Süddeutsche Zeitung

Lehrer Matthias Isecke-Vogelsang:Punk's not dead

Grün-gelb gefärbte Haare, dazu Springerstiefel und Nieten-Armbänder: Matthias Isecke-Vogelsang ist Rektor in Lübeck und macht als Punker Karriere im Staatsdienst.

Fabian Mader

Matthias Isecke-Vogelsang sieht aus wie der klassische Lehrerschreck: Grün-gelb gefärbte Haare, Springerstiefel, Nieten-Armbänder. Isecke-Vogelsang ist aber 57 Jahre alt und außerdem selbst Lehrer. Um genau zu sein: Rektor an der Gotthard-Kühl-Schule in Lübeck. Dass Punker im Staatsdienst Karriere machen, ist eher ungewöhnlich. Das Schulamt in Schleswig-Holstein sei eben besonders liberal, findet der Rektor. Er ist allerdings auch nicht der Typ Punker, der mit einer Dose Hansa-Pils in der Fußgängerzone anzutreffen ist. Seit 31 Jahren ist Isecke-Vogelsang mit ein und derselben Frau verheiratet. Er hat mit ihr drei Kinder.

SZ: Herr Isecke-Vogelsang, was machen Sie, wenn einer Ihrer Schüler zu spät kommt?

Isecke-Vogelsang: Ich setze mich mit ihm zusammen und mache ihm klar, dass es so nicht geht. Pünktlichkeit ist eine Sache, die im Zusammenleben wichtig ist.

SZ: Sie sind also streng?

Isecke-Vogelsang: Es gibt einen Unterschied zwischen streng und konsequent. Strenge bedeutet, Regeln durchzudrücken, egal, ob die Schüler sie verstehen. Das lehne ich ab. Ich mache Deals. Ich vereinbare mit dem Kollegium einige wichtige Grundregeln des sozialen Zusammenlebens. Dann achte ich schon darauf, dass die auch eingehalten werden.

SZ: Finden Sie Regeln wie Pünktlichkeit nicht spießig?

Isecke-Vogelsang: Nein. Auch ein Punk weiß: Wenn die "Force Attack", ein Punkrock-Festival bei Rostock, am 12.Juli angesetzt ist, muss ich auch am 12. Juli da sein.

SZ: Welche Regeln stehen denn sonst so auf der Schulordnung?

Isecke-Vogelsang: Ich bin ja erst seit sechs Wochen hier, deshalb kann ich dazu noch nicht viel sagen. Aber ich war zuvor zwanzig Jahre lang an einer Grund- und Hauptschule. Dort gab es fünf Grundregeln. Zum Beispiel: Konflikte werden ohne Gewalt ausgetragen. Das fand ich gut. Punk bedeutet für mich nicht, dass es gar keine Regeln geben darf, sondern, dass jeder seine Fähigkeiten und Möglichkeiten, für die er als Person steht, ausleben kann. Ich bin sehr für Freiheit. Aber für die Freiheit von allen.

SZ: Nehmen Sie sich die Freiheit, im Musikunterricht Ihre Bands zu spielen?

Isecke-Vogelsang: Da kommt schon auch Punk vor.

SZ: Was bringen Sie den Schülern in dem Bereich bei?

Isecke-Vogelsang: Kennen Sie "Schuld war nur der Bossa Nova"? Davon gibt es eine Punkversion. Die haben wir uns in der Klasse angehört und mitgesungen. In der Version ist so ein eher angestaubtes Volkslied für die Kinder gleich viel interessanter.

SZ: Wann haben Sie eigentlich Ihr Interesse für Punk entdeckt?

Isecke-Vogelsang: Das ging bei mir im Studium in Kiel los. Ich war damals 23Jahre jung und fand die "Sex Pistols" ziemlich gut. Dann wurden erst die Haare immer länger, dann kamen die Nieten-Armbänder dazu. Später habe ich mir die Haare auch gefärbt.

SZ: Was haben die Professoren gesagt?

Isecke-Vogelsang: Es gab damals, Anfang 1976, keine große Punkerszene in Kiel. Insofern bin ich schon aufgefallen. Meine Professoren nahmen das locker. Die haben mich nach meinen Leistungen und meinem Charakter beurteilt.

SZ: Haben Sie später im Dienst mal Ärger mit dem Schulamt bekommen?

Isecke-Vogelsang: Es gibt ja schon manche Dinge, die ich in unserem Staat anders machen würde. Aber in der Beziehung muss ich meinem Dienstherrn sagen: Das war total in Ordnung. Das gilt für Politiker aller Fraktionen, gleich welcher Couleur. Das zeigt, denke ich, auch die Liberalität meines Bundeslandes.

SZ: Es gab nie Ärger wegen Ihrer Kleidung?

Isecke-Vogelsang: In dem Bereich, wie gesagt, nie. Aber klar, manche reduzieren mich natürlich auf meine Haare. Das ärgert mich. Weil ich nach meinem Charakter beurteilt werden möchte, nicht nach dem Äußeren.

SZ: Noch eine praktische Frage: Wie lange färben Sie Ihre Haare schon?

Isecke-Vogelsang: Bestimmt 20 Jahre.

SZ: Und gehen die davon nicht kaputt?

Isecke-Vogelsang: Das denkt man immer. Aber dem ist wohl nicht so. Meine Friseurin wundert sich auch immer wieder: Aber die sind völlig in Ordnung.

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Quelle:
SZ vom 17.09.2010/mel
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