Süddeutsche Zeitung

Kulturmanagement-Studiengänge:Mut zum Wandel

Die neue Generation der Kulturmanager will mehr aktuelle Themen in Theater, Konzertsäle oder Museen holen. Aber das ist noch nicht alles.

Von Joachim Göres

Museen, Theater, Orchester - sie und viele weitere Kultureinrichtungen in Deutschland stehen vor einem Generationenwechsel in der Leitung. "Absolventen der Kulturmanagement-Studiengänge haben heute gute Berufsaussichten, denn viele Führungskräfte gehen in den Ruhestand, und es gibt zudem viele neue Stellen", sagt Birgit Mandel, Leiterin des Master-Studiengangs Kulturvermittlung an der Universität Hildesheim in Niedersachsen. Sie war Anfang der Neunzigerjahre eine der ersten deutschen Hochschulen, die Inhalte des Kulturmanagements vermittelte. Die akademische Ausbildung in Hildesheim bereitet auf Führungspositionen vor - dabei spielen Kulturmarketing und Kulturpolitik eine große Rolle im Studienplan.

Laut Mandel hat sich die Rolle des Kulturmanagers geändert - heute werde weniger der Spezialist für ökonomische Fragen oder der Fundraiser als vielmehr der Kurator und Koproduzent gesucht, der notwendige Veränderungen in seinem Kulturbetrieb einleitet und auf gesellschaftliche Herausforderungen wie Migration, Digitalisierung und Globalisierung reagiere.

Das soziale Klima in kulturellen Einrichtungen und die Gehälter lassen oft zu wünschen übrig

Mandel legt Wert auf die künstlerische Ader ihrer Studierenden, die sie in einer Eignungsprüfung nachweisen: "Sie müssen in einer Sparte gut sein, denn man braucht eigene Erfahrungen, um künstlerische Arbeitsprozesse besser begreifen zu können", sagt sie. Der vier Semester dauernde Master-Studiengang Kulturvermittlung beginnt immer zum Wintersemester - zuletzt bekam die Hälfte der 70 Bewerber einen Studienplatz. Bundesweit bestehen circa 45 ähnliche Studiengänge und 30 Weiterbildungsangebote. Zunehmend treten spezialisierte Fächer wie Musikmanagement, Theatermanagement oder Kreativwirtschaft in Konkurrenz zu allgemeinen Kulturmanagement-Studiengängen.

Die Professorin für Kulturmanagement und Kulturvermittlung sieht einen deutlichen Unterschied zwischen ihren Studierenden vor 25 Jahren und der heutigen Zeit: "Damals wollten die meisten in das Kulturmanagement und in Leitungspositionen großer Häuser. Heute will die Mehrheit selber gestalten und Inhalte mitprägen. Sie bevorzugt kleine Einrichtungen und die freie Szene, denn in vielen traditionsreichen Kulturinstitutionen findet man große Hierarchien und selten ein gutes Arbeitsklima." Dafür nehmen laut Mandel viele Absolventen unsichere Arbeitsverhältnisse und geringe Bezahlung in Kauf.

Auch Mandels Studentin Sena Zahirovic sieht sich weniger als Organisatorin, welche die Richtlinien eines Hauses vorgibt, sondern will künftig als Theaterpädagogin mit Menschen an ganz konkreten Projekten arbeiten. "Es gibt in unserem Studium bestimmte Management-Pflichtanteile, aber insgesamt hat man große Wahlmöglichkeiten. Das gefällt mir", sagt die Frau, die ihren Bachelor an der Fachhochschule Bielefeld im Studiengang Gestaltung mit der Studienrichtung Fotografie und Bildmedien gemacht hat.

An der Pädagogischen Hochschule (PH) Ludwigsburg stehen im Master Kulturwissenschaft und Kulturmanagement wirtschaftliche Aspekte im Vordergrund. Der Inhalt des viersemestrigen Studiums besteht aus 14 Modulen, die meisten davon sind Pflicht - wie Kulturtheorie, Kulturbetriebssteuerung, Kulturfinanzierung, Kulturmarketing und Kommunikationsmanagement. "Es ist ein bisschen wie in einer Schulklasse", sagt Kai Bölstler, der im vergangenen Wintersemester zusammen mit 20 Kommilitonen an der PH begonnen hat. Verbindlich ist auch das Teamlabor Kulturbetrieb, in dem Hochschüler in Kleingruppen drei Semester lang eine eigene Geschäftsidee für einen Kulturbetrieb entwickeln und einen Businessplan aufstellen. "Wir haben uns für ein Café entschieden, in dem Kunstausstellungen stattfinden sollen, mit regionalen und veganen Speisen. Tübingen wäre der ideale Ort dafür, denn dort gibt es noch nicht so ein großes Angebot von Kulturcafés, und die Zahl der potenziellen Nutzer wäre durch die Uni groß", sagt Bölstler. Der 24-Jährige wollte stärker in die Praxis, nachdem er sein Bachelorstudium in Geschichte und Archäologie in Freiburg erfolgreich beendet hatte. "Es existieren viele tolle Kulturinstitutionen, die aber oft Probleme haben, ihr Publikum zu erreichen. Ich möchte etwas dafür tun, dass sich das ändert und sehe das Studium in Ludwigsburg als gute Vorbereitung", sagt Bölstler.

Einen Einblick in die Praxis hat Kirsten Worm (Name geändert) bereits in ihrem Bachelor-Studium bekommen. Sie hat sich entschieden, den Weg hin zu einer eigenen künstlerischen Karriere nicht fortzusetzen. Vor allem die starken Hierarchien sind ihr ein Dorn im Auge, die dazu führten, dass die Leitung von Kultureinrichtungen mit den Künstlern teilweise nicht menschenwürdig umgehe. Worm studiert derzeit an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg Kulturmanagement. Das viersemestrige Master-Studium umfasst mehrere Praxisprojekte und endet mit dem Abschluss Kultur- und Medienmanager. "Bei uns gibt es viele Dozenten aus der Praxis und viele Studierende mit Bachelor-Abschlüssen in ganz unterschiedlichen Fächern, das finde ich sehr positiv", sagt sie. Wo sie später arbeiten möchte, weiß sie noch nicht - doch klar ist ihr Wunsch, mit dem erworbenen Wissen einmal etwas an den Strukturen verbessern zu können.

Der Wunsch nach Veränderung im Kulturbereich bei der jüngeren Generation ist groß - dies legen zumindest Ergebnisse einer aktuellen Umfrage von Mandel unter 40 Leitungskräften von öffentlichen Kulturinstitutionen nahe; die eine Hälfte steht am Ende ihres Berufslebens, die andere am Anfang. Für die Älteren ist es wichtig, das hohe künstlerische Niveau ihrer Einrichtung zu halten, für das sie auch neue Besucher begeistern wollen. Jüngeren geht es eher darum, dass die dargebotenen Stoffe eine Relevanz für die Gegenwart haben. Sie wollen die Interessen der Besucher stärker berücksichtigen und neue Zuschauergruppen erreichen. Zudem geben sie sich selbstkritisch und bemängeln, dass sowohl bei den Mitarbeitern als auch im Publikum nur wenige Migranten und Menschen mit Behinderung vertreten sind. Unabhängig vom Alter sprechen die Befragten von großen Handlungsspielräumen, die aber durch fehlende Finanzmittel und unflexible Strukturen der Kultureinrichtung begrenzt werden.

Oliver Scheytt, der 16 Jahre als Kulturdezernent der Stadt Essen tätig war und heute Kulturinstitutionen auf der Suche nach Fachkräften berät, hat unlängst 133 junge Leute um die 30 mit einer Anstellung im Kulturbetrieb befragt; die Mehrheit von ihnen hat einen Master-Abschluss. Jeder Zweite zeigt sich bereit zu wechseln - als Gründe dafür werden vor allem die nicht funktionierende Zusammenarbeit im Team und die Unzufriedenheit mit dem Verdienst genannt. Das durchschnittliche Monatsbruttoeinkommen der Befragten lag bei 1512 Euro.

Eine Übersicht zu Studiengängen findet sich online unter www.kulturmanagement.net

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Quelle:
SZ vom 05.07.2019
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