Früher nannte man sie Workaholics, heute heißen sie Extremjobber. Statt nine to five arbeiten sie five to nine und kommen so locker auf einen 16-Stunden-Tag. Wer keine Ringe unter den Augen hat, gilt diesen Leistungsjunkies nicht als Top-Performer und ist gleich unten durch.

Sie haben das "Allzeit bereit"-Mantra der Geschäftsführung so sehr verinnerlicht, dass sie prompt unruhig werden, sollte sich die Firma am Wochenende nicht rühren. Diese Kollegen behaupten gern von sich, unter Druck erst richtig gut zu sein. Sie begreifen ihren Job als Lebensabschnittspartner, finden ein Memo spannender als jede Unterhaltung und halten Halbtagsjobber für psychisch labile Memmen, die noch nie das Hochgefühl verspürt haben, das sich nach einem 16-Stunden-Tag mit sieben Litern Kaffee einstellt.
Postindustrielle, adrenalingesteuerte Arbeiter-Avantgarde
Glaubt man den Extremjobbern, ist eine Fünf-Tage-Woche nur etwas für Luschen. Während sich der stinknormale Durchschnittsmitarbeiter auf sein Wochenende freut und die moderne Technologie verflucht, dank derer er immer erreichbar ist, würde die postindustrielle, adrenalingesteuerte Arbeiter-Avantgarde ohne Smartphone und E-Mails am Sinn ihres Lebens zweifeln.
Das ewige Gejammer über die Pflicht zur 24-stündigen Erreichbarkeit können diese Kollegen einfach nicht mehr hören. Da am Wochenende ohnehin nur die nervige Gattin nebst den Kindern Charlotte, Amalia und Cornelius auf Unterhaltung und ein wenig Ansprache warten, kümmert er sich lieber um die Kunden. Mit denen ist er wenigstens auf einer Wellenlänge.
Missionarischer Eifer
Na schön, sollen sie machen, denken sich die übrigen Kollegen - und haben nicht mit dem missionarischen Eifer des Extremjobbers gerechnet. Er möchte auch andere in sein selbstgewähltes Schicksal zwingen und verurteilt alle, die den Samstagvormittag nicht mit dem Projekt, sondern mit Schlafen und Einkaufen verbringen.
Auf die Standard-Montagmorgen-Frage "Wie war dein Wochenende?", lautet seine Antwort: "Ich habe noch einmal alle Unterlagen durchgearbeitet und dabei ist mir aufgefallen ..." Dann berichtet er von seinen vergeblichen Versuchen, den Kollegen von seiner Entdeckung in Kenntnis zu setzen. "Ich habe dich sieben Mal angerufen, elf Mails geschrieben und 15 SMS versandt." Trotzdem - nörgelnörgel - habe es der andere nicht für möglich gehalten, sich zu melden.
So wenig wie der Extremjobber versteht, dass andere Kollegen hervorragend auf eine Störung an ihren freien Tagen verzichten können, so wenig möchte er sie selbst missen. Sollte der Big Boss, der selbstredend zur gleichen Spezies gehört, sich an einem freien Tag einmal nicht bei ihm melden, ist sein Wochenende ruiniert.
Das Revier markieren
"Warum wurde ich nicht informiert?" bellt er am Montagmorgen, nachdem am Sonntag in China ein Sack Reis umgefallen ist. Und das nicht etwa, weil er fürchtet, das Nachbeben dieses Ereignisses könnte die Grundfesten der Firmenzentrale in Europa erschüttern wie der berüchtigte Schlag des Schmetterlings den Tornado entfacht. Nein, es geht um Kompetenzen, die bloß niemand überschreiten darf, darum, das Revier zu markieren und bloß nichts zu verpassen, schlicht: darum, unersetzlich zu sein.
Dumm nur, wenn alle anderen am Wochenende abschalten und mit der Firma nichts zu tun haben wollen. Sie sollten sich im Umgang mit Extremjobbern gute Gründe für ihr freies Wochenende überlegen. Unschlagbare Ausreden lauten: Golfen mit dem Projektpartner, Fortbildung in Business-Taiwanesisch oder Rückenschule für den Chefsessel.