Blumen, oder sie lernen schwimmen.

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