Kundenkontakt:"Dieser Job ist nicht immer gerecht"

Kundenkontakt: Monica Schori.

Monica Schori.

(Foto: privat)

Die Trainerin Monica Schori erklärt, warum sich nicht jeder für einen Beruf mit Kundenkontakt eignet und warum man sich Schlüsselsätze zurechtlegen sollte, um souverän auf wütende Beschwerden zu reagieren.

Interview von Viola Schenz

Mit Kunden, vor allem mit schwierigen, zurechtzukommen, ist eine Gabe, die einiges voraussetzt: Menschenkenntnis, diplomatisches Geschick, starke Nerven, Geduld. Monica Schori ist Beraterin für überbetriebliche Personalentwicklung und Autorin des "Trainingsbuch Kundenkontakt" (Redline Verlag, 2020). Die Schweizerin erklärt, wie man anderen den bestmöglichen Umgang mit Kunden beibringt.

SZ: Schon lange heißt es, Kunden seien schwieriger und anspruchsvoller geworden. Können Sie das bestätigen?

Monica Schori: Eindeutig. Wenn ich die letzten fünf Jahre zurückschaue, beobachte ich das in allen Branchen. Kunden werden fordernder, ungeduldiger. Ein Grund ist sicher der zeitliche und finanzielle Druck. Er macht die Menschen weniger nachsichtig. Sie geben diesen Druck weiter, an Zulieferer, Geschäfte, Dienstleister.

Bewertungsportale erleichtern einerseits die Geschäfte, andererseits auch Beschwerden. Ist das Fluch oder Segen?

Es ist beides. Tolle Sachen gehen weltweit viral, aber eben auch unkontrollierte Emotionen. Ich vergleiche das gerne mit einem Stammtisch: Früher hat man seinem Ärger dort Luft gemacht, wurde aber von den anderen gleich wieder von der Palme geholt. Jetzt sitzen viele daheim allein vor ihrem Computer und hauen in ihrer ersten Wut gleich in die Tasten.

Die Deutschen gelten als besonders kritisch und rechthaberisch. Frage an die Schweizerin: Sind sie besonders schwer zufriedenzustellen?

Nein, heute nicht mehr. Aber vor 20 Jahren habe ich das auch so erlebt. Manche haben nach wie vor einen etwas anderen Kommunikationsstil, aber das ist es auch schon.

Sie meinen, sie sind direkter, schroffer?

Bei Deutschen herrscht eventuell eher ein Grundmisstrauen, sie tauen erst auf, wenn sie merken, dass das Gegenüber nett ist. Gerade wenn ich in Norddeutschland bin, brauche ich ein, zwei Tage, bis ich mich an das etwas Schroffe gewöhne, an den Mangel an Floskeln im öffentlichen Raum. Wir Mitteleuropäer sind halt per se keine Smiley-Menschen. Das merkt man ja oft am Flughafen: Aha, wir sind wieder bei uns! Aber da hat sich in den vergangenen Jahren viel getan, verbessert.

Sie beraten und schulen auch Italiener, Franzosen, Briten, Araber. Inwiefern unterscheiden sich andere Nationen in Sachen Kundenmanagement?

Die haben alle ihre Eigenheiten - und mit ihnen manchmal auch zu kämpfen. Doch bei Begegnungen geht es immer um das eine: Sobald das Selbstwertgefühl auf einer Seite verletzt wird, leidet die Kommunikation. Das ist überall und international so. Unabhängig davon sind bei Anbietern wie Konsumenten gleichzeitig die Ansprüche gewachsen.

Tragen Firmen und Dienstleister eine Mitschuld? Versprechen sie zu viel in ihrer Werbung und können es dann nicht halten?

Ja, einerseits schaukeln sich beide Seiten hoch, andererseits herrscht eine Diskrepanz zwischen dem, was die Geschäftsleitung locker vom Hocker verspricht, und dem, was die Mitarbeiter dann realisieren können. Die Frage, ob das, was man bieten will, umgesetzt werden kann, wird zu selten gestellt. Das Ergebnis sind unterbesetzte Hotlines und Klienten, die nach zwanzig Minuten in der Warteschleife den erstbesten Mitarbeiter anschnauzen, auch wenn der nichts für die Situation kann.

Nicht jeder ist für den täglichen Kontakt mit Kunden geschaffen. Was raten Sie jemandem, der gerade neu startet?

Es braucht eine gewisse Haltung, man sollte ein Das-Glas-ist-halbvoll-Mensch sein. Und: Man muss Menschen mögen. Wer eher misstrauisch ist, wer den Kontakt mit Menschen nicht gerade sucht, wird mit dieser Aufgabe nicht glücklich sein. Denn dieser Job ist nicht immer gerecht. Man kriegt nicht das von den Kunden, was man eigentlich verdient hätte. Das wegzustecken, ist für viele schwierig. Kunden stellen zum Beispiel gerne dieselben Fragen, was einige Energie kosten kann. Aber die immer gleichen Fragen kommen halt von immer anderen Menschen.

Wie geht man mit Wut-Kunden um, die ausfallend oder beleidigend werden?

Es ist erwiesen, dass ein verärgerter Mensch maximal drei Minuten am Stück toben kann, wenn man ihn nicht unterbricht. Es gibt zwei Möglichkeiten: das verständnisvolle und das abgrenzende Reagieren. Ein verärgerter Mensch will vor allem Verständnis. Der will keinen Gutschein, sondern dass die Person am anderen Ende sagt: Du bist ein ganz Armer, sorry, dass du das so erlebst! Also reagiert man mit: "Es tut mir leid, dass Sie mit unserer Leistung nicht zufrieden sind." Mein Tipp: Legen Sie sich Schlüsselsätze und Reaktionen bereit! Niemand hat gute Stehgreif-Antworten parat, wenn er überrumpelt wird. In neun von zehn Fällen ist man erfolgreich mit verständnisvollem Reagieren. Im zehnten Fall unterbreche ich und sage: Ich verstehe Ihren Ärger, aber ich bitte Sie, in einem anderen Ton zu sprechen.

Und wenn das nichts ändert?

Dann beende ich höflich-sachlich das Gespräch. Keiner meiner Kunden hat je von seinen Mitarbeitern erwartet, dass sie sich von Kunden beschimpfen lassen.

Viele Geschäfte und Dienstleister werden sich nach dem Lockdown neu aufstellen und umdenken müssen. Was gilt es hier zu beachten beim Umgang mit Kunden und bei der Akquise?

Ich bin da optimistisch, ich denke, dass die Kommunikation mit Kunden nach einer Normalisierung der Lage eher einfacher wird. Das Verlangen nach wertschätzendem, persönlichem Kontakt wird zunehmen, zumal nach der langen Phase der erzwungenen sozialen Distanz. Noch sind wir alle in Schockstarre, und doch sollte man sich überlegen, diesen Stillstand zu nutzen, um Strukturen und Abläufe zu überdenken. Man sollte sich sein Geschäft, seinen Betrieb jetzt vorstellen wie ein Schiff, das zur Überholung in der Werft liegt. Und egal, wann die Krise überwunden ist, egal, ob die Menschen dann skeptischer oder ängstlicher sind: Bewusster und höflicher Umgang mit Kunden wird auch in hundert Jahren noch gewürdigt werden.

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