Süddeutsche Zeitung

Lohnungleichheit:Kampf gegen die Lohnlücke zwischen Frauen und Männern

Per Gesetz will die Regierung Gehaltsunterschiede verkleinern. Arbeitnehmer könnten dann Transparenz einfordern. Wie das funktionieren soll.

Von Constanze von Bullion, Berlin

Mal war von einer schweren Geburt die Rede, mal von einem "dicken Brocken". Nun aber kommt das umkämpfte Gesetz für mehr Lohngerechtigkeit zwischen Frauen und Männern. Am Mittwoch will das Kabinett den Gesetzentwurf beschließen. Aus der Union kam bereits Protest. Es sei ein Unding, dass Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) auf die "schädlichen Vorgaben des Koalitionsvertrages auch noch draufsattelt", sagte der Generalsekretär des CDU-Wirtschaftsrats, Wolfgang Steiger. Das Gesetz sei "ein unfassbarer Ausdruck von Unkenntnis und Misstrauen". Im Familienministerium dagegen zeigte man sich zufrieden. Was genau steht im Gesetzentwurf? Ein Überblick.

Was will die Bundesregierung mit dem Gesetz erreichen?

Was will die Bundesregierung mit dem Gesetz erreichen? Das "Gesetz zur Förderung der Transparenz von Entgeltstrukturen" soll die Einkommensunterschiede zwischen Frauen und Männern verkleinern. In kaum einem EU-Land sind sie so groß wie in Deutschland. Hier verdienen Frauen durchschnittlich 21 Prozent weniger als Männer. Das liegt nicht nur an Benachteiligung, sondern auch an der Berufswahl und langen Teilzeitphasen. Vergleicht man nur Arbeitnehmer, die im gleichen Beruf gleich viel arbeiten und ähnlich qualifiziert sind, beträgt die Lohnlücke immer noch sieben Prozent. Union und SPD haben daher im Koalitionsvertrag vereinbart, mehr Transparenz zu ermöglichen. So sollen Beschäftigte in die Lage versetzt werden, die Bezahlung überprüfen zu können und sich gegen Ungleichbehandlung zu wehren.

Wie soll das funktionieren?

Wie soll das funktionieren? Arbeitnehmer in Betrieben ab 200 Mitarbeitern erhalten einen individuellen Auskunftsanspruch. Haben sie Hinweise, dass mindestens fünf Kollegen des anderen Geschlechts bei gleicher oder gleichwertiger Leistung besser bezahlt werden, können sie die Durchschnittseinkommen vergleichen lassen. Bis zuletzt stritten Union und SPD, ob in diesem Vergleich auch Sonderzuwendungen einfließen, etwa eine Jahresabschlussgratifikation, Dienstwagen oder Boni. Die SPD setzte sich durch. Laut Entwurf können Arbeitnehmer Auskunft über das monatliche durchschnittliche Bruttogehalt und "bis zu zwei einzelne Entgeltbestandteile" verlangen - je nachdem, welche Extras im Betrieb üblich sind.

Erfährt jeder, was der Kollege verdient?

Nein. Es können nur Durchschnittsverdienste verglichen werden, die Daten werden anonymisiert. Wer Auskunft will, kann sich nur mit Kollegen des anderen Geschlechts messen, denn es geht um die Gleichstellung der Geschlechter. Männer, die sich benachteiligt fühlen, können auch Auskunft verlangen. Sie müssen dazu aber mindestens fünf Frauen benennen, die bei gleicher Leistung besser verdienen. Das dürfte schwierig werden. In Betrieben, die Tarif zahlen oder Tarifverträge anwenden, vergleicht der Betriebsrat die Gehaltszettel. Findet er Ungleichheit, fordert er den Arbeitgeber auf, diese zu begründen. Gibt es keinen Betriebsrat, müssen Beschäftigte sich direkt an den Arbeitgeber wenden.

Was passiert, wenn sich Benachteiligung aufgrund des Geschlechts zeigt?

Der Gesetzentwurf stellt hierzu nur fest: Bei geschlechtsbedingter Ungleichbehandlung "ergreift der Arbeitgeber die geeigneten Maßnahmen zur Beseitigung der Benachteiligung". Hier hat die Union den Gesetzestext zuletzt zugunsten der Arbeitgeber abgemildert. Im letzten Entwurf hieß es noch deutlich schärfer, Benachteiligungen seien "unverzüglich zu beseitigen".

Und wenn es Streit gibt und sich im Betrieb keine Lösung findet?

Dann können Beschäftigte nur klagen. Sanktionen für unkooperative Arbeitgeber sieht das Gesetz nicht vor. Ist Ungleichbezahlung detailliert belegt, steigen aber die Chancen der Kläger vor Gericht.

Wie oft kann man Auskunft fordern?

Frühestens sechs Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes. Wer in den ersten drei Jahren nach Inkrafttreten des Gesetzes Auskunft verlangt, kann das erst nach drei Jahren wiederholen, später alle zwei Jahre.

Müssen Betriebe veröffentlichen, ob sie Frauen und Männer gerecht bezahlen?

Kapitalgesellschaften ab 500 Mitarbeitern, in denen Tarifverträge gelten, müssen alle fünf Jahre berichten, ob und wie sie Frauen fördern und wie sie Lohngerechtigkeit herstellen. Alle anderen Betriebe dieser Größe tun das alle drei Jahre. Die SPD wollte auch, dass größere Unternehmen alle fünf Jahre genau analysieren müssen, ob sie Frauen und Männer hinsichtlich ihrer beruflichen Belastungen gerecht bezahlen. Dies lehnten die Arbeitgeberverbände aber als zu bürokratisch ab. Eine verbindliche Prüfpflicht kommt nicht. Unternehmen sind jetzt nur noch "aufgefordert" zu prüfen, ob sie gerecht zahlen. Das soll "regelmäßig" passieren, heißt es eher allgemein.

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SZ vom 11.01.2017/mkoh
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