Schon für Menschen, die keine Kinder haben, ist ein MBA alles andere als ein Spaziergang: die Vorbereitung auf die Bewerbung, dann die Ausbildung an der Business School, häufig mit Auslandsmodulen. Und das alles, wenn man sich für einen Teilzeit-MBA entschieden hat, neben der Arbeit. Wer zudem Familie hat, ist doppelt gefordert. Dennoch entscheiden sich auch junge Mütter und Väter für die Zusatzqualifikation. An der Mannheim Business School etwa sind drei bis fünf Prozent der Teilnehmer Mütter, gemessen an der Gesamtzahl der Studentinnen und Studenten. Die SZ hat drei Frauen gefragt, wie sie Familie und MBA unter einen Hut bekommen haben, wobei eine von ihnen noch in der Ausbildung steckt.
"Wie ein Projekt, bei dem das Kind Prio eins ist"
Fast hätte Kseniia Schramm schon das Vorstellungsgespräch bei der Business School absagen müssen: Emma, ihre damals gerade kaum ein Jahr alte Tochter, hatte in der Nacht vor dem Termin so hohes Fieber, dass an Schlafen nicht zu denken war. Um sieben Uhr früh fuhr der Zug nach Mannheim in München los. Die völlig übernächtigte Mutter überlegte einen Moment lang, das Gespräch zu verschieben. "Aber dann habe ich mir gedacht: Solche Situationen wird es immer wieder geben, da muss ich jetzt durch", sagt Kseniia Schramm. Also geduscht, Kaffee getrunken und los nach Mannheim. Zum Glück konnte ihr Mann Urlaub nehmen und sich um das kranke Kind kümmern.
Das Vorstellungsgespräch lief gut, und seit September 2016 macht Kseniia Schramm an der Mannheim Business School einen Teilzeit-MBA. Außerdem arbeitet die junge Mutter 15 Stunden pro Woche als Marketing Manager bei einem Hersteller für elektronische Geräte in München. Unter der Woche wird Emma bis 16 Uhr in der Krippe betreut.
Die Entscheidung für ein MBA-Studium fiel übrigens schon in der Zeit vor Emma. "Als Kommunikationswissenschaftlerin fehlte mir einfach der Business-Background", sagt Schramm. Jetzt verbringt sie im Rahmen ihres MBA-Studiums alle zwei Monate eine Woche in Mannheim. Dann arbeitet Kseniias Mann weniger und kümmert sich um Emma. Bei Bedarf reist auch die Oma aus Karlsruhe an. "Emmas Großmütter unterstützen mich zwar, aber sie können nicht so ganz verstehen, warum ich das durchziehe mit dem MBA und dazu noch weiterarbeite", sagt die 31-Jährige. ",Du könntest es so schön haben und dein Kind genießen', sagt mir meine Schwiegermutter immer wieder." Doch die junge Mutter ist mit ihrer Situation alles andere als unglücklich. Jeden Tag hat sie drei besonders schöne Momente, sagt sie: "Wenn ich zur Arbeit gehe, wenn ich Emma abhole und sie mir lachend entgegenläuft, und der Beginn des Abends mit meinem Mann." Mutter sein, meint sie, kann man zwar nicht delegieren, aber einige Aufgaben schon.
Natürlich kostet sie das alles ganz schön viel Kraft. In ihrem MBA-Kurs ist sie die einzige Frau mit kleinem Kind. Und dennoch: "Wenn die Betreuung geklärt ist, würde ich keiner Frau und keinem Mann abraten, mit Kind einen MBA zu machen. Das lässt sich alles koordinieren - wie ein Projekt, bei dem das Kind Prio eins ist."
"Man muss ein Arbeitstier sein, um das zu schaffen"
Kurz vor Abgabe der Masterarbeit tat ihr alles weh. Die Schwangerschaft wurde immer beschwerlicher. Maria Krüger war im achten Monat schwanger, als sie für ihren MBA an der Uni Postdam ihre Abschlussarbeit schrieb. Vor der Schwangerschaft hatte sie Vollzeit als Produktmanagerin bei einem Softwareunternehmen gearbeitet und in Teilzeit das MBA-Studium an der Universität Potsdam aufgenommen. Anfangs ging das gut, doch je weiter die Schwangerschaft fortschritt, desto schwieriger wurde es für Krüger: "Ich konnte nicht mehr sitzen, und im Liegen mit Laptop zu arbeiten, das ging auch nicht wegen des Babybauchs", sagt sie. Doch das war nicht das einzige Problem. "Gefühlstechnisch war das fürchterlich", erinnert sich die 31-Jährige, "die Kommunikation mit der Professorin lief nur schleppend, und ich konnte mich nicht gut konzentrieren, weil ich immer an das Baby denken musste und an die Geburt." Die letzten Seiten habe sie irgendwie runtergeschrieben. Einen Monat nach Abgabe der Arbeit kam ihr Sohn Leo auf die Welt.
Vier Monate später fand die mündliche Prüfung statt. Maria Krügers Mutter, die in Moskau lebt, reiste extra nach Berlin, um während der Lernphase auf das Enkelkind aufzupassen. Zwei Wochen bereitete sich die junge Frau auf die Prüfung vor. "In den ersten Tagen fielen mir das Lesen, das Lernen, die Konzentration sehr schwer, es hat eine Weile gedauert, bis ich wieder im Lernfluss war." Zum mündlichen Examen in Potsdam kamen der kleine Leo und sein Vater mit. So konnte Krüger nach der Prüfung ihren Sohn gleich stillen. Sie bestand das Examen mit der Note 1,0. "Ich hätte die Prüfung auch nach der Elternzeit ablegen können, aber das wäre mir zu spät gewesen. So war das Wissen noch präsent", sagt sie. "Aber man muss schon ein Arbeitstier sein, um das zu schaffen."
Seit September arbeitet sie wieder 30 Stunden pro Woche, Leo ist in der Kinderkrippe. Weder an ihrer Bezahlung noch an ihrer Position hat sich durch den MBA etwas geändert. Die junge Mutter stört das nicht: "Ich habe das für mich gemacht, für den Kopf. Jetzt habe ich endlich verstanden, was ich im BWL-Studium gelernt habe." Ein MBA-Studium komplett mit einem kleinen Kind durchzustehen, hätte sie sich allerdings nicht zugetraut. "Vollzeit arbeiten, dann noch jeden Freitag und Samstag an die Hochschule und ein Baby - das wäre über meine Kraft gegangen."
"Meine Mutter hat auch immer gearbeitet"
Warum nicht alles? Studieren, arbeiten, Mutter sein? Nicht nur von einem Kind, sondern von drei Kindern? Karin Bernlochner hat bewiesen, dass das funktionieren kann. "Meine Mutter ist mir darin ein Vorbild", sagt die 34 Jahre alte Politikwissenschaftlerin, "sie hat auch immer gearbeitet." Jetzt übernimmt die Rentnerin einen Tag die Woche gemeinsam mit ihrem Mann fest die Betreuung der Enkel. Um näher bei den Großeltern sein zu können, ist die junge Familie aus Wiesbaden wieder zurück in ihren Heimatort gezogen, ein kleines Dorf bei Freising in Oberbayern, in dem Karin Bernlochners Eltern leben.
Direkt nach der Elternzeit bewarb sich die Diplom-Politologin um eine Stelle bei der Unternehmungsberatung Deloitte - Vollzeit im Bereich Stategieberatung. Freunde und Bekannte reagierten nicht nur verständnisvoll darauf: "Wozu hast du ein Kind, wenn du den ganzen Tag lang weg bist?" Karin Bernlochner zeigte sich gelassen:"Ich habe nicht studiert und zahlreiche Praktika und Auslandsaufenthalte gemacht, um zu sagen: Ich bin jetzt nur noch Mama."
Da sie im Managementbereich mehr Wissen erwerben wollte, nahm sie im September 2012 ein MBA-Studium an der WHU - Otto Beisheim School of Management auf. Während des Studiums arbeitete sie weiter - und wurde mit dem zweiten Kind schwanger. Ihre Tochter kam praktischerweise in der Winterpause auf die Welt. Als sie drei Monate alt war, musste Bernlochner zu einem Auslandsmodul im Rahmen ihres Studiums für eine Woche nach New York. "Ich habe Milch abgepumpt und eingefroren. Meine Mutter hat die Kleine betreut und gefüttert. Sobald ich zurück war, habe ich weitergestillt", erzählt sie. "Ohne die Hilfe meiner Eltern und meines Mannes hätte ich das nicht so hingekriegt. Mit der Betreuung steht und fällt das alles. Wenn man jedes zweite Wochenende mit dem Partner diskutieren muss, wer zuständig ist, klappt das nicht."
Im Juli 2014 war sie mit dem MBA fertig, im September stieg sie wieder bei Deloitte ein - als Senior Consultant mit einer 80-Prozent-Stelle. Vor zwei Jahren hat Bernlochner gekündigt, bei einem Start-up gearbeitet, ein Modelabel für Kinder gegründet - und diesen März noch ein Kind bekommen. Wird es jetzt ruhiger, Frau Bernlochner? "Ich will die Elternzeit nutzen, um mich selbständig zu machen - vielleicht mit ein oder zwei Projekten", sagt sie. "Der MBA hat mich total gepusht und mir Energien zurückgegeben. Und ich habe ein gutes Selbstmanagement und ein hohes Energielevel. Das hilft."