Lern-Pillen:Gedopte Studenten

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Koffein-Tabletten und Energy-Drinks reichen längst nicht mehr: Ritalin und Ephedrin heißen die illegalen Pillen, mit denen Studenten ihre Leistungen steigern. Doch das Gehirn-Doping ist gefährlich.

Lisa Sonnabend

Maria hat in sechs Wochen Chinesisch gelernt, sie kann sich nun fließend in der Fremdsprache unterhalten. Christoph hetzt seit Tagen von Meeting zu Meeting, die Nächte arbeitet er durch und immer noch ist er konzentriert und gut drauf. Und das alles nur wegen ein paar kleiner Pillen, die die beiden eingeschmissen haben. Reine Zukunftsmusik? Nicht ganz. Diese Hirn-Pillen gibt es bereits. Zugelassen sind sie nur für Kranke, doch immer mehr Studierende und Arbeitende beschaffen sich die Medikamente illegal.

Leistungssteigerung durch eine kleine Pille? Die Versuchung ist da. (Foto: Foto: istock)

Ephedrin, Ritalin, Amphetamin oder Modafinil steigern die Gehirnleistung und heben die Stimmung. Diese Medikamente sind zugelassen zur Behandlung von Alzheimerkranken, Depressionen und Personen mit Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom oder Schlafstörungen. Zur Erleichterung des Lernens sind sie nicht gedacht, die Nebenwirkungen sind beträchtlich. Dazu zählen: erhöhter Blutdruck, Appetitmangel, Schlaflosigkeit, Übelkeit, Wachstumsstörungen und Depressionen.

Dealer auf dem Campus

Doch Schüler, Studenten oder Arbeitende stört das meist wenig. "Was nimmst du so?", lautet vor Klausuren eine häufig gestellte Frage in Universitätsgängen. Koffeintabletten und Energy-Drinks sind bei vielen Medizin- und Jura-Studenten gang und gäbe, um sich in harten Lernphasen vor Prüfungen wach und aufnahmefähig zu halten. Doch einigen reicht das längst nicht mehr.

Wie viele bereits systematisch Gehirndoping betreiben, ist ungewiss. Martha Farah, Neuropsychologin an der University of Pennsylvania, geht davon aus, dass in den USA bereits jeder zehnte Student regelmäßig Leistungsförderer wie Ritalin nimmt. Ritalin steigert die Konzentration, fördert die körperliche Leistung, macht wach und euphorisch. Das Medikament wird auf dem Campus gedealt, vor Prüfungen geschluckt und abends werden Ritalin-Partys veranstaltet.

In Internetforen diskutieren User, welches Medikament empfehlenswert ist, welche Nebenwirkungen es hat und tauschen offen Erfahrungsberichte aus. Im Forum "Land der Träume" schreibt einer zum Beispiel: "Bald ist Studium dran und ich hab schon fürs Abi am Tag mindestens fünf Stunden lernen müssen. Hab schon viel ausprobiert, zum Lernen gefiel mir Ephedrin in geringen Mengen am besten. Wenn es Anabolika gibt, die die Muskeln in acht Wochen um das 5-fache wachsen lassen, muss, es ja was geben, bei dem ich ein Gedächtnis kriege wie einer dieser Gedächtniskünstler."

An der Uni Münster werden die Wirkung der Medikamente untersucht. Ein Test bei gesunden Versuchspersonen ergab, dass das Parkinsonmedikament Levodopa - eine Vorstufe von Dopamin - zu einer besseren Auffassungsgabe führte. Die Testpersonen lernten Wörter einer künstlichen Sprache schneller und erinnerten sich auch nach einem Monat besser als die Placebogruppe. Der Lernerfolg sei um ein Fünftel besser gewesen, sagt der Versuchsleiter und Neurologe Stefan Knecht. Doch die Pillen seien nur zur Behandlung von Krankheiten geeignet, betont er.

Gehirn wie ein Computer

Die Versuchung ist da. Die Aussicht, eine schwierige Prüfung zu bestehen, im Beruf zu glänzen oder ein Gehirn wie ein Computer zu erlangen, ist verlockend. Und wie oft ärgert man sich, dass man schon wieder einen Geburtstag vergessen hat, dass einem der Name des Schauspielers aus "Pulp Fiction" nicht einfällt. Und was heißt noch mal Kissen auf Englisch?

Die Pharmaindustrie wittert in den Lern-Pillen einen riesigen Absatzmarkt. Einige, wie der amerikanische Medizin-Nobelpreisträger Eric Kandel, meinen, eine Gehirn-gedopte Gesellschaft stelle einen wichtigen Standortvorteil dar - gerade für ein Land wie Deutschland, dessen wirtschaftlicher Erfolg vor allem auf geistiger Leistungsfähigkeit beruht.

Andere sehen vor allem Gefahren: Wenn sich jemand Pillen einschmeißt, verschafft er sich unerlaubterweise einen Vorteil. Kinder, die keine Lern-Pillen nehmen, kommen möglicherweise im Unterricht bald nicht mehr mit. Studenten, die auf ganz normalem Wege büffeln, haben keine Chance auf dem Arbeitsmarkt, weil ihre Noten zu schlecht sind, und es werden nur noch Personen eingestellt, die nächtelang konzentriert durcharbeiten können, wofür man selbstverständlich die richtige Pille braucht.

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