Leistungsbeurteilung:"Steigern Sie den Umsatz um 100 Prozent!"

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Viele Chefs beurteilen ihre Mitarbeiter anhand von Zielvereinbarungen. Sie erscheinen oft willkürlich und wenig transparent - und wirken so demotivierend.

B. Sommerhoff

Wahrscheinlich ist die Schule schuld. Von anderen beurteilt zu werden, ist auch im Erwachsenenalter für die meisten Menschen kein angenehmes Gefühl. Das gilt auch für die formale Beurteilung am Arbeitsplatz. "Dabei findet sie zumindest unbewusst immer statt", sagt Hariolf Wenzler, Geschäftsführer der Bucerius Law School in Hamburg. Es ist unmöglich, nicht zu kommunizieren, wie der Soziologie Paul Watzlawick festgestellt hat. Genauso wenig kann man vermeiden, sein Gegenüber unwillkürlich einzuschätzen, also zu bewerten.

Zielgenaue Umsatzsteigerung: Bei Leistungsbeurteilungen kommt es darauf an, sie nachvollziehbar zu gestalten. (Foto: Foto: iStock)

"Wir halten es für besser, diesen Vorgang der Bewertung bewusst und damit transparent zu machen", sagt Wenzler. Ein Prozedere, das für kleine Institutionen wie die private Jura-Universität noch ungewöhnlich ist, hat sich in Großunternehmen längst etabliert. Die Frage ist nur, auf welcher Grundlage die Mitarbeiter - und immer häufiger auch die Vorgesetzten - beurteilt werden.

Ausgefeiltes Punktesystem

In den meisten Firmen dienen Zielvereinbarungen als Instrument, um die Beurteilung nachvollziehbar zu machen. "Wenn die Bewertung nicht anhand verbindlich vereinbarter Ziele stattfindet, liegt sie rein im Ermessen der Führungskraft", sagt Michael Picard, Personaldirektor beim Otto Versand in Hamburg. Sie könne dann als willkürlich empfunden werden und schließlich demotivieren. "Und das ist das Gegenteil von dem, was wir bei Otto erreichen wollen."

Deshalb finden bei Otto einmal im Jahr sogenannte Leistungs- und Potentialgespräche statt. Darin vereinbaren Mitarbeiter und Vorgesetzte quantitative Ziele wie etwa die Steigerung des Umsatzes um einen bestimmten Betrag. Und qualitative Ziele wie beispielsweise mehr Teamfähigkeit. Drei bis fünf solcher Ziele werden schriftlich festgelegt. Nach Ablauf eines Jahres vergleicht der Vorgesetzte die angestrebten Ziele mit den erreichten. Die quantifizierbaren bewertet der Vorgesetzte mit Punkten, die qualitativen beschreibt er verbal.

Teamfähigkeit, Kommunikation, Serviceorientierung

Letzteres ist ein sensibler Bereich, denn Ziele wie Teamfähigkeit, kommunikatives Vermögen oder Serviceorientierung bewertet jeder Mensch anders. "Die Beurteilung bleibt letztlich immer subjektiv", sagt Picard. Das bestätigt auch Michaela Waggershauser, Leiterin der Personalentwicklung beim Mobilfunkanbieter Vodafone in Düsseldorf.

Das bedeute aber nicht, dass man nur quantifizierbare Leistungen messen kann. "Uns ist wichtig, neben der Leistung auch das Wie, also das wahrgenommene Verhalten der Mitarbeiter zu beurteilen und ihnen dazu ein Feedback zu geben." Das gelinge, wenn die Bewertungskriterien transparent und unabhängig vom Beurteiler einheitlich angewendet würden. "Wir wollen das aus Schulzeiten bekannte Phänomen vermeiden, dass es bei dem einen Lehrer leicht ist, eine Zwei zu bekommen, während beim anderen eine Drei schon eine stramme Leistung ist."

Auf der nächsten Seite: Wie in Zielvereinbarungen einheitliche Maßstäbe für alle Mitarbeiter entwickelt werden können.

Schriftliche Vereinbarung

Um das zu gewährleisten, schult Vodafone seine Führungskräfte. Anhand von Fallbeispielen lernen sie, das Verhalten der Mitarbeiter nach einem vorgegebenen Schema zu bewerten, etwa im Hinblick auf Serviceorientierung oder Kommunikationsfähigkeit. Die Mitarbeiter kennen die Kategorien, um die es geht, und auch das Bewertungssystem, das der Vorgesetzte anwendet.

Transparenz ist ein wesentlicher Aspekt des sogenannten Performance Dialogs, wie das Verfahren bei Vodafone heißt. Deshalb kennt jeder Mitarbeiter neben den Bewertungskriterien auch die Ziele des Unternehmens und seiner Abteilung. "Das ist wichtig, um die eigenen Ziele zu verstehen", sagt Waggershauser. "Wenn ich als Angestellter nicht weiß, welche Prioritäten mein Umfeld in den nächsten Monaten setzt, kann ich mich schnell verzetteln." Die individuellen Ziele für das kommende Jahr vereinbart jeder Mitarbeiter mit dem Vorgesetzten schriftlich.

Dokumentationsbogen für Kernaufgaben

Zielvereinbarung und Beurteilung zu koppeln, ist in den meisten Firmen Usus. Zwingend sei das aber nicht, sagt Werner Müller, Leiter der Personalentwicklung beim Versicherungskonzern Ergo in Düsseldorf. "Es spart zwar Zeit, wenn beides in einem Gespräch abgehandelt wird, hat aber auch einen Nachteil: Verhalten, das nicht unmittelbar zielrelevant ist, wird nicht beurteilt und mit dem Mitarbeiter abgesprochen."

Bei dem Versicherungskonzern findet die Leistungsbeurteilung mindestens einmal im Jahr statt. Der Vorgesetzte erläutert seinem Mitarbeiter im Feedback-Gespräch, welche Stärken er wahrgenommen hat und wo er Verbesserungspotential sieht. Dazu nutzt er einen Dokumentationsbogen, in dem die Kernaufgaben des Mitarbeiters definiert sind. Der Vorgesetzte hält darin seine Beurteilung fest.

Keine Noten, wie Müller sagt, sondern ausführliche und nachvollziehbare Beschreibungen. "Der Mitarbeiter soll ja eine Orientierung bekommen. Ihm muss klar werden, ob und wo Differenzen zwischen Anforderungen an ihn und der Verwirklichung bestehen." Pauschale Kriterien wie "Arbeitsleistung" oder "Arbeitsgüte" gibt es bei Ergo nicht. "Mitarbeiter und Vorgesetzte erarbeiten ein individuelles Anforderungsprofil."

Feedback und Konflikte

Damit dennoch einheitliche Maßstäbe entstehen und der Chef seine Anforderungen im Gespräch auch verständlich machen kann, legt man bei Ergo Wert auf Bewertungstrainings. Für junge Führungskräfte sind Schulungen Pflicht, ältere Vorgesetzte werden auf Wunsch gecoacht. Coaching gibt es aber auch, wenn das Feedback der Mitarbeiter von Konflikten mit dem Chef zeugt.

An der Law School in Hamburg müssen sich die Professoren und die Mitarbeiter in der Verwaltung einmal im Jahr diesem Prozedere unterziehen. Die Beurteilung des nicht-wissenschaftlichen Personals ist allerdings weniger formalisiert als in großen Unternehmen. So gibt es zum Beispiel keine Gesprächsleitfäden. "Wichtiger als die Beurteilung ist für uns die Frage, was wir vom Mitarbeiter in den kommenden Monaten erwarten", sagt Geschäftsführer Wenzler. Widerstände gegen das Verfahren gebe es nicht. "Das liegt sicher daran, dass jeder Mensch gern ein Feedback bekommt."

© SZ vom 21.3.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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