Mein Kollege sagt ...:"Ach, du auch hier?"

Abschalten am Wochenende ist kompliziert, wenn man in Kneipen und Restaurants per Zufall auf Kollegen trifft. Der erste Reflex: weggucken, bis die Augen schmerzen.

Julia Bönisch

Der schönste Moment der Arbeitswoche ist eindeutig der Freitagnachmittag: Welch Trost, auch die unerledigten Punkte auf der To-do-Liste ("um Termin beim Chef bitten - mehr Fairness und Respekt!" und "Kollegin X um Klarstellung bitten, dass die super Projektidee von mir kam") kurzerhand durchzustreichen.

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(Foto: Illustration: Astrid Müller)

Welch erhabenes Gefühl, den Stapel ungelesener Papiere schwungvoll in den Altpapiercontainer zu donnern - am Montag wird ohnehin niemand mehr danach fragen.

Welche Wohltat, den Computer endgültig herunterzufahren - ohne einen Neustart durchführen zu müssen, weil die Kiste mal wieder abgestürzt ist. (Eine britische Studie hat übrigens ergeben, dass Angestellte mit PC-Problemen einfach den Arbeitsplatz verlassen und hoffen, das Rechnerproblem habe sich bei ihrer Rückkehr von selbst gelöst.)

Was, der Typ hat ein Privatleben?

Wie erleichternd, dem nervigen Kollegen ein zuckersüßes "Schönes Wochenende" zuzuwerfen - in der Hoffnung, er möge sich beim Ausflug in die Berge vielleicht die Haxen brechen und die nächsten sechs Wochen krankgeschrieben sein.

Endlich Ruhe. Die Hochstimmung wird allein durch das Wissen getrübt, dass der Zustand der Glückseligkeit nur zwei Tage anhalten wird. Doch am Wochenende ist endlich Zeit, abzuschalten, sich auszuruhen und das Büro völlig zu verdängen.

Bei einem Konzert, einem Essen im gemütlichen Restaurant oder in einer Bar kann man ja tatsächlich wunderbar abschalten - würde man dort nicht ausgerechnet Kollegen begegnen. Erstaunlicher Weise trifft man abends und am Wochenende immer diejenigen, denen man unter keinen Umständen ein Privatleben zugetraut hätte.

Geheuchelte Überraschung

Der Typ mit dem Handy am Gürtel, dem beigen Pulli und dem Kassengestell auf der Nase sollte doch am Samstagabend eigentlich auf dem Sofa sitzen, "Verstehen Sie Spaß?" schauen und dazu Salzbretzen aufs Sofa krümeln.

Deshalb ist der erste Reflex: nichtwahrhabenwollen und ignorieren. Da es dem Kollegen meist genauso geht, tun beide die nächste halbe Stunde so, als hätte man sich gar nicht gesehen. Bis sich plötzlich doch die Augen treffen. Dann: geheuchelte Überraschung. "Ach, du bist auch hier?! Ich hab dich gar nicht gesehen! Wie geht's denn?"

Auf der nächsten Seite: Was passiert, wenn die peinliche Cousine vom Land dabei ist - oder der neue Flirt des Kollegen.

"Ach, du auch hier?"

Wenn sieben Mal der Blitz einschlägt

Wie kann es sein, dass man in einer Millionenstadt mit Hunderten Kneipen ausgerechnet in der landet, in der auch der Kollege sitzt? Verstärkt wird die Peinlichkeit dieser Begegnung durch die Tatsache, dass man bei einem solchen Aufeinandertreffen prinzipiell von der peinlichen Cousine vom Land begleitet wird oder das Gegenüber den neuen Flirt an seiner Seite hat. Und insgeheim verflucht man die Macht des Zufalls.

Wenig tröstlich, dass die Macht des Schicksals noch ganz anderes vermag. Man denke Park Ranger Roy Sullivan, der in seinen 35 Berufsjahren erstaunliche sieben Mal vom Blitz getroffen wurde. Oder Carolyn Cummins, die fünf ihrer sieben Kinder an einem 20. Februar zu Welt brachte - in verschiedenen Jahren wohlgemerkt. Und da wären noch die finnischen Zwillinge Lauri und Elmer Impola, die am gleichen Tag unabhängig voneinander von einem Laster überfahren wurden.

Wenn man am Montagmorgen wieder ins Büro geht, ist deshalb die erste Amtshandlung, eine neue To-do-Liste anzulegen. Ihr erster Punkt: "Im Internet nach neuen Kneipen in der Nachbarstadt suchen."

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