Süddeutsche Zeitung

Macht im Job:"Chef sein muss man aushalten können"

Eben war man noch gut befreundet, doch kaum befördert, ist der Kollege plötzlich eiskalt. Was ist da passiert? Arbeitspsychologin Myriam Bechtoldt erklärt, was Macht mit Menschen macht und gibt Tipps für den Umgang mit Chefs.

Von Johanna Bruckner

Nicht erst seit Stromberg, dem Protagonisten der gleichnamigen Pro-Sieben-Serie und Prototyp eines Ekel-Chefs, wissen wir: Vorgesetzte können ihren Mitarbeitern das Leben ganz schön schwer machen. Doch steigen tatsächlich besonders häufig Unsympathen zum Chef auf? Oder verändern sich eigentlich umgängliche Menschen durch die Beförderung? Myriam Bechtoldt, Professorin für Organizational Behavior an der Frankfurt School of Finance and Management, beschäftigt sich mit dem Thema Macht im Job. Ein Gespräch über Egoismus, Führungsstile und Menschen, die nicht Karriere machen wollen.

SZ.de: Frau Bechtoldt, mit welchem Macht-Typus haben Sie es an der Uni zu tun?

Myriam Bechtoldt: Mit einem sehr statusbewussten. Manche Wissenschaftler legen großen Wert auf ihren "Professor Doktor", weil der Titel die Machtdistanz zwischen ihnen und ihren Mitarbeitern betont. Unis sind wie viele große Firmen hierarchisch organisiert, das fördert das Machtbewusstsein bei allen Mitarbeitern. In kleinen Start-up-Unternehmen mit flachen Hierarchien ist das viel weniger ausgeprägt.

Aber ist Machtstreben nicht eine natürliche menschliche Eigenschaft?

Doch, schon. So haben bereits Kinder das Bedürfnis nach Wettbewerb. Allerdings ist Machtstreben nicht das Einzige, was uns antreibt. In jungen Unternehmen liegt der Fokus auf der gemeinsamen Aufgabe. Es geht vorrangig darum, gemeinsam etwas auf die Beine zu stellen, und weniger darum, die Machtbeziehungen untereinander zu klären. Je größer und älter eine Firma wird, desto mehr rückt die Frage in den Vordergrund: Wie stehen wir eigentlich zueinander? Dann werden Positionen ausgefochten und besetzt.

Studien zufolge verlieren Menschen, wenn sie die Karriereleiter hinaufklettern, zunehmend an Empathievermögen, sie werden kritischer und strenger gegenüber anderen. Woran liegt das?

Wenn sich Menschen mächtig fühlen, werden sie gefühlskälter. Dieser Effekt lässt sich sogar experimentell erzeugen, indem man Probanden bittet, sich an eine Situation zu erinnern, in der sie sich mächtig gefühlt haben. Sie zeigen anschließend weniger Mitgefühl für die Schicksale von Mitmenschen als Personen, die sich in eine machtlose Situation zurückversetzen sollten. Das mangelnde Empathievermögen von Chefs ist also kein spezifisches Persönlichkeitsmerkmal. Vielmehr verändert sich unser Orientierungsrahmen, wenn wir die Karriereleiter hinaufklettern.

Es werden andere Werte wichtig?

Es werden andere Personen wichtig. Wir orientieren uns grundsätzlich an den Menschen, die Macht über uns haben. Mit ihnen wollen wir uns gutstellen. Ich als Arbeitnehmer mache mir viel mehr Gedanken um meinen Chef als umgekehrt. Der wiederum denkt über die emotionale Befindlichkeit seines eigenen Vorgesetzten nach.

Es gibt ja aber durchaus Chefs, die sich regelmäßig mit ihren Mitarbeitern austauschen, auch über persönliche Dinge. Sind diese Chefs die Ausnahme von der Regel - oder einfach gute Schauspieler?

Weder noch. Die individuelle Persönlichkeit prägt natürlich auch den Führungsstil. Umgänglichen Charakteren sind gute Beziehungen zu anderen wichtig, sie nehmen Anteil und sind hilfsbereit. Solche grundsätzlichen Verhaltenstendenzen legt man auch im Job nicht ab. Und wer Personalverantwortung bekommt, überlegt sich in der Regel, was für ein Chef er sein will. Es gibt zum Beispiel Vorgesetzte, die einen "servant leadership", also einen dienenden Führungsstil, praktizieren - und das erfolgreich. Allerdings werden selbst Chefs dieses Typs nicht den ganzen Tag damit zubringen, sich über das Wohlbefinden ihrer Sekretärin Gedanken zu machen.

Gehen Frauen und Männer unterschiedlich mit Macht um?

Die Führungsforschung zeigt, dass Frauen in allen Dimensionen, die erfolgreiche Führung ausmachen, etwas besser abschneiden als Männer. Sie sind besser darin, Visionen zu vermitteln, sie geben klarere Aufgabenbeschreibungen und können Mitarbeiter besser motivieren. Andererseits gibt es Hinweise, dass Frauen in Führungspositionen ähnlich häufig zu Mobbing-Tätern werden wie Männer. Inwieweit das daran liegt, dass sie sich an den Verhaltensweisen ihrer mehrheitlich männlichen Kollegen orientieren, ist bisher unklar. Insgesamt äußern Frauen weniger Interesse an Machtpositionen als Männer. Das mag auch daran liegen, dass immer noch weibliche Rollenvorbilder fehlen.

Welche Tipps können Sie Arbeitnehmern geben, die es mit einem "harten Hund" zu tun haben?

Wenn Sie mit einer mächtigen Person verhandeln und etwas für sich herausschlagen wollen, ist es wichtig, Ihrem Gegenüber nicht mit moralischen Appellen zu kommen. Sätze wie "Aber Sie müssen mir doch zugestehen, dass ..." oder "Können Sie für mich nicht eine Ausnahme machen?" werden schlicht nicht durchdringen. Mächtige Personen sind daran interessiert, Veränderungen zu vermeiden und den Status quo zu sichern. Denn wem geht es besser mit der jetzigen Situation als dem Chef? Das heißt für die machtlose Person - den Mitarbeiter -, dass er versuchen muss, dem Mächtigen klarzumachen, welchen Profit er aus einer Entscheidung zieht. Vorgesetzte sind immer dann bereit, sich auf andere Interessen einzulassen, wenn sie auch ihnen nutzen.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Nehmen wir an, Sie möchten auf Teilzeit reduzieren. Dann sollten Sie beim Chef nicht nur argumentieren, dass sie die Nachmittage für Ihre Familie brauchen. Sondern Sie könnten beispielsweise anbringen, dass sich dadurch die Möglichkeit ergibt, jemanden mit ergänzenden Kompetenzen ins Team zu holen.

Wie verhält man sich am besten, wenn der befreundete Kollege zum Vorgesetzten - und zum Ekel - wird?

Wenn Freunde auf gleicher Hierarchieebene zusammengearbeitet haben und der eine befördert wird, birgt das immer ein hohes Konfliktpotenzial. Das Verhältnis der beiden wird sich in jedem Fall verändern. Ob es zum Zerwürfnis kommt, hängt zum einen davon ab, wie der Vorgesetzte gegenüber seinem Freund auftritt - ob er seine Autorität herausstellt, um sein neues Standing zu festigen. Eine Rolle spielt auch, ob der nicht Beförderte selbst sehr karrierebewusst oder eigentlich ganz zufrieden mit seinem jetzigen Posten ist.

Es gibt auch Leute ohne Macht-Gen?

Natürlich gibt es Menschen, die weniger machtorientiert und in einer Position ohne Personalverantwortung zufriedener sind. Denn Chef sein bedeutet auch, nicht mehr Teil einer Gruppe zu sein, sondern eine herausgehobene Position einzunehmen. Plötzlich wird nicht mehr mit einem, sondern über einen getuschelt, die Kantinen-Verabredungen werden weniger - und auf Partys von Kollegen ist man nicht mehr eingeladen. Das muss man aushalten können.

Kann man sich Machtbewusstsein antrainieren?

Wie machtbewusst jemand ist, ist eine Typfrage. Was man aber trainieren kann, ist selbstbewusstes Auftreten und Netzwerken. Denn in Unternehmen machen nicht immer die Personen Karriere, die die beste Arbeit leisten, sondern oft diejenigen, die die besten Kontakte haben. Wenn ich das weiß, kann ich versuchen, mehr Energie in den Aufbau meines eigenen Netzwerks zu stecken und mir so Aufstiegsmöglichkeiten eröffnen.

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