Marode Schulen in Berlin:"Verheerende Zustände"

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Deckenplatten fallen ins Klassenzimmer,Toiletten sind unbenutzbar: Berliner Schulen stehen vor dem Aus. Verzweifelte Eltern beschweren sich bei Schulsenator Zöllner.

C. von Bullion, Berlin

Nach dem Hilferuf von 68 Schulleitern, die katastrophale Zustände an ihren Einrichtungen beklagen, fordern Elternvertreter und Parteien in Berlin neben mehr Geld für Schulen vor allem Strukturreformen und mehr Engagement der Lehrer. "Die Kritik der Schulleiter ist berechtigt, es ist aber nicht damit getan, in einer Ad-hoc-Aktion Wände zu streichen", sagte der Vorsitzende des Landeselternausschusses Berlin, Andre Schindler. Die Schulen müssten sich gerade in sozialen Brennpunkten "mehr Mühe geben", Kinder bildungsferner Familien auszubilden.

Berlins Schulsenator Jürgen Zöllner: Eltern fordern von ihm Hilfen für Berliner Schulen. (Foto: Foto:)

Neben zusätzlichem Personal wünsche sie sich mehr Offenheit der Lehrer für neue Unterrichtsformen, sagte die Vorsitzende der Berliner Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Rosemarie Seggelke. "Das ganze Schulsystem ist dringend reformbedürftig", erklärte der schulpolitische Sprecher der Berliner CDU, Sascha Steuer.

Im Berliner Bezirk Mitte, zu dem neben dem Regierungsviertel auch Stadtteile mit vielen sozial schwachen Familien und Zuwanderern gehören, hatten sämtliche Schulleiter sich mit einem Hilferuf an den Berliner Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) gewandt und erklärt, der Bezirk Mitte stehe "vor seinem bildungspolitischen Aus". Der Zustand der Schulen sei verheerend.

50 Millionen Euro für Schulbauten

An der Gustav-Falke-Grundschule im Wedding etwa sei seit 20 Jahren nicht renoviert worden, die Klassenzimmer würden von Eltern instand gehalten, sagt Schulleiterin Karin Müller. Der Dachstuhl, der mit giftigem Holzschutzmittel verseucht sei, könne nicht saniert werden, es gebe dafür kein Geld. Eltern anderer weiterführender Schulen berichten, es existiere bei ihnen weder ein Physiksaal noch ein einziges Mikroskop, Turnhallen seien unbenutzbar, weil das uralte Parkett sich aufwerfe, anderswo fielen Deckenplatten in Klassenzimmer. Die Toiletten seien kaum zu betreten, Hausmeister würden nicht finanziert.

Dass der Berliner Senat 50 Millionen Euro für Schulbauten versprochen hat, halten die Rektoren aus Berlin-Mitte für unzureichend. Neben baulichen Missständen mache ihnen auch eine sich ständig verschlechternde Sozialstruktur zu schaffen. In vielen Schulen haben mehr als 80 Prozent der Kinder nicht-deutsche Eltern. Integration sei da nicht mehr möglich, Kinder bildungsstarker Familien wanderten in Privatschulen ab.

Herkömmlicher Frontalunterricht

Eine Ursache dieses Problems liege aber auch in fehlender individueller Förderung von Schülern, kritisierte Andre Schindler vom Landeselternausschuss. "Eine Binnendifferenzierung findet an Berliner Schulen nicht statt." Statt für leistungsstarke und -schwache Schüler unterschiedliche Unterrichtsstoffe vorzubereiten, jammerten Pädagogen oft nur über schlechte Leistungen. "Wir haben viel zu viele Lehrer, die sich selbst in den Vordergrund stellen und Schüler nur als Belastung sehen."

Im Osten Berlins wiederum bestünden viele Lehrer auf herkömmlichem Frontalunterricht und lehnten neue Methoden wie jahrgangsübergreifendes Lernen ab, sagt die GEW-Vorsitzende; "da ist die Überzeugungsarbeit noch nicht weit fortgeschritten".

Bei einem Bildungsgipfel forderte die Berliner CDU grundsätzliche Schulreformen. Das dreigliedrige Schulsystem soll zwar nicht abgeschafft, der Wechsel zwischen einzelnen Schultypen aber erleichtert und das Gymnasium gestärkt werden. Kinder mit schlechten Sprachkenntnissen sollen bei der Einschulung zurückgestellt und gesondert gefördert werden.

© SZ vom 14.1.2009/bön - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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