Männer in Teilzeit:Ein seltenes Experiment

Mehr Zeit für die Betreuung der Kinder - oder gar für sich selbst? Ein Mann, der seine Arbeitszeit herunterschraubt, ist nach wie vor die Ausnahme. Ein Bericht über einen, der sich anschickte, das nahezu Undenkbare zu wagen - und ungeahnte Erfahrungen machte.

Tatjana Krieger

Wann ist ein Mann ein Mann? Die Wirtschaft hat ihre Antwort darauf gefunden: Wenn er in Vollzeit unbefristet arbeitet und an seinem Aufstieg feilt. Einer, der demnach nur ein halber Mann ist, sitzt an einem Donnerstagvormittag in der Münchner Innenstadt im Café und rührt in seinem Cappuccino. Das Smartphone ist weggepackt, er wirkt entspannt.

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Zeit für den Oldtimer und vermeintlich weniger Bürostress: Männer in Teilzeit sind eine Seltenheit auf dem Arbeitsmarkt.

(Foto: picture alliance / dpa)

Norbert Meier experimentiert mit Teilzeit, drei Monate lang arbeitet er drei Tage pro Woche bei anteilig gekürztem Gehalt. Seinen Job als Marketing- und Vertriebsleiter bei einer kleinen Softwareschmiede macht er lange genug, um zu wissen: Im Sommer stocken die Projekte, es ist wenig zu tun. Ein günstiger Zeitpunkt also. "Eigentlich habe ich ein Sabbatical geplant. Die Teilzeit ist ein guter Kompromiss", sagt Meier, der seinen echten Namen nicht in der Zeitung lesen will. Nun bastelt er werktags an seinen Oldtimern statt an seiner Karriere oder geht zum Fliegenfischen.

Mit seinem Selbstversuch gehört der Betriebswirt zu den Zeitpionieren, so nennt es Elke Holst. Sie ist Forschungsdirektorin Gender Studies am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin und beschäftigt sich mit Arbeitszeitwünschen von Männern und Frauen. In der Broschüre "Abenteuer Teilzeit: Argumente für Männer" beziffert das Bundesministerium für Arbeit und Soziales den Anteil der Männer, die gerne Teilzeit arbeiten würden, auf 77 Prozent. Der tatsächliche Anteil der Teilzeit-Männer betrug 2010 laut Berechnungen des Nürnberger Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung 17,6 Prozent - inklusive Mini- und Ein-Euro-Jobber.

Wo stecken also die Männer, die gerne downshiften würden? "Sie opfern einen Teil ihrer Work-Life-Balance zugunsten der Karriere", sagt Thorsten Alsleben, Hauptstadtrepräsentant der Managementberatung Kienbaum. "In vorauseilendem Gehorsam tragen sie ihren Wunsch meist gar nicht vor." Dass Männer sich gezielt auf Teilzeitstellen bewerben, ist selten. Dabei gäbe es Erfolgsaussichten. "Manche Arbeitgeber haben ein kleines Budget und suchen dennoch Top-Kandidaten", sagt Alsleben. "Da wäre Teilzeit eine Lösung."

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Der Gesetzgeber jedenfalls hat den Weg geebnet zu mehr Arbeitszeitautonomie. Seit 2001 räumt das Teilzeit- und Befristungsgesetz allen, die länger als ein halbes Jahr in einem Betrieb mit mindestes 15 Mitarbeitern beschäftigt sind, ein Recht auf Teilzeit ein. Die Tücke liegt in der schwammigen Formulierung. "Die Firma darf widersprechen, wenn betriebliche Gründe dagegenstehen", sagt Michael Eckert, Fachanwalt für Arbeitsrecht in Heidelberg. "Etwa wenn Arbeitsabläufe, Organisation oder Sicherheit beeinflusst werden oder der Wunsch nach Teilzeit unverhältnismäßig hohe Kosten verursacht."

Eine echte Änderung bei den Arbeitszeiten von Männern hat das Gesetz nicht bewirkt. Es ist ähnlich wie bei der Beschäftigung älterer Menschen oder dem Vorrücken von Frauen ins Top-Management: Zwar bewegt sich etwas, aber im Schneckentempo. Im Jahr 2010 arbeiteten 3,2 Millionen Männer in Teilzeit und damit 2,4 Millionen mehr als noch 1991, doch die meisten von ihnen waren Minijobber und das nur selten freiwillig.

Es gibt viele Gründe für Teilzeit

Dabei treten gerade junge Männer oft an mit dem Wunsch, später alles anders zu machen als ihre Väter: weniger schuften, mehr Verantwortung übernehmen für die Kinder, anwesend sein. Wenn der Ernstfall eintritt, sieht es anders aus. Männer mit Familie arbeiten länger als ihre kinderlosen Geschlechtsgenossen, zwischen zwei und fünf Wochenstunden verbringen sie mehr im Büro. "Das Erwerbseinkommen der Frauen fällt nach der Geburt eines Kindes meist geringer aus, weil Mütter häufig in Teilzeit wechseln oder ihre Erwerbsarbeit ganz unterbrechen. Männer können diesen finanziellen Verlust dann durch Mehrarbeit auffangen. Vielfach betrachten Männer zudem lange Arbeitszeiten auch als Investition in ihre künftige Karriere", sagt Gender-Forscherin Holst.

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"Selbst wenn man persönlich andere Ansichten hat, sind diese Rollenerwartungen tief verwurzelt." Eigene Bedürfnisse, Hobbys, die Gesundheit werden erst später wichtig. Von den 60- bis 64-Jährigen arbeiten dann aber immerhin 43 Prozent in Teilzeit. Die anderen hindert eine Mischung aus gesellschaftlichen Erwartungen, finanziellen Zwängen und dem eigenen Selbstbild daran, Teilzeitwünsche in die Tat umzusetzen. Auch Norbert Meier ist nicht ganz frei davon.

Trotz aller Widerstände: Unternehmen sind gezwungen, sich mit alternativen Arbeitszeitmodellen auseinanderzusetzen. "Wenn ein Mitarbeiter mit einem Teilzeitwunsch zu uns kommt, müssen wir das ernst nehmen und überlegen, wie wir die Arbeit neu verteilen", sagt Bernhard Bachhuber, HR-Direktor Europa beim Bürobedarfhersteller Avery Dennison in Oberlaindern bei München. "Wir prüfen jeden Einzelfall. Gute Mitarbeiter wollen wir halten." Aber bedeutet das nicht das Aus für eine weitere Karriere? "Nicht unbedingt", sagt Bachhuber. "Eine Beförderung ist nicht ausgeschlossen. Manchmal kommt auch eine inhaltliche Veränderung infrage oder man gibt dem Mitarbeiter ein Projekt." Verändere sich die Lebenssituation, könne der Angestellte auch wieder mehr arbeiten. So argumentiert auch Thorsten Alsleben: "Vorübergehende Teilzeit im Lebenslauf ist kein Manko mehr." Allerdings gibt es keinen Rechtsanspruch, Stunden wieder aufzustocken. Wer Pech hat, bleibt auf seiner Teilzeitstelle sitzen.

Norbert Meiers Fazit nach einem Sommer in Teilzeit? "Ich bin froh, dass es vorbei ist", sagt er. "Es hat sich angefühlt, als müsste ich mehr arbeiten als in Vollzeit." Die Tage, an denen Meier im Büro saß, waren deutlich länger als in seinem normalen Vollzeitjob. Von dem Plan, an den zwei freien Tagen keine Mails zu lesen, war nicht viel geblieben. Er blieb stets erreichbar. Was Meier erlebt hat, ist nicht untypisch. "Man muss aufpassen, dass aus 30 Stunden Anwesenheit nicht 40 bis 50 Stunden Erreichbarkeit werden", sagt Thorsten Alsleben. "Ob die Teilzeit zur Falle oder zur Chance wird, hängt vom Selbstmanagement ab und wie gut die Firma organisiert ist."

Meiers Experiment ist nicht gescheitert, hat ihm aber keine weitere Perspektive gegeben, weder beruflich noch persönlich. Auf Dauer wäre Teilzeitarbeit nichts für ihn.

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