Mein Kollege sagt ...:"Gehst du mit mir essen?"

Wer immer nur mit seiner Lieblingskollegin in die Kantine schlurft, begeht einen folgenschweren Fehler. Denn für die Karriere ist strategisches Essengehen unerlässlich.

B. Vorsamer

Wer immer nur mit seiner Schreibtischnachbarin und Lieblingskollegin in die Kantine wackelt, begeht einen folgenschweren Fehler. Beim Essen entstehen die besten Ideen, es werden Gerüchte ausgetauscht und Beziehungen gepflegt.

Mein Kollege sagt ...: Sushi in der Mittagspause: Der einzig mögliche Fauxpas ist es, überhaupt nicht mit den Kollegen essen zu gehen.

Sushi in der Mittagspause: Der einzig mögliche Fauxpas ist es, überhaupt nicht mit den Kollegen essen zu gehen.

(Foto: Illustration: Astrid Müller)

Wer richtig mitessen will, sollte ein paar Regeln beachten. Am einfachsten ist das in "Wir-gehen-immer-alle-zusammen-in-die-Kantine"-Abteilungen. Der einzig mögliche Fauxpas ist nämlich, nicht mitzukommen. Die Mittagspause beginnt, wenn der erste Kollege mit der Frage "Wer kommt mit?" durch die Gänge zieht, woraufhin sich alle um ihn scharen und im Gänsemarsch Richtung Essensausgabe pilgern. Zum Lästern eignen sich solche Großrunden nicht - außer man sucht sich eine andere Abteilung als Opfer.

Komplizierter wird die Mittagspausengestaltung in Firmen, in denen jeder essen geht, wann, wo und mit wem er will. Obwohl auf die Dauer jeder seine Lieblingsmitesser findet, heißt die erste Regel: Jeder sollte mit jedem einmal essen gehen. Es soll sogar Firmen geben, in denen die gegenseitige Essenseinladung quer durch alle Abteilungen erwünscht ist - egal, ob man miteinander zu tun hat oder nicht.

Das ist vielleicht ein wenig übertrieben. Doch ein gelegentlicher Treff mit Kollegen von der anderen Abteilung kann die tägliche Arbeit sehr erleichtern. So macht sich der ein oder andere Espresso mit den Technikern beim nächsten Computerabsturz garantiert bezahlt.

Das weiß der Kollege vom Typ "Darf-ich-dich-zum-Essen-einladen?" Er ist üblicherweise männlich, gehört dem mittleren Management an und ist Stammgast in allen kleinen Pizzerien und Trattorien der Umgebung. Diese besucht er besonders gerne mit Vorgesetzten. Bei Penne mit Rucolapesto klagt er dann über seine Arbeitsbelastung, wirbt für seine neueste Idee und bringt sich ins Gespräch für die nächste Beförderungsrunde. Und hat der Chef keine Zeit, darf die Praktikantin mit den schönen Beinen auch mal mit zu "Da Bruno".

Weiter geht es mit der Klatschtante, dem Unterhalter und dem Gourmet. Woran Sie sie erkennen und warum man mit ihnen essen gehen sollte.

"Gehst du mit mir essen?"

Eine bessere Gesprächspartnerin ist allerdings die Klatschtante. Ein Mittagessen mit ihr empfiehlt sich besonders, um sich nach längerer Abwesenheit wieder auf den neuesten Stand zu bringen. Sie weiß, wer mit wem (nicht mehr auskommt), wer als Nächstes kündigt und wie die Stimmung in der Chefetage ist. Von sich selbst sollte man ihr allerdings nicht zu viel preisgeben - schließlich geht sie morgen mit einem anderen Kollegen essen.

Wenn die Klatschtante mit ihresgleichen in die Kantine geht, entsteht eine Lästerrunde. Hier teilen Kolleginnen nicht nur den Apfelstrudel und die neuesten Gerüchte - möglicherweise entwickeln sie auch Strategien, um bei der nächsten Sitzung ihre Ziele durchzusetzen. Wer zu dieser Runde nie dazugebeten wird, sollte sich vorsehen.

Wem nicht der Sinn nach Gekungel steht, der sollte sich mit dem Unterhalter verabreden. Das bringt zwar karrieretechnisch wenig, dafür ist ein Essen mit ihm ein Angriff auf die Bauchmuskeln und löst Nackenverspannungen. Dabei ist immer zu beachten, alles runterzuschlucken, bevor er wieder eine Pointe loslässt. Er ist es zwar gewohnt, wird aber trotzdem ungern mit zerkauten Tomatenravioli besprüht.

Schließlich gibt es dann noch zwei Unterarten des Typs "Der-Kantinenfraß-schmeckt-mir-nicht". Die eine ist der Gourmet, böswillige Menschen nennen ihn auch das Trüffelschwein. Er kennt alle Restaurants in der Umgebung von 100 Kilometern und weiß genau, wo es wann den besten Fisch gibt. Für ein gutes Essen scheut er weder Zeit noch Geld, weswegen seine Mittagspause häufig bis 16 Uhr dauert. Doch wer nachmittags keine Termine mehr hat, sollte sich ihm unbedingt anschließen, denn so lecker kocht die Kantine selten.

Den Kühlschrankesser kann das jedoch nicht locken. Dieser Mitarbeiter lebt meist makrobiotisch, vegan oder macht strikte Trennkost, weswegen er sein mitgebrachtes Essen alleine in der Kaffeeküche verzehrt. Damit katapultiert er sich natürlich selbst aus dem Team. Und braucht sich nicht zu wundern, wenn er als Einziger nie den neuesten Klatsch mitkriegt, nie auf die Partys des Unterhalters eingeladen wird und bei interessanten Projekten die Deppenarbeit machen muss. Und schließlich kriegt der Kollege vom Typ "Darf-ich-dich-zum-Essen-einladen?" die Beförderung.

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