Mein Kollege sagt ...:"Der Fisch stinkt vom Kopf her"

"Entlassung: Sekretärin schredderte alle Akten", "Kopf ab - Mobbing-Opfer nahm blutige Rache": Wer solche Meldungen liest, weiß: Daran war der Chef schuld.

Julia Bönisch

Neid ist eine zutiefst menschliche Eigenschaft. Natürlich würden wir alle am liebsten genauso viel verdienen wie der Chef. Wir sähen gern so gut aus wie seine Frau und wünschen uns - na gut, nicht unbedingt seinen Intellekt, aber sein Durchsetzungsvermögen, das ihn dorthin gebracht hat, wo er heute steht.

Mein Kollege sagt ...: Der Fisch stinkt vom Kopf her: Wenn der Kollege unzufrieden mit der Führungsetage ist, macht er nur noch Dienst nach Vorschrift.

Der Fisch stinkt vom Kopf her: Wenn der Kollege unzufrieden mit der Führungsetage ist, macht er nur noch Dienst nach Vorschrift.

(Foto: Illustration: Astrid Müller)

Wer nun behauptet, er wäre nicht gern so reich, schön oder schlau wie die Reicheren, Schöneren und Schlaueren, der lügt. Man kann eben nicht alles haben, das kann man sich ruhig eingestehen.

Weil es aber trotzdem nicht immer leicht ist, mit seinen Schwächen umzugehen, suchen wir uns ein Ventil: das Lästern. So rotten sich viele Mitarbeiter nach der Arbeit zusammen und schluchzen in ihr Bier. Sie beschweren sich über ihre monotonen Aufgaben, das miese Gehalt und vor allem über die faulen, hinterlistigen oder unfähigen Kollegen.

Resigniertes Schulterzucken

Nein, was läuft da nicht alles schief: Da werden Budgets überzogen, Mitarbeiter gemobbt, der Kaffee aus der Küche, das Papier aus dem Drucker und das Klopapier von den Toiletten geklaut. Und zu allem Überfluss weiß der Chef Bescheid - und unternimmt nichts dagegen!

So fällt irgendwann unausweichlich der Satz: "Tja, der Fisch stinkt eben vom Kopf her." Dazu ein resigniertes Schulterzucken, kombiniert mit einem tiefen Stoßseufzer.

Innere Kündigung und Sabotage

Wie und wo diese Redensart entstand, ist nicht geklärt. Wohl aber ist sie angeblich wissenschaftlich bewiesen: Schlechte Chefs können ein Unternehmen in den Abgrund reißen. Nach einer Untersuchung der Unternehmensberatung Proudfoot Consulting kostet Produktivitätsverschwendung, die in Vergehen und Schwächen der Führungsetage begründet ist, die deutsche Wirtschaft 157 Milliarden Euro im Jahr. Und laut einer Umfrage des Münchner Geva-Instituts fühlt sich nur jeder zweite Mitarbeiter von seinem Boss anerkannt. Das wiederum führt zu Dienst nach Vorschrift, der inneren Kündigung oder, noch schlimmer, Sabotage.

"Nach Entlassung: Frustrierte Sekretärin schredderte sämtliche Akten", "Gefolterte Geisel war Chef des Täters", oder: "Kopf ab - Mobbing-Opfer nahm blutige Rache!", lesen wir dann am Frühstückstisch unter der Rubrik "Vermischtes".

Auf der nächsten Seite: Warum sich der Kollege zurücklehnen und selbstgerecht die Arme vor der Brust verschränken kann.

"Der Fisch stinkt vom Kopf her"

Ranzige Fische im brackigen Wasser

"Der Fisch stinkt vom Kopf her": Da ist es ein Leichtes, sämtliche Unternehmen zu übelriechenden Tümpeln erklären, in denen sich dicke, ranzige Fische im brackigen Wasser suhlen und die kleinen Fische aller Möglichkeiten der Entfaltung berauben.

Einerseits mag das für einige Unternehmen sogar zutreffen. Andererseits ist dieser Satz natürlich wunderbar bequem: "Der Chef ist schuld, ich kann ja nichts dafür. Und ändern kann ich selber auch nichts, denn der Impuls müsste von oben kommen." Dazu lehnt der Kollege sich zurück, verschränkt selbstgerecht die Arme vor der Brust und schaut zu, dass er möglichst pünktlich Feierabend macht.

Bleibt als letzter Ausweg der Gang in die Selbständigkeit: endlich selber Chef sein, bestimmen wer was darf und wie die Sache laufen soll. Man muss nur bereit sein, den Preis für diese Freiheiten zu bezahlen: Wenn sich die Untergebenen mal wieder beschweren, dass jemand ganz unangenehm riecht, hilft auch kein Eau de Cologne mehr.

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