Medizin:Kein Beweis für Maßlosigkeit

Der Body-Mass-Index ist eine umstrittene Richtschnur: Neue Studien haben gezeigt, dass leichtes Übergewicht die Lebenserwartung keineswegs senkt und Gewicht und Leistungsfähigkeit nicht unbedingt zusammenhängen.

Von Ina Reinsch

Übergewicht wird über den sogenannten Body-Mass-Index (BMI) ermittelt. "Ab einem BMI von 25 spricht man von Übergewicht, ab 30 von Adipositas", erklärt Professor Matthias Blüher, Leiter der Adipositas-Ambulanz für Erwachsene an der Universitätsklinik Leipzig. Starkes Übergewicht gehe häufig mit Begleiterkrankungen wie Bluthochdruck, Diabetes Typ II oder Gelenkproblemen einher. Als Krankheit sei Adipositas als solche in Deutschland aber nicht anerkannt, so der Mediziner.

Doch in letzter Zeit mehrt sich die Kritik an der reinen Betrachtung des BMI. "Man hat festgestellt, dass leichtes Übergewicht nicht, wie bislang angenommen, die Lebenserwartung einschränkt", sagt Blüher. Zudem gebe es auch sportliche und gesunde Menschen, die aufgrund ihrer größeren Muskelmasse einen höheren BMI vorzuweisen haben. Vor allem aber kann man eines nicht: "Pauschal sagen, dass Menschen mit Übergewicht weniger leistungsfähig sind."

Übergewichtige Menschen sind außerdem keineswegs einfach nur maßlos, wie viele meinen. Starkes Übergewicht hat andere Ursachen: ein ungünstiges Essverhalten, ein verlangsamter Stoffwechsel oder eine ungünstige Bakterienbesiedlung des Darms. "Das sind allerdings alles Faktoren, die von den Betroffenen nicht gut beeinflussbar sind", sagt Blüher, "denn aus Studien weiß man, dass bis zu 70 Prozent der Übergewichtsprobleme vererbt sind." Für die Betroffenen sei Übergewicht damit kaum zu verhindern, so der Arzt.

© SZ vom 02.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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