Mein Kollege sagt ...:"Kaffee ist alle"

Lesezeit: 3 min

In der Büroküche zeigt der Mitarbeiter sein wahres Gesicht. Mancher erfährt gar eine wundersame und unschöne Verwandlung.

Nicola Holzapfel

Die lieben Kollegen: Es geht nicht ohne, aber manchmal nur sehr schwer mit ihnen. Zu welchen Situationen das alltägliche Miteinander im Job führt, beschreibt eine neue Kolumne auf sueddeutsche.de . Folge 1: Kampf in der Kaffeeküche.

(Foto: Foto: iStockphoto)

Es gibt im Job-Alltag wenig, das so schnell eine große Enttäuschung auslöst wie eine leere Kaffeekanne. Nicht einmal die jährliche Nullrunde im Gehälterpoker kann ein solches Ausmaß an Frust produzieren. Beim Gehalt lernt sich der Mitarbeiter irgendwann zu bescheiden und gibt auf - nicht so beim Kaffee. Die Tasse muss voll sein. Die Chance, mit diesem Vorsatz Erfolg zu haben, ist auch wesentlich größer als mit einer Gehaltsforderung durchzukommen. Umso schlimmer, wenn es dann wider Erwarten nichts gibt. "Kaffee ist alle". Und nun?

Es gibt so viele Taktiken mit dieser Situation umzugehen, dass man die Belegschaft in unterschiedliche Kaffeetypen einteilen kann.

Am beliebtesten ist der Macher. Er greift einfach beherzt zum Kaffeepulver, um die nächste Kanne aufzusetzen.

Das ist doch selbstverständlich? Von wegen! Es ist geradezu unglaublich, welche wundersame Verwandlung manche erwiesenermaßen intelligente und hochspezialisierte Fach- und Führungskraft in der Büroküche erfährt. Ganz plötzlich kann er oder sie gar nichts mehr. Kaffee kochen? Spülmaschine einräumen? Milch holen? Bei diesen Tätigkeiten versagt so mancher Intellekt. Das heißt, eigentlich versagt er nicht, er ist nur damit beschäftigt, Alternativen auszubaldowern.

Dem Vermeider zum Beispiel überkommt in der Küche vor einer leeren Kaffeekanne urplötzlich die Lust, sofort eine Zigarette zu rauchen. Das ermöglicht ihm, sich tatenlos aus der Affäre zu ziehen. Außerdem eröffnet es ihm die Chance, dass in der Zwischenzeit vielleicht der Macher in die Küche kommt und schon mal Kaffee aufsetzt. Hmmm, frisch gebrüht, da freut er sich schon drauf.

Diese Taktik funktioniert überraschend gut. Sie führt nur dann zu nichts, wenn nach dem Vermeider der Individualist auftritt. Der Individualist hat sich nämlich schon vor langer Zeit und aus ganz grundsätzlichen Erwägungen aus der lästigen Büro-Kaffeegeschichte zurückgezogen. Er trägt immer ein gut dosiertes Töpfchen mit löslichem Kaffeepulver mit sich herum. So ist er unabhängig von dem Fehlverhalten seiner Kollegen.

Schön der Reihe nach

Am allerwenigsten kann er übrigens den General leiden. Der General nämlich schert immer alle über einen Kamm, sogar ihn, den Individualisten. Wie er das macht? Der General verordnet einfach Tage, an denen künftig die Kollegen schön der Reihe nach fürs Kaffeekochen zuständig sind. Leider vergisst er dabei versehentlich, sich selbst mit einzuplanen. Aber dafür hat er Großes geleistet. Die Kaffeeversorgung ist gesichert.

Trotzdem nimmt ihm das noch ein anderer übel, der Verwöhnte. Ihn erkennt man daran, dass er immer mit einem Strohhalm im Gesicht herumläuft. Der Verwöhnte hat sich nämlich ähnlich wie der Individualist vom allgemeinen Bürokaffee distanziert. Stattdessen hat er sich zum Hobby gemacht, im Umkreis von fünf Kilometern nach Kaffeequellen zu suchen. Ihn treibt der Ehrgeiz, irgendwann die beste und preisgünstigste zu finden. Darüber diskutiert er übrigens gerne stundenlang (dafür nimmt er dann schon mal den Strohhalm aus dem Mund).

Ein willkommener Zuhörer ist für ihn der Wankelmütige. Dieser Typus überlegt sich vor einer leeren Kaffeekanne, dass er eigentlich doch lieber im Moment keinen Kaffee trinken mag und trollt sich wieder. Wenn der Wankelmütige Glück hat und unterwegs den Verwöhnten trifft, lässt er sich von diesem dann ganz spontan Strohhalm und Kaffee mitbringen.

Patronen verschossen

Von allen Kollegen gefürchtet ist der Haferltrinker. Der Koffeinbedarf des Haferltrinkers ist so groß, dass er sich eine überdimensionale Tasse zugelegt hat. Wenn er damit zum Kaffeetrog schreitet, leert er schon mal mindestens die halbe Kanne nur für sich.

Einen noch schlechteren Ruf hat eigentlich nur der Verschlimmbesserer. Denn er meint, Lösungen für leere Kaffeekannen finden zu können. Er installiert dann neue Systeme. Plötzlich gibt es gar keine Kanne mehr, sondern portionierte Kaffeepatronen. Die sind immer dann aus, wenn man sie gerade braucht. Und kommt nicht zufällig der Macher vorbei, wird keiner Nachschub bestellen.

Was der Verschlimmbesserer einfach nicht verstehen kann: Es gibt keine Möglichkeit, der bitteren Erfahrung des Kaffee-Entzugs zu entgehen. Nicht, solange mehrere Menschen im Büro zusammenarbeiten.

© sueddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: