Süddeutsche Zeitung

Mein Kollege sagt ...:"Läuft da was?"

Büroaffären sind gut fürs Geschäft: Verliebte haben bessere Laune, arbeiten engagierter und sind gern bereit zu Überstunden. Nur das Team fühlt sich nicht selten durch die Turtelei gestört.

Julia Bönisch

Schon oft ist an dieser Stelle über Kollegen geschrieben worden, die nerven: weil sie rotzen, jammern, säuseln, faul sind, dumme Witze machen oder unverständliches Zeug brabbeln. Doch das gibt die Wirklichkeit nur unzureichend wieder. Selbstverständlich sind nicht alle Kollegen anstrengend. In den meisten Büros gibt es sogar ausgesprochen nette Kollegen.

Gefährlich wird es nur, wenn der eine Kollege den anderen ganz besonders nett findet, ja, ein wenig zu nett vielleicht. Im idealtypischen Falle ist diese Sachlage der Ausgangspunkt für eine Büroaffäre. Solch eine Situation wiederum spiegelt die Realität hervorragend wider: 2,9 Millionen der insgesamt rund 40 Millionen Erwerbstätigen ab 18 Jahren bekennen sich dazu, schon einmal eine Affäre am Arbeitsplatz gehabt zu haben, so eine repräsentative Umfrage des Ifak-Instituts in Taunusstein. Das sind starke sieben Prozent.

Überstunden in der Nähe des begehrten Subjektes

Laut Ifak lernt sich fast jedes dritte Paar am Arbeitsplatz kennen und lieben. Aus Sicht der Geschäftsführungen ist das nur zu unterstützen: Verliebte haben bessere Laune, arbeiten engagierter und sind gern bereit zu Überstunden - sofern sie die in der Nähe des begehrten Subjektes verbringen können.

Wer sich fragt, wie es überhaupt zu Büroaffären kommen kann, dem sei gesagt: Wenn der Kollege zehn Stunden pro Tag im Büro verbringt, wie soll er da noch Zeit finden, um an anderen Orten auf die Jagd zu gehen? Bedient man sich bei der Partnerwahl im Team, sind das zudem nicht die schlechtesten Voraussetzungen für eine dauerhafte Liebe. Hat ein Paar bereits zusammen gearbeitet, wissen beide schon, dass er morgens lieber nicht so gerne redet, sie mindestens drei Becher Kaffee braucht und es gar nicht leiden kann, wenn er die Unterlagen durcheinanderwirft und sich zwei Minuten verspätet.

Schwierig wird es für die Beteiligten jedoch immer dann, wenn die Fusion am Arbeitsplatz zu einer völligen Restrukturierung des Privatlebens führt, sprich: die Kollegen eigentlich noch anderswo gebunden sind. Dann läuft die Affäre in der Regel heimlich ab. Also, so heimlich wie das in einem Büro möglich ist natürlich. Alle wissen also davon, aber keiner redet darüber. Höchstens hinter vorgehaltener Hand: "Sag mal, haben die was miteinander? Läuft da was?"

Macht macht sexy

Diese Situation führt dazu, dass Romeo und Julia allen Ernstes glauben, ihre Liebelei sei noch ein großes Geheimnis, während die anderen sich bereits Gedanken machen, woher er denn das Geld für Alimente nehmen soll. Moralapostel werden an dieser Stelle einwenden, dass das reine Privatsache der Beteiligten sei. Da können wir nur zustimmen. Einfluss auf die Kollegen hat die Liaison erst dann, wenn sie sich zwischen Chef und Untergebenem abspielt und sich die eine Seite davon Vorteile verspricht.

Macht macht schließlich sexy. So klimpern aufstiegsbesessene Thirty-Somethings das Alphamännchen mit Bäuchlein an. Das setzt sich über alle Regeln hinweg und paart sich nach Belieben. Anschließend passt sein Ego durch keine Tür mehr - auch nicht durch die daheim. Dort sitzt die Ehefrau, hält dem Gatten den Rücken frei, passt auf die Kinder auf und bekämpft mit Botox jede Falte.

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