Leiden der Arbeitnehmer:Von der Krise um den Schlaf gebracht

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Verfolgt von den Problemen im Job: Die Hälfte der Arbeitnehmer in Deutschland schläft schlecht. Das belegt der Gesundheitsreport der DAK - und warnt vor den Folgen.

Wenn einen der Berufsalltag auch nachts nicht loslässt: Jeder zweite Arbeitnehmer leidet unter Schlafstörungen - umgerechnet auf die erwerbstätige Bevölkerung sind das rund 20 Millionen Menschen in Deutschland. "Sowohl Allgemeinbevölkerung als auch Ärzte sind hierüber zu wenig aufgeklärt", sagte der Schlafmediziner Ingo Fietze von der Charité in Berlin bei der Vorstellung des DAK-Gesundheitsreports 2010, der sich besonders mit dem Phänomen der Schlaflosigkeit beschäftigt. Behandelt werde sie meist nur mangelhaft. Die Folgen sind der Studie zufolge häufig verminderte Leistungsfähigkeit bis hin zu Fehltagen.

Jeder zweite Arbeitnehmer in Deutschland leidet unter Schlafstörungen. (Foto: Foto: iStock)

30 Minuten zum Einschlafen

Die DAK befragte rund 3000 Arbeitnehmer im Alter von 35 bis 65 Jahren zu ihrem Schlafverhalten. Rund die Hälfte unter ihnen fühlte sich betroffen, knapp 38 Prozent gaben an, "geringe" oder "mittelgradige Probleme" zu haben, mehr als neun Prozent sprachen von "hochgradigen" Schlafproblemen.

Laut Fietze liegt eine Schlafstörung vor, wenn jemand mindestens vier Wochen lang drei- oder viermal in der Woche 30 Minuten oder länger benötigt, um einzuschlafen. Rund 40 Prozent der Betroffenen gaben Stress und Belastungen in Job oder Familie als Grund für Schlaflosigkeit an. 20 Prozent litten darunter als Folge von Schicht- oder Nachtarbeit. Besonderer Stress und Grübeleien in der Nacht sind die häufigsten Auslöser. "DieWirtschaftskrise kann die Anzahl der Schlaflosen erhöhen", sagteFietze. Der Druck zu Mehrarbeit aus Jobangst begünstige das Leiden ebenso wie Arbeitslosigkeit.

Überzogene Reaktion der Patienten

Doch nur wenige Schlaflose wenden sich an einen Arzt. Die DAK-Studie fand heraus, dass nur rund 3,4 Prozent der erwerbstätigen Versicherten im Laufe eines Jahres eine Schlafstörungs-Diagnose erhalten. Allerdings greifen sie dann oft zu drastischen Mitteln: Bei etwa 14 Prozent der Patienten, die Medikamente verschrieben bekamen, stellte die Krankenkasse einen riskanten Schlafmittelgebrauch fest. Sie nahmen bis zu sechs Monate oder länger Tabletten ein, statt der ärztlich empfohlenen vier Wochen.

Viele Betroffene schleppten sich trotz Erschöpfung, Antriebslosigkeit oder Nervosität zur Arbeit, wie der Gesundheitsreport belegt. Rund 9 Prozent von ihnen leiden an ihrer Arbeitsstelle oft unter massivem Schlaf-Drang, berichtete Hans-Dieter Nolting, der Geschäftsführer des IGES- Instituts, das die Befragen im Auftrag der DAK geleitet hatte. Die zusätzliche Belastung bleibt nicht ohne Folgen. "Wenn man chronisch weniger als sechs Stunden schläft, hat man eine deutlich kürzere Lebenserwartung", warnte Fietze.

Das Problem ist nicht die Schweinegrippe

Schlaflosigkeit, so die Experten, kann unter anderem einhergehen mit Herz-Kreislauferkrankungen, chronischen Schmerzen oder Depressionen. Der DAK-Gesundheitsreport wies für 2009 einen Anstieg von sechs Prozent bei psychischen Erkrankungen nach. Insgesamt blieb der Krankenstand unter erwerbstätigen DAK-Mitgliedern nahezu gleich wie im Vorjahr. Er stieg 2009 geringfügig auf 3,4 Prozent (2008: 3,3 Prozent).

"Nicht die Schweinegrippe, sondern die saisonal gehäuften Atemwegsinfekte Anfang 2009 haben den Krankenstand am deutlichsten beeinflusst", kommentierte DAK-Chef Herbert Rebscher die Entwicklung. Die Krankmeldungen aufgrund von Erkältungen führten zu knapp 20 Prozent mehr Fehltagen als im Vorjahr. Ein DAK-Versicherter war 2009 durchschnittlich 12,4 Tage krankgeschrieben, 2008 waren es 11,9 Tage.

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