Süddeutsche Zeitung

Länder-Vergleich:Wo Ingenieure am besten verdienen

Europa, Australien, Amerika: Die Anforderungen an studierte Techniker sind weltweit ähnlich, das Einkommen variiert jedoch stark.

Birgit Huber

In einigen Wochen wird für Nils Berger (Name geändert) die Sonne über Chicago aufgehen. Dann arbeitet der 34 Jahre alte Projektleiter eines Automobilzulieferers nicht mehr in Deutschland, sondern in den USA. Dort wird der Ingenieur in direktem Vergleich zu seinen amerikanischen Kollegen stehen. Auch, was das Gehalt angeht.

Trotz internationaler Verflechtung ist die Bezahlung von Ingenieurgehältern weltweit sehr unterschiedlich: Je weiter man sich von den Industrienationen Richtung Schwellen- oder Niedriglohnländer bewegt, desto größer wird diese Kluft. Das sind nach wie vor die Spielregeln der globalisierten Arbeitswelt.

Doch wie sehen die Unterschiede in den Industrienationen aus? Deutsche Ingenieure zählen nach den britischen, amerikanischen, schweizerischen und kanadischen weltweit zu den bestbezahlten, auch wenn die Gehälter nicht einheitlich sind und von Faktoren wie Branche, Unternehmensgröße sowie Qualifikation und Berufserfahrung abhängen. "Das schwankt schon bei Einsteigern. Absolventen mit Universitätsabschluss verdienen jährlich zwischen 34.000 und 42.000 Euro, mit Fachhochschulabschluss zwischen 33.000 und 39.000 Euro", sagt Alexander von Preen, Geschäftsführer der Gummersbacher Managementberatung Kienbaum, der europäische und internationale Unternehmen in der Vergütungsgestaltung berät.

Erfahrene Projektmanager erhalten nach Berechnungen des Vereins deutscher Ingenieure (VDI) im Durchschnitt 58.000 Euro, Teamleiter 60.000, Abteilungsleiter 66.000 und Bereichsleiter 75.000 Euro, wobei die Gehälter im Baugewerbe (Sachbearbeiter 36.000 Euro; Abteilungsleiter 58.350 Euro) wesentlich geringer sind als in der Fahrzeugbau- oder Chemiebranche (Sachbearbeiter 46.600, Abteilungsleiter 72.500 Euro).

Österreichische, französische, italienische, niederländische und skandinavische Unternehmen zahlen ihren Ingenieuren weniger als deutsche, dennoch zählen diese Ingenieure weltweit zu den gut entlohnten Kräften. Doch Achtung: Um einen aussagefähigen Vergleich ziehen zu können, muss man immer den Einzelfall betrachten: Ein Ingenieur in Paris oder London kann zwar sehr gut verdienen, doch ein Großteil seines Gehalts wird für hohe Mieten und Lebenshaltungskosten draufgehen.

Gehälter im Keller

Ganz anders im Osten Europas: Dort sind die Gehälter im Keller. In Bulgarien etwa wird Ingenieuren im Vergleich zu Deutschland 80 Prozent weniger gezahlt, in der Slowakei 67 Prozent weniger, und auch die Löhne in Ungarn und der Tschechischen Republik liegen mit ungefähr der Hälfte der deutschen Gehälter am unteren Ende der Tabelle. Dabei profitieren die Firmen mittlerweile von der Aufbauarbeit in den Ländern und einem daraus resultierenden Qualifikationsschub. Auch Asien ist auf dem Sprung.

China etwa mobilisiert seine Arbeitskräfte: 440.000 Ingenieure verlassen jedes Jahr die Universitäten des Landes. Viele von ihnen vertiefen ihr Fachwissen bei japanischen und westlichen Firmen. Auf den Gehaltszetteln stehen trotzdem noch sehr niedrige Summen: Chinesische Ingenieure verdienen im Schnitt 60 Prozent weniger als ihre deutschen Kollegen, in vielen Fällen sogar nur ein Fünftel. Kein Wunder, dass Unternehmen aus der ganzen Welt gerne ihren Standort in das Reich der Mitte verlagern.

Auch in Indien stehen die Zeichen auf Umbruch. Mit seinen 1,3 Milliarden Einwohnern ist Indien, nach China, das bevölkerungsreichste Land der Welt, und vor den USA. Indien und China zusammen bilden jährlich 700.000 hoch qualifizierte Ingenieure aus - das sind zehnmal so viele wie in den USA und Europa. Ein Berufsanfänger geht in Indien mit 200 bis 300 Euro im Monat nach Hause. Und selbst Ingenieure mit 30 Jahren Berufserfahrung kommen auf maximal 2000 Euro monatlich. Doch das wird sich bald ändern.

Der Aufschwung, den Indien im Moment erlebt, wird auch die Gehälter nach oben treiben: Einer Prognose der Kienbaum-Unternehmensberatung zufolge sollen Ingenieure in Indien in diesem Jahr mit im Schnitt 15,4 Prozent mehr Gehalt rechnen können.

Gehälter der Superlative

Stetig aufwärts geht es auch Down under: Australien, das sechstgrößte Land der Welt, und Neuseeland stehen seit Jahren wirtschaftlich gut da. Australien zahlt seinen Ingenieuren im Schnitt 17 Prozent weniger als in Deutschland üblich, wobei man bei den Ingenieurgehältern "zwischen cash-salary und dem ganzen Gehaltspaket unterscheidet, das Leistungen des Arbeitgebers wie Pensionszulagen oder Firmenwagen umfasst", erklärt André Kaspura von der nationalen Ingenieurvereinigung "Engineers Australia".

Berufsanfänger kommen umgerechnet auf 27.300 Euro cash und auf ein Gehaltspaket von 31.000 Euro. Das Grundgehalt von Ingenieuren mit höchster Verantwortung liegt bei 84.600 Euro und mit Zulagen bei 108 000 Euro.

Bleibt noch die größte Volkswirtschaft der Welt: die USA. Das Land der Superlative macht auch in Bezug auf die Ingenieurgehälter seinem Ruf alle Ehre. Hier haben studierte Techniker zwölf Prozent mehr in der Tasche als ihre Kollegen in Deutschland. Das wird Nils Berger die Abreise aus Deutschland versüßen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.501624
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 8.7.2006
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.