Süddeutsche Zeitung

Management:Greifen Sie Freunde an! Loben Sie sich selbst!

Wer denkt, die Macht des Amtes brächte Kompetenz mit sich, irrt: Fünf Ratschläge für alle, die Kraft simulieren - für CSU-Chefs und andere Bosse.

Uwe Klein

Die ersten 100 Tage sind die gefährlichsten im Leben. Das gilt für Neugeborene genauso wie für Führungskräfte aller Art. Während Neugeborene, natürlichen Schutzmechanismen folgend, erst nach Ablauf dieser Frist zaghaft zu lächeln beginnen, scheint es im späteren Leben umgekehrt zu sein: Zuerst wird heftiger Strahle-Optimismus eingesetzt, um den Job erst einmal zu kriegen - und im selben Stil wird weitergepowert, 100 Tage lang.

Zu ihrem Leidwesen werden Führungsmänner und -frauen dieser Art jedoch "missverstanden": Das Umfeld interpretiert das Strahlemensch-Gesicht als: "Der lacht wohl über uns?!" Und dieses bodenlose Unverständnis ist ja nun gemein, ganz gemein. Der neugeborene Führungsmensch hat doch Stress, das möge man bitte verstehen!

Lachen und Strahlen ist ja bei weitem nicht immer lustig gemeint, so lehrt die Verhaltensforschung und erklärt uns dann, was eine Übersprunghandlung ist: Man hat Stress, und was man in diesem Zustand tut, ist häufig nicht das, was man eigentlich tun will - und schon gar nicht das, was andere von einem erwarten. Wie man es dreht und wendet: Man verhält sich also immer falsch.

Heilsame Identitätskrise

Lachen und Vor-sich-hin-Strahlen entkoppelt ganz rasch von den Mitmenschen, wenn man nicht sicherstellt, dass gemeinsam gelacht wird. Führungsmenschen - Sie merken schon, ich vermeide hier den Ausdruck Führungs-"Kraft", weil letzteres Attribut aufgrund jüngster Erfahrungen in der deutschen Industrie nicht mehr so ganz passt - solche Menschen sind sehr zielorientiert.

Aber Ziele verfolgen und dabei von den Mitarbeitern entkoppelt sein? Lange kann das nicht gutgehen. Wenn die Führungskräfte sich selbst in Führungsmenschen umbenennen würden, könnte das zwar eventuell eine Identitätskrise auslösen, aber eine heilsame. Sie würden sich, so wagt man dann zu hoffen, weniger auf das Ausstrahlen von Kraft, als vielmehr auf das andere Wort, Menschen, konzentrieren. Denn die sollen sie ja schließlich führen - zu gemeinsamen Zielen. Klingt einfach und ist auch so. Wird bloß nicht immer so gemacht.

Manch einer denkt, dass die Macht eines Amtes automatisch Führungskompetenz mit sich bringt. Diese Annahme ist eine Blindenkappe, sozusagen das Gegenteil einer Tarnkappe: Wer sie trägt, ist nicht unsichtbar, sondern er wird gnadenlos sichtbar für alle anderen - bloß er selber sieht dabei gar nichts mehr. Manchmal ist das praktisch zum Überleben, bis zum 100. Tage, aber auch bloß bis dahin.

Auf der nächsten Seite: Wie Führung by Möwe funktioniert: Von oben einfliegen, die da unten mit Dreck beschmeißen und unter lautem Gekreisch wieder abziehen.

Aus dem fernen All ein leuchtendes Vorbild sein

Es soll Führung by Möwe geben (von oben einfliegen, die da unten mit Dreck beschmeißen und unter lautem Gekreisch wieder abziehen), und es gibt auch Führung by Enterprise: entkoppelt mit Mach 20 um die Erde kreisen und den Menschen aus dem fernen All ein leuchtendes Vorbild sein. Warum haben wir da unten nicht genügend Ferngläser verteilt, mag er sich fragen, wenn es nicht so funktioniert, wie er will - vorausgesetzt, der Blick auf die Erde ist noch möglich, um den Mangel an Ferngläsern zu erkennen.

Sie wollen aber lieber Führungskraft als -mensch sein? Nun gut, hier fünf praktische Ratschläge mit Wirksamkeitsgarantie für die ersten 100 Tage:

1. Wechseln Sie alles aus.

Nein, nicht die Gattin, auch nicht die Kleidung. Es geht um die Mitarbeiter. Effizient tun Sie dies nur mit dem nötigen Überraschungsmoment, welches dann eintritt, wenn der Abteilungsleiter erst dann erfährt, dass er ein Wechselbalg geworden ist, wenn sein jüngster Mitarbeiter in der Besprechung plötzlich verlangt, dass er ihn mit "Chef" anredet. Wenn Sie solche Effekte einrühren können, wird man Ihnen mit großem Respekt begegnen. Hören Sie nicht auf das nachfolgende Sekretärinnengetuschel, dass man etwa Angst vor Ihnen hätte, weil Sie "unberechenbar" seien. Erfolgreiche Revolutionäre haben schon immer rasch und spontan entschieden.

2. Greifen Sie auch Freunde an.

Als Veränderer müssen Sie ganz schnell und ganz konsequent sein. Zumindest ist dies das Erfolgsgeheimnis jener "Change Manager", die unter Hinterlassung eines geschichtlichen Fingerabdrucks so rasch verschwinden, wie sie gekommen sind - sie waren sozusagen die "Impulswelle", die alle folgenden Zerstörungen erst ausgelöst hat. Endlich im Amt, können Sie es allen zeigen, und bei Ihrem Vorgehen darf es keinen Nepotismus geben! Abteilungsleiter, Landesgruppenchef, Minister, keiner darf sich sicher fühlen. Und auch den Freunden muss klargemacht werden, wo die "Freundschaft" aufhört - oder etwa nicht?

3. Sprechen Sie grundsätzlich klare Worte.

Von einem Führungsmenschen erwartet man Klarheit. Na klar, diese kleidet man in jeder Situation in Sätze und Worte. In jeder Situation! Das heißt, sollte die Situation mal anders sein, dann können nicht nur, ja dann müssen die Worte und Sätze auch anders sein, aber bitte immer genauso klar! Um die Flugfähigkeit solcher Äußerungen braucht man sich in Zeiten moderner Kommunikationstechnologie dann nicht mehr kümmern.

Auf der nächsten Seite: Wie man seine eigene Standfestigkeit lobt.

4. Loben Sie Ihre eigene Standfestigkeit.

Dieses Stilmittel ist erforderlich, um Zweiflern, Neidern und Veränderungsfeinden im eigenen Lager die Aussichtslosigkeit eventueller Demontage-Absichten vor Augen zu führen. Standfestigkeit hat auch etwas mit Unbeweglichkeit zu tun. Sie nehmen Widersachern mit solchen Zweckbehauptungen den Wind aus den Segeln, wenn Sie sich vor Ihnen aufstellen. Natürlich funktioniert das nur, wenn Sie den Wind vorher erzeugt haben. Fragen Sie sich gerade, ob sich da nicht etwas im Kreise dreht? Nein, nur um die eigene Achse.

5. Definieren Sie Erneuerung.

Sie sind jetzt gefragt zu sagen, was neu ist und was nicht. Was bleiben darf, was gehen soll. Da Innovation stets Chefsache ist, kann man es nicht der Masse Mensch überlassen, da mitzureden. Grundsätzlich sollten Sie eines wissen: Die meisten Menschen haben gar keine Lust, bei Erneuerung mitgenommen zu werden! Nein, gar keiner will da mitmachen und sich Mühe geben, garantiert nicht! Diese Elemente müssen aus dem Prozess entfernt werden, indem man schnell vorangeht. Am besten, indem man die jeweiligen Ziele schneller abändert, als die Zeit ausreicht, sie an alle zu kommunizieren. Der einzige, der dann noch vorne ist, ist die Führungskraft. Die anderen sind erfolgreich entkoppelt und können endlich keinen "Mitstreiterschaden" mehr anrichten. Wer führt, bleibt - oder?

Uwe Klein, Jahrgang 1951, ist Management-Coach in München. Er trainierte rund 2000 Manager in Kreativität. Er schrieb den Ratgeber : "So versagen Sie als Führungskraft garantiert."

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.476598
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 13.2.2009/bön
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.