Lebenskunst ist ...:... sich selbst zu mögen

Manche Menschen sind notorisch mit sich unzufrieden. Selbstkritisch zu sein, ist unverzichtbar. Doch sich selbst ständig schlechtzumachen, ist völliger Unsinn.

Stefan F. Gross

Es gibt Menschen, die sind notorisch mit sich unzufrieden. Mehr noch, bei manchen hat man fast schon den Eindruck, sie mögen sich selbst nicht. Zumindest in Teilen.

iStock, Spiegel

Blick in den Spiegel: Manche Menschen sehen lieber ihre Schwächen als ihre Stärken.

(Foto: Foto: iStock)

Ein Beispiel ist ihr Aussehen. Wohin der Blick im Spiegel auch fällt, irgendetwas stört sie immer. Die eigene Nase. Die ist zu riesig. Die eigenen Hüften. Die sind zu rund. Oder die eigenen Muskeln. Die sind zu untrainiert. Von den eigenen Haaren ganz zu schweigen. Wie man die auch kämmt, eine Frisur entsteht nie daraus.

Ein anderes Feld sind ihre Schwächen im Alltag. Worum es auch geht, ständig entdecken sie an sich Fehler, die ihnen jede Freude an dem verderben, was sie schon alles geschafft haben oder was prima bei ihnen läuft. Ihre Selbstdisziplin genügt ihnen nicht ("jeden Tag ein Stück Schokolade zuviel"). Ihr Durchsetzungsvermögen erscheint ihnen unterentwickelt ("immer entscheiden andere, wo es langgeht"). Oder sie verzweifeln an ihrer löchrigen Selbstorganisation ("immer diese Hektik und dieses Durcheinander").

Charakter und Lebenseinstellung

Kurz gesagt: Nicht wenige Menschen sind weit davon entfernt, so etwas wie "ihr eigener Fan" zu sein und sich so zu akzeptieren und zu schätzen, wie sie sind. Stattdessen denken sie ständig darüber nach, wo ihre Unzulänglichkeiten liegen und was ihnen zu ihrem eigenen Idealbild noch fehlt. Und entsprechend groß ist ihre Unzufriedenheit mit sich und ihrem Leben insgesamt.

Ursachen dafür gibt es viele. Charakter und Lebenseinstellung sind sicher zwei zentrale Faktoren. Eine weitere Ursache ist aber auch das Bombardement an "Scheinvorbildern", die das Fernsehen oder Hochglanzjournale täglich auf uns niederprasseln lassen.

Ein Beispiel sind Modezeitschriften. Der Glaube, die perfekt gestylten Modelle seien einfach nur gut geschminkt, stammt aus ferner Vergangenheit. In Wahrheit verbirgt sich dahinter längst das Zaubermittel "Photoshop", mit dessen PC-gestützter Hilfe selbst eine Sumpfschildkröte das Aussehen einer Märchenprinzessin erhält. Wer sich hier vergleicht, wird außer Depressionen nichts gewinnen.

Ein anderes Beispiel sind Nachrichtenjournale oder Unterhaltungsshows. Dort treten Personen auf, die auch die kompliziertesten Schachtelsätze fehlerfrei von sich geben können. Genies? Nein, nur Menschen, die gute Augen haben und ablesen können, was an Texten auf einem Monitor vor ihnen abläuft. Wer hier jedes Mal von "Reden können" auf "Denken können" schließt, der meint es mehr als gut mit so manchem Beteiligten.

Konzentration auf Stärken und Begabungen

Die Schlussfolgerung ist klar: Selbstkritisch zu sein, ist unverzichtbar. Sich aber vor sich selbst schlecht zu machen und seine Unzufriedenheit mit sich zu kultivieren, ist völliger Unsinn. Es raubt einem die Energie, den Optimismus und die Tatkraft. Und es bringt einen dazu, das eigene Umfeld für alles büßen zu lassen.

Machen Sie sich also zu einem Freund (oder einer Freundin) Ihrer selbst! Akzeptieren und mögen Sie sich so, wie Sie sind. Wenn es etwas gibt, das Sie ernsthaft stört, dann ändern Sie es entschlossen. Ansonsten konzentrieren Sie sich auf Ihre Stärken und Begabungen. Die sind es, die wirklich zählen und die Sie im Leben weiterbringen!

Bitte schreiben Sie uns: Welche Ihrer persönlichen Eigenheiten und Verhaltensweisen schätzen Sie am meisten an sich? Und was würden Sie gerne ändern? Vielen Dank!

Stefan F. Gross ist Managementdozent, Autor und Kolumnist. Er beschäftigt sich intensiv mit dem Thema der Verbindung von beruflichem Erfolg mit persönlicher Lebenskunst. Seine Kolumne "Lebenskunst" erscheint jeden Dienstag auf sueddeutsche.de.

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