Management:"Diversity ist ein Kulturthema"

Management: Aletta Gräfin von Hardenberg ist seit März 2011 Geschäftsführerin des Vereins Charta der Vielfalt, der sich für die Verankerung von Vielfalt in Wirtschaft und Gesellschaft einsetzt.

Aletta Gräfin von Hardenberg ist seit März 2011 Geschäftsführerin des Vereins Charta der Vielfalt, der sich für die Verankerung von Vielfalt in Wirtschaft und Gesellschaft einsetzt.

(Foto: Andreas Krone)

Vielfältige Teams bringen viele Vorteile. Sie zu führen, ist aber nicht immer leicht.

Interview von Stefan Weber

SZ: Frau Gräfin von Hardenberg, lange Zeit folgte Personalpolitik vielerorts dem Prinzip: "Hans sucht Hänschen". Die Unternehmen bevorzugten gradlinige Bewerber, die sich gut in ihre Kultur einfügten. Heute gelten vor allem Unternehmen als fortschrittlich, die ihre Belegschaften bunt mischen. Was ist passiert?

Aletta Gräfin von Hardenberg: Viele Unternehmen haben erkannt, dass ihnen aufgrund der demografischen Entwicklung gar keine andere Wahl bleibt, als in der Personalpolitik alle Potenziale zu nutzen, wenn sie im Wettbewerb bestehen wollen. Das gilt nicht nur für große international agierende Konzerne, sondern auch für Mittelständler. Unternehmen, die Vielfalt in ihrer Belegschaft fördern, verbessern ihr Image als Arbeitgeber - und das ist ein wichtiger Faktor bei der Rekrutierung von Nachwuchskräften. Gerade potenzialstarke Bewerber achten bei der Jobwahl sehr stark auf die jeweilige Unternehmenskultur.

Das heißt, der Druck der Demografie hat zur Folge, dass Arbeitgeber das Thema Diversity entdecken, und nicht die Erkenntnis, dass eine vielfältige Belegschaft eine Firma erfolgreicher machen kann?

Viele Unternehmen, die Schwierigkeiten haben, Fachkräfte für sich zu gewinnen, werden in ihrer Personalpolitik kreativ. Sie flexibilisieren Arbeitszeiten, entwickeln Home-Office-Lösungen oder suchen nach Wegen, ältere Arbeitnehmer länger zu binden, oder prüfen die Möglichkeit, Menschen mit einem Handicap zu beschäftigen - alles Maßnahmen, die man als Diversity Management bezeichnen kann. Nur nennen die Unternehmen das nicht so.

Dann ist eher die Rede von Frauenförderung, Inklusion ...

... was auch in Ordnung ist. Viel wäre jedoch gewonnen, wenn diese Themen ganzheitlich behandelt würden. Wenn sich also nicht einer im Unternehmen mit Frauenförderung beschäftigt, ein anderer mit Inklusion und ein dritter Modelle entwickelt, wie ältere Kollegen länger motiviert und einsatzfähig bleiben. Erfolgversprechender wäre es, wenn sich alle Verantwortlichen an einen Tisch setzen und gemeinsam überlegen, wie man mit dieser Vielfalt im Unternehmen am besten umgeht. Diversity Management ist kein Projekt oder keine Reihe von Einzelmaßnahmen und schon gar nicht ein Programm zur Förderung von Minderheiten, sondern ein Kulturthema.

Das Thema Vielfalt hat in den vergangenen Jahren stark an Präsenz gewonnen. Etwa 3000 Unternehmen und Institutionen mit weit mehr als zehn Millionen Beschäftigten haben die Charta der Vielfalt unterzeichnet. Wie verändert das den Arbeitsalltag?

Unsere Umfragen zeigen, dass Unternehmen bei Diversity Management in erster Linie auf Maßnahmen zur Flexibilisierung der Arbeitswelt setzen. Andere Ideen werden häufig nicht oder nur zögerlich umgesetzt, weil die zuständigen Personen oder Abteilungen nicht mit den entsprechenden Vollmachten ausgestattet sind. Es ist leider so: Wenn das Thema nicht von der Unternehmensführung wirklich gewollt und gepusht wird, ist es schwierig, etwas zu bewegen.

Wie erklären Sie sich diese Widerstände?

Diversity Management ist aufwendig. Vielfältige Teams zu führen, erfordert besondere Mühe. Dieser Herausforderung möchten sich manche nicht gerne stellen, weil sie andere Umbrüche in ihrem Unternehmen zu bewältigen haben. Sie handeln dann eher nach dem Motto: Wenn wir mal Zeit haben, kümmern wir uns auch noch um Diversity Management. Es wird immer noch zu wenig erkannt, wie wichtig Diversity Management für den Geschäftserfolg ist. Gemischte Teams entwickeln häufig bessere Lösungen - weil ja auch die Zielgruppen vielfältiger werden.

Was nützt es neuen Mitarbeitern, wenn sie in ein Unternehmen kommen, das den Gedanken der Vielfalt ernst nimmt?

In einer vorurteilsfreien und wertschätzenden Unternehmenskultur können Mitarbeiter ihre Talente sehr viel besser einbringen als in einem Umfeld, in dem sie zum Beispiel wegen ihrer Herkunft oder sexuellen Orientierung abgelehnt werden. Sie müssen sich nicht eins zu eins einer vorhandenen Kultur anpassen, sondern gestalten diese mit. Das sorgt dafür, dass sie sich auch auf Dauer an ihrem Arbeitsplatz wohlfühlen.

Woran erkennen Bewerber, dass Unternehmen Diversity Management tatsächlich ernst nehmen?

Schon Sprache und Bilder in der Stellenanzeige können eine Menge darüber aussagen, wie ein Unternehmen mit dem Thema Vielfalt umgeht. Auch Internetauftritt und Geschäftsbericht geben Hinweise: Wird Diversity Management thematisiert? Gibt es Mitarbeiternetzwerke, zum Beispiel für junge Mütter und Väter oder Schwule und Lesben?

Welche Bedeutung hat Diversity Management in zehn Jahren?

Das Thema bleibt auf der Agenda, auch wenn unsere Gesellschaft vielfältiger wird und junge Menschen Vielfalt sehr viel offener gegenüberstehen als ihre Elterngeneration - ganz einfach, weil sie stärker damit groß geworden sind. Auf der anderen Seite stehen die aktuellen politischen Strömungen: Wenn noch mehr Menschen mit rechtspopulistischen Ideen sympathisieren, gehen sie mit dieser Einstellung auch in ihr Unternehmen und bremsen dort Vielfalt aus. Deshalb haben wir aktuell die Kampagne #FlaggefürVielfalt gestartet - damit wollen wir uns als Arbeitgeberinitiative noch lauter für Vielfalt positionieren und ihre Vorteile deutlich machen.

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