Leben in der Arbeitslosigkeit:"Für Sie haben wir keine Verwendung"

Auslandserfahrung, Diplom mit Auszeichnung, mehrere Jahre Berufserfahrung - und trotzdem arbeitslos. Wenn der Aufschwung an einem vorbeigeht, tut das weh. Der regelmäßige Gang zur Agentur für Arbeit macht es nicht besser.

C. Winz

Ich bin arbeitslos. Zu neudeutsch arbeitssuchend. Klingt ja auch viel aktiver und optimistischer. Aber das gebräuchliche Substantiv heißt Arbeitslosigkeit und nicht Arbeitssuche. Zudem glaube ich, einen kleinen Unterschied herauszuhören. Wer arbeitssuchend ist, muss nicht zwangsläufig arbeitslos sein. Immerhin gibt es Leute, die auf der Suche nach einem neuen Job sind, obwohl sie Arbeit haben.

Leben in der Arbeitslosigkeit: Wenn alle von der sinkenden Arbeitslosenzahl schwärmen, schmerzt die eigene Suche nach einer Stelle besonders.

Wenn alle von der sinkenden Arbeitslosenzahl schwärmen, schmerzt die eigene Suche nach einer Stelle besonders.

(Foto: AP)

Nun ja. Ich bin beides. Arbeitslos und arbeitssuchend. Und das, seitdem ich vor fast einem Jahr von einem befristeten Job im Ausland zurückgekehrt bin. Meine Bankausbildung, mein Marketingstudium in den Niederlanden, mein Einser-Abschluss mit Auszeichnung und sehr gute Arbeitszeugnisse haben mir bisher nicht zu einer neuen Arbeit verhelfen können. Dabei bewerbe ich mich mittlerweile trotz mehrerer Jahre Berufserfahrung im Marketing und Produktmanagement auch auf Einstiegspositionen, Junior- und Assistentenstellen. Erfolglos.

Noch vor einigen Monaten war ich naiv genug zu glauben, mit Berufserfahrung in Unternehmen wie KPMG und Beiersdorf und der nötigen Mobilität sei ich für den Arbeitsmarkt attraktiv. Aber das alles scheint kaum eine Bedeutung zu haben. Ich bin 34 Jahre alt, verheiratet, kinderlos. Und: Ich bin weiblich. Ich werde das Gefühl nicht los, vom Arbeitsmarkt als Hochrisikofaktor eingestuft zu werden.

Vier Gespräche aus mehr als 80 Bewerbungen. Davon zwei Angebote. Einmal wurde mir vermittelt, ich bekäme die Stelle nur, weil einfach dringend jemand gebraucht würde, bei dem anderen Arbeitgeber stimmte die Chemie einfach nicht und finanziell wäre es deutliche Verschlechterung für mich gewesen. Seinerzeit war ich noch mutig genug, deshalb die Angebote auszuschlagen, weil ich die Phantasie hatte, ich könnte es mir leisten, auf den richtigen Job zu warten.

Bei zwei Jobs war ich in der engeren Wahl - konnte jedoch kein verhandlungssicheres Englisch vorweisen. Nur fließend. Laut meiner Beraterin bei der Bundesagentur für Arbeit ist mein Englischniveau damit nicht förderwürdig. Nach meinem ersten Antrag nicht, weil es Jahresende war - und die Gelder für diese Maßnahmen nicht mehr vorhanden waren. Das zweite Mal - obwohl zum Jahresanfang - auch nicht. Diesmal, weil es Arbeitslose gebe, die "deutlich förderwürdiger" seien als ich. Auf meine Frage, ob ich nicht die gleichen Rechte hätte wie jeder andere Arbeitslose, wurde mir gesagt, dass es darum nicht ginge.

Die regelmäßigen Termine beim Arbeitsamt sind mir ein Gräuel. Während der letzten zehn Monate habe ich genau vier sogenannte Vermittlungsvorschläge von der BA bekommen. Drei dieser Vorschläge waren schon am gleichen Tag nicht mehr aktuell, die Stellen bereits besetzt.

"Keine Verwendung für Leute wie Sie"

Seit einiger Zeit muss ich Listen darüber führen, wann ich mich wo beworben habe, wann und wo ich eingeladen war und warum es hier und da und dort nicht geklappt hat. Diese Listen bringe ich dann zum Termin mit. Ich fühle mich jedes Mal wie ein Zirkuspferd auf der Anklagebank. In spätestens zwei Monaten hat das ein Ende. Da läuft mein Anspruch auf Arbeitslosengeld aus. Ich kann einfach nicht glauben, dass ich in wenigen Wochen Hartz-IV-berechtigt wäre, wenn ich nicht verheiratet und damit abgesichert wäre. Somit bleibt mir zumindest diese soziale Deklassierung erspart.

Zahl der Arbeitslosen im Februar gestiegen

Formular um Formular müssen Arbeitslose ausfüllen - oft mit frustrierendem Ergebnis.

(Foto: ddp)

Letzte Woche wurde ich von der Bundesagentur für Arbeit zu einer grenzüberschreitenden Jobbörse für zukünftige Grenzpendler eingeladen. Wie angewiesen bin ich mit fünf Bewerbungsmappen dort erschienen, um mich bei den potentiellen Arbeitgebern aus den Niederlanden vorzustellen. Ich bin keine einzige Mappe losgeworden, da man "für Leute wie mich keine Verwendung hätte".

Gesucht wurden unter anderem Lagerarbeiter, Produktionshelfer und Gabelstaplerfahrer. Den zwei Damen von der Bundesagentur für Arbeit, die bei meiner Ankunft zufrieden einen Haken hinter meinen Namen gesetzt hatten, habe ich meine Irritation über die Einladung zu dieser Börse geschildert. Erklären konnten sie sich das auch nicht - die Entscheidung darüber hätten schließlich nicht sie getroffen.

Statistisch gesehen ist die Arbeitslosenzahl im Oktober auf unter drei Millionen gesunken. Ausgerechnet jetzt höre ich Frau von der Leyen im Radio, die diese frohe Botschaft feiert und darauf verweist, dass dies unter anderem der Verdienst der "unermüdlichen Jobvermittler der Bundesagenturen für Arbeit wäre, die mit ihrem untrüglichen Gespür und dem richtigen Riecher für die Stellenvermittlung" maßgeblichen Anteil daran hätten.

Was ich in dieser Zeit lernen durfte: Meine Freunde sind wirkliche Freunde. Keiner, der mir das Gefühl gibt, nicht mehr "dazuzugehören". Das hat man auch so täglich. Schließlich hat man einfach einen Job zu haben.

Trotzdem werde ich das Gefühl nicht los, dass die Frage nach dem Stand der Dinge auch meinen Freunden unangenehm wird. Die Zeiten, in denen sie mir unbesorgt und hoffnungsvoll die Aussicht auf einen baldigen Job prophezeiten, sind vorüber. Jetzt herrschen Ratlosigkeit und Mitgefühl.

So selbstbewusst wie vor einem Jahr bin ich nicht mehr. Dafür stiller und unsicherer. Ein Arbeitskollege meines Mannes hat am Wochenende Geburtstag und zahlreiche Kollegen und deren Partner eingeladen. Eigentlich freue ich mich darauf. Wenn da nur nicht die Angst vor der Frage wäre, was ich denn so mache.

Da mein Arbeitslosengeld in Kürze ausläuft, habe ich heute meinem letzten offiziellen Termin beim Arbeitsamt. Ich sitze wieder dem Herren aus meinem ersten Gespräch gegenüber, der mich darüber informiert, dass ich mit dem baldigen Ablauf meines Anspruchs auf Arbeitslosengeld nicht mehr sozialversichert bin. Gleichzeitig bittet er um mein Einverständnis, mich dann auch als Arbeitssuchende abmelden zu können. Ich verneine dies mit der Begründung, dass ich es nicht unterstützen werde, die Statistik zu schönen. Schließlich bin ich weiterhin arbeitssuchend - und arbeitslos.

Seinen Einwand, dass ich dann allerdings auch weiterhin zu den Terminen erscheinen müsse, nehme ich beruhigt zur Kenntnis. Ich hatte schon befürchtet, nicht mehr kommen zu dürfen.

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