Meetings im Job:Mit der Einstellung von Arjen Robben

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Wären nur alle wie er - also wenigstens im Job: Fußballer Arjen Robben.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Meetings im Job nerven, halten Beteiligte von der eigentlichen Arbeit ab und führen ohnehin meist zu absolut nichts - so weit jedenfalls das Vorurteil. In seinem Buch "Schwarmdumm. So blöd sind wir nur gemeinsam" (Campus Verlag) erklärt Gunter Dueck, warum Konferenzen tatsächlich regelmäßig ergebnislos enden - und wie sich Arbeits- und Lebenswelt viel klüger strukturieren ließen.

Dueck war Mathematikprofessor an der Universität Bielfeld und später Cheftechnologe bei IBM. Seit 2011 ist er im Ruhestand und konzentriert sich auf seine Tätigkeiten als Redner und Autor.

Interview von Matthias Kohlmaier

SZ.de: Herr Dueck, in Ihrem Buch heißt es, Meetings im Job seien die Keimzelle der Schwarmdummheit. Wann ist Ihnen dieser Gedanke erstmals gekommen?

Gunter Dueck: Ich musste ein Assessment-Center durchlaufen, als ich Manager werden wollte. Da hat man mich gefragt, was ich in der Firma am nervigsten fände. "Blöde Meetings", habe ich geantwortet und auf Nachfrage ergänzt: "Meistens ist mir nach ein paar Minuten klar, wohin die Besprechung führt, aber wir müssen trotzdem noch eine Stunde sitzen bleiben und leiden."

Wie lassen sich solche Meetings ersetzen oder wenigstens produktiver gestalten?

So ohne Weiteres wohl gar nicht - man müsste schon an die Wurzel des Problems gehen.

Wo liegt denn Ihrer Meinung nach das Problem?

Es fängt schon damit an, dass sich Unternehmen planmäßig überlasten - zum Beispiel mit Vorgaben wie: Wir wollen doppelt so schnell wachsen wie der Markt, mindestens aber zweistellig. Das sind naive Utopien, man nimmt sich Dinge vor, die nicht zu schaffen sind. Um die Wachstumsziele doch irgendwie zu erreichen, treiben Unternehmer Mitarbeiter in Überstunden, daraus folgen über kurz oder lang Terminprobleme innerhalb der Firma. Alle haben so viel zu tun, dass sie keine Zeit mehr haben, untereinander vernünftig zu kommunizieren.

Na ja, ein kurzer Plausch an der Kaffemaschine ist doch gewiss auch dann noch drin.

Meiner Erfahrung nach lässt das ab einem bestimmten Maß an Überlastung merklich nach. Es bleibt dann kaum noch Zeit, sich informell auszutauschen. Alle Konflikte oder Störungen, die man gewöhnlich bei einem Mittagessen beilegen kann, werden plötzlich offiziell, weil alle Kollegen mit dem Erreichen von Wachstumszielen beschäftigt sind.

Unter Stress werden also Problemchen plötzlich Teil von offiziellen Meetings?

Genau. Für die ganzen kleinen Differenzen werden irgendwann stundenweise sogenannte Abstimm-Meetings abgehalten. So etwas war zu früheren Zeiten, als Zusammenkünfte im Job einen völlig anderen Stellenwert hatten, undenkbar. Damals waren Konferenzen selten und quasi eine feierliche Sache. Da ging man einfach hin, Punkt. Heute haben die Menschen meist so viel zu tun, dass es völlig akzeptiert ist, bei einem Meeting zu fehlen, wenn man eine vernünftige Ausrede hat.

Wollen wollen statt müssen müssen

Wozu führt das?

Es sind nur vielleicht zwei Drittel der erforderlichen Mitarbeiter bei einem Meeting anwesend, nichts kann final beschlossen werden, man vertagt sich - wieder und wieder. Dadurch wirkt es im Endeffekt so, als würde die Entscheidungsfindung immer komplizierter. Dabei ist diese vermeintliche Komplexität bloß eine Folge der Überlastung und diese wiederum eine Folge der utopischen Ziele.

Mehr Realismus in den Führungsetagen von Unternehmen könnte also zu sinnvollerem Arbeiten und damit produktiveren Meetings führen?

Ja, das glaubt aber dummerweise keiner. Heutzutage gibt es zu jedem Arbeitsprozess Auswertungen. Führungskräfte wissen immer exakt, welche Abteilung was leistet und wie viel Umsatz sie damit produziert. Leider verführt das Schauen auf Zahlen dazu, sich immer höhere Umsätze und Gewinne zu wünschen. Also kommuniziert der Chef an seine Untergebenen: Legt mal noch eine Schippe drauf! Das ist der naive Wunsch nach mehr vom Gleichen, so nennt man das in der Psychologie - und ordnet es als eines der ersten Anzeichen von Verrücktheit ein.

Davon ausgehend, dass nicht alle Chefs verrückt sind und ab und zu auch vernünftige Ziele vorgeben: Was kann der einzelne Teilnehmer zum Gelingen eines Meetings beitragen?

Wenig, um ehrlich zu sein. Sie könnten protestieren, wenn Sie den Nerv dazu haben. Das ginge etwa so: Sie sitzen in einer Konferenz und sollen zu einem Thema brainstormen, frei denken. Dann könnten Sie gleich zu Beginn fragen: "Darf ich auch eine Idee haben, die Geld kostet?" Dann heißt es gewöhnlich, man wolle die Entwicklung der Diskussion abwarten. Dann fragen Sie: "Wenn ich in diesem Meeting eine Wahnsinnsidee habe, die aber zehn Millionen kostet: Setzen wir sie dann um?" Dann werden die Führungskräfte nervös, weil die gewöhnlich am liebsten gar kein Geld ausgeben würden. Dann fragen Sie: "Darf ich eine Idee haben, die erst nach einem Jahr fruchtet?" Spätestens dann sollte allen Beteiligten klar werden, dass das mit diesen Meeting nichts wird.

Gunter Dueck, IBM

"Heute haben die Menschen meist so viel zu tun, dass es völlig akzeptiert ist, bei einem Meeting zu fehlen, wenn man eine vernünftige Ausrede hat", sagt Gunter Dueck.

Mit welcher Einstellung müssen sich denn Vorgesetzte und Mitarbeiter zu einem Meeting treffen, damit etwas dabei herauskommt?

Die meisten Meetings betreffen Menschen, die zusammenkommen müssen und ein Problem lösen müssen. Daraus entsteht in den allermeisten Fällen Schwarmdummheit. Schwarmintelligenz dagegen kann entstehen, wenn Menschen zusammenkommen wollen und ein Problem lösen wollen. Für das Gelingen einer Konferenz ist es zwingend nötig, dass die Teilnehmer es sinnvoll finden, angesprochene Probleme anzugehen. Wenn ihnen nur befohlen wird, sich mit irgendwas zu beschäftigen, sie das aber völlig unwichtig finden, ist der Misserfolg programmiert.

Im Fazit Ihres Buches wünschen Sie sich Manager, die so führen, "als ob sie ein Freiwilligen-Team vor sich hätten".

Das ist die Idealvorstellung. Bis die aber erreicht ist, muss ein Vorgesetzter unendlich viele Einzelgespräche führen und Arbeit investieren, um sie als Freiwillige wirklich zu gewinnen. Es bedarf einer Menge Coaching, um einen intelligenten Schwarm zu formen. Wenn es aber tatsächlich so weit kommt, dass die Angestellten arbeiten, als wären sie freiwillig da, dann kann der Chef im Prinzip nach Hause gehen. Denken Sie an Arjen Robben, der immer sagt: "Ich will das Spiel genießen!" Wenn alle elf Spieler einer Mannschaft diese Einstellung haben, gewinnt sie fast ohne Trainer.

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