Mehr Chancengleichheit:Merkel ruft "Bildungsrepublik" aus

Kanzlerin Merkel will Bildungspolitik zur Chefsache machen. Höchste Zeit: Denn der Bildungsbericht 2008 bestätigt bekannte Probleme.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will die Bildungspolitik zur Chefsache machen. Unter dem Motto "Bildung für alle" soll mehr Menschen der soziale Aufstieg ermöglicht werden.

Bildung, ap

Alle Kinder sollen die gleichen Chancen auf sozialen Aufstieg haben - Kanzlerin Angela Merkel will Bildung zur Chefsache machen.

(Foto: Foto: AP)

"Wohlstand für alle heißt heute und morgen: Bildung für alle", sagte Merkel bei einem Festakt zum 60-jährigen Bestehen der sozialen Marktwirtschaft in Berlin. "Ich selbst werde mich auch ganz persönlich dieser Sache annehmen, unter anderem mit einer Bildungsreise durch die Bildungsrepublik Deutschland."

Im Oktober werde es ein Spitzentreffen mit den Ländern geben, die für die Bildungspolitik zuständig sind. Merkel will aber eigene Akzente setzen. Die Bürger interessierten sich nicht für Zuständigkeiten. "Sie erwarten, dass die Verantwortlichen gemeinsam dazu beitragen, dass unser Bildungssystem jedem die Chance auf Einstieg und Aufstieg ermöglicht. Und genau diese Erwartung will ich erfüllen", sagte die Kanzlerin.

Unterdessen haben Bund und Länder zum zweiten Mal einen gemeinsamen Bildungsbericht vorgelegt. Die Erhebung wurde als Reaktion auf das schlechte Abschneiden Deutschlands bei der ersten Pisa-Studie 2001 geschaffen und soll einen Überblick über das Bildungswesen in Deutschland geben, von der frühkindlichen Bildung bis zur Hochschulausbildung. Das 330 Seiten starke Buch wurde von einem Wissenschaftler-Team zusammengestellt. Er hat einige zentrale Ergebnisse erbracht.

Mehr frühkindliche Bildung, weniger Hauptschüler So zeigte sich im Bereich der frühkindlichen Bildung, dass die Zahl der Dreijährigen, die bereits einen Kinderhort mit frühkindlichen Bildungsangeboten besuchen, zwischen 2004 und 2007 um zehn Prozentpunkte gestiegen ist - auf 90 Prozent im Osten und knapp 80 Prozent im Westen. Fast alle Vier- bis Fünfjährigen besuchen Kindergärten.

Ein Trend, der weitergeht - wenn auch langsamer als in früheren Jahren - ist, dass es immer weniger Hauptschüler gibt - dafür mehr Realschüler und Gymnasiasten. Im Schuljahr 2006/2007 gingen bundesweit 18,9 Prozent der Fünftklässler in eine Hauptschule - 2,6 Prozentpunkte weniger als im Schuljahr 2004/2005. Der Anteil der Fünftklässler im Gymnasium stieg im gleichen Zeitraum um 2,3 Prozentpunkte auf 39,9 Prozent.

2006 verließen 76.000 junge Menschen ohne Hauptschulabschluss die Schule - das waren 7,9 Prozent des Altersjahrganges. Zehn Jahre zuvor waren es 8,7 Prozent. Vielfach kann der Abschluss nachgeholt werden. Doch im Alter von 18 bis 24 Jahren haben immer noch 2,4 Prozent keinen Abschluss und befinden sich auch nicht mehr im Bildungssystem. Dieser Wert hat sich seit 2000 sogar leicht erhöht.

Problem Hauptschule

Nur 43 Prozent der Hauptschüler finden in den ersten sechs Monaten nach Schulende eine weitere qualifizierende Ausbildung. Die anderen drehen "Warteschleifen" oder machen Zusatzkurse. Auch 30 Monate nach Schulende sind immer noch 40 Prozent der Hauptschüler nicht in eine Berufsausbildung vermittelt.

Nach wie vor verzichten laut Bericht zu viele junge Menschen auf ein Studium. Die Studienanfängerquote am Altersjahrgang lag 2007 mit knapp 37 Prozent immer noch unter dem Höchststand von 39 Prozent (2003). Sie ist damit weiterhin deutlich unter der politischen Zielmarke von 40 Prozent.

Auch die Beteiligung an Weiterbildung stagniert. Laut Bericht sind auch die Angebote der Unternehmen zwischen 1999 und 2005 "merklich gesunken". Es gebe eine Diskrepanz zwischen öffentlicher Rhetorik über lebenslanges Lernen und der tatsächlichen Beteiligung. Vor allem Ältere und schlecht Qualifizierte müssten für mehr Weiterbildung gewonnen werden.

Viele alte Lehrer

1,5 Millionen Erzieher, Lehrer und Hochschulmitarbeiter betreuen und unterrichten derzeit 17 Millionen Menschen. Doch der qualifizierte Berufsnachwuchs für Kinderhorte und Schulen, aber auch für die Wissenschaft wird immer knapper. Allein für den Ausbau der Betreuungsangebote für unter Dreijährige werden laut Bericht bis zu 80.000 zusätzliche Fachkräfte benötigt.

An den Schulen ist jeder zweite Lehrer älter als 50. In den nächsten 15 Jahren geht etwa die Hälfte der heutigen Lehrkräfte in Pension. Heute schon fehlen Lehrer für Mathematik und Naturwissenschaften.

Der Anteil der Bildungsausgaben am Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist rückläufig. Zwar haben Staat und Wirtschaft 2006 mit 142,9 Milliarden Euro fast 15 Milliarden Euro mehr für die Bildung ausgegeben als noch 1995. Bezogen auf das BIP sank jedoch der Anteil im gleichen Zeitraum von 6,9 Prozent (1995) auf 6,2 Prozent (2006). Damit liegt Deutschland unter dem Schnitt der anderen Industriestaaten.

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