Lehrerbenotung im Netz:Kritik muss man aushalten

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Seit Monaten ärgern drei Kölner BWL-Studenten die deutsche Lehrerschaft: Auf ihrer Seite spickmich.de dürfen nach Schülern auch Eltern die Lehrer ihrer Kinder benoten.

Tanjev Schultz

Das Norbert-Gymnasium Knechtsteden in Dormagen steht im Internet als Testsieger da. Bei schulradar.de, einem Ableger des umstrittenen Portals spickmich.de, rangiert die Schule derzeit mit der Gesamtnote 1,7 ganz oben. Schulleiter Josef Zanders gibt darauf aber nicht viel. Die Zensur basiert ja auch nur auf dem Urteil von etwa hundert Schülern. Ein paar Eltern haben die Schule ebenfalls bewertet, bei ihnen kommt sie allerdings über ein "ausreichend" nicht hinaus. Das ganze Verfahren sei doch unseriös, sagt Zanders. "Es ist weder repräsentativ noch manipulationssicher."

Auf Portalen wie spickmich.de können Schüler und auch Eltern einzelne Lehrer oder ganze Schulen bewerten. (Foto: Foto: ddp)

Jetzt dürfen auch Eltern benoten

Seit Monaten ärgern drei Kölner BWL-Studenten die deutsche Lehrerschaft. Erst gründeten sie spickmich.de. Dort benoten Schüler ihre Lehrer. Nun haben sie das Angebot um schulradar.de erweitert. Dort sollen Eltern den Schulen ein Zeugnis ausstellen. "Wir glauben, dass wir die Schullandschaft besser machen können", sagt Manuel Weisbrod, 27, einer der Gründer. Eltern können nicht nur Noten vergeben, sondern in Foren diskutieren oder Fotos der Schule ins Netz stellen - "von der Turnhalle oder gern von den sanitären Einrichtungen".

Vertreter der Lehrerverbände sind entrüstet und warnen vor einer Kultur der Denunziation. Am heftigsten ist ihr Protest gegen die Benotung einzelner Pädagogen. Zwei Lehrerinnen zogen bereits vor Gericht, bisher erfolglos. Am Freitag urteilte das Landgericht Duisburg wie zuvor schon das Landgericht Köln, die Noten für Lehrer seien vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt. Solange keine Schmähkritik vorliegt, müssen Lehrer die Bewertung aushalten. Zensuren gibt es bei spickmich.de in Kategorien wie "gut vorbereitet" oder "cool und witzig". Besonders fragwürdige Kategorien wie "sexy" oder "leichte Prüfungen" haben die Betreiber aufgegeben.

800.000 Registrierte Noten-Geber

Durch die Prozesse und Proteste der Lehrer bleiben die Internetseiten im Gespräch. Sie werden bereits als Werbeflächen gebucht. Nach Angaben der Studenten, die mittlerweile ein Team von zwölf Mitarbeitern beschäftigen, wurden bisher etwa 350.000 Lehrer benotet, mehr als 800.000 Nutzer sollen registriert sein. Wie bei anderen Portalen dürfte es allerdings viele "Karteileichen" geben, die sich zwar einmal angemeldet haben, das Angebot aber gar nicht wahrnehmen.

Auf den neuen Seiten von schulradar.de sind angeblich bereits 18000 Eltern und Ehemalige registriert. Die Erwachsenen können zu den Schulen Kommentare und Noten in sechs Kategorien abgeben: individuelle Förderung, Gebäude, Schulleitung, Lehrer, Schulklima und unterrichtsbegleitende Aktivitäten. Ob die Einträge wirklich von Eltern stammen, weiß aber niemand. Lehrer, die ihre Noten oder die ihrer Schule aufbessern wollen, haben leichtes Spiel.

Den Vorwurf, sie stellten Lehrer und Schulen an einen Internet-Pranger, weisen die Betreiber vehement zurück. Sie förderten nur den Austausch zwischen Eltern und Schülern. Das Bewerten von Hotels oder Büchern sei doch auch gang und gäbe. Zudem belegten die Durchschnittsnoten von 2,7 für Lehrer und 2,9 für Schulen, dass das Angebot keineswegs nur von denen genutzt werde, die ihrem Ärger Luft machen wollen. Der Vorsitzende des Bundeselternrats, Dieter Dornbusch, bleibt aber skeptisch. Von anonymen Online-Bewertungen hält er nichts. Er appelliert an Lehrer, Eltern und Schüler, regelmäßig miteinander zu sprechen. Auf direktem Wege, von Angesicht zu Angesicht.

© SZ vom 19.04.2008/sam - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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