Freitags ab eins macht jeder seins: Was wäre das schön. Mal in Ruhe einkaufen, Wäsche waschen oder die Wohnung putzen, so dass man Samstag und Sonntag tatsächlich ganz der Erholung oder den Kindern widmen kann.
Nicht umsonst lautete die Losung der Gewerkschafter in den fünfziger Jahren: "Samstags gehört Papi mir". Damit setzten sie die Fünf-Tage-Woche durch - und hatten dabei die Weiterentwicklung moderner Informationstechnologien offensichtlich nicht auf dem Zettel.
Mal ehrlich: Sie legen doch auch Ihr Firmen-Smartphone abends auf den Nachttisch und checken ständig jede E-Mail. Und Sie haben bestimmt schon häufiger gedacht, Ihr Handy klingele, obwohl Sie niemand anrief. Oder sind Sie schon so weit sich einzubilden, Sie spürten den Vibrationsalarm?
"Seid allzeit bereit!"
Wir hier arbeiten ja in einer Firma, in der es erst gar keine Dienst-Handys gibt. Das hat nicht etwa zur Folge, dass wir in unserer Freizeit in Ruhe gelassen werden und samstags machen könnten, was wir wollten. Nein, unsere privaten Handynummern sind selbstverständlich Teil des internen Adressbuches und stehen auf jeder Telefonliste am Schwarzen Brett.
Hunderte Manager nutzen diese Strategie. Sie dient nicht etwa dazu, das Team untereinander besser zu vernetzen und zum gemeinsamen Bier am Wochenende zu animieren. Nein, so eine Liste privater Handy-Nummern signalisiert: "Seid allzeit bereit! Ihr müsst brennen! Let's rock!" Deutlicher kann die Geschäftsführung ihr Credo nicht machen.
Natürlich rufen die Kollegen einen dann auch am Wochenende - oder noch besser: im Urlaub oder bei Krankheit - an. "Ich stör ja nur ungern, aber..." Die Liste der Begehrlichkeiten ist lang: mal eben den Projektantrag durchgehen, wichtige Kontaktdaten weitergeben, von zu Hause aus schnell was fertig schreiben, Unterlagen durchackern, den Dienstplan besprechen.
Flucht ins Funkloch
So wird der Mitarbeiter Teil der 24-Stunden-Dienstleistungsgesellschaft, der selbst nicht abschalten darf und immer funktionieren muss. Unglaublich: Wir schuften wie verrückt, obwohl wir doch immer mehr von Maschinen erledigen lassen könnten. Irgendwann herrschen hier japanische Verhältnisse. Dort lassen die Menschen durchschnittlich zehn von nur 18 Urlaubstagen verfallen.
Im Land der aufgehenden Sonne gibt es sogar ein eigenes Wort für den Tod durch Überarbeitung. "Karoshi" hat im Jahr 2007 laut japanischem Arbeitsministerium 147 Opfer gefordert. Um diesem traurigen Ende zu entgehen, hilft an freien Tagen nur noch die Flucht ins Funkloch.
Es soll noch einen einsamen Flecken in der Nähe von Oberammergau geben, wo man tatsächlich keinen Handy-Empfang hat. Dort ist man vor Kontaktversuchen der Kollegen sicher - vorausgesetzt, die flüchten sich nicht auch dorthin.